Mit einem fetten Grinsen schloss ich leise die Tür. Spiel es. Diese Worte gingen mir einfach nicht aus dem Kopf. Jake ging mir nicht aus dem Kopf.
„Wo warst du?" Die Traumblase in der ich die ganze Nacht geschwebt bin, zerplatzte und ich landete hart auf dem Boden der Realität.
Meine Mutter stand mit verschränkten Armen vor mir. In ihrem Seiden-Schlafanzug, der wahrscheinlich mehr kostete, als die halbe Miete einer Wohnung.
Ich schluckte. Was sollte ich darauf bitte antworten? Ja, ich war nur mit einem Typen, der nicht gesellschaftlichen Stand wie wir hatten, draußen und wir haben uns die Stadt angeguckt? Bestimmt nicht!
„Egal, mit wem du was gemacht hast. Ich hoffe für dich, dass dein Vater es nicht rauskriegt. Von mir erfährt er nichts und jetzt geh in dein Zimmer." Benommen nickte ich. War das wirklich meine Mutter? Ich glaube, Aliens hatten sie entführt und da sie das so unauffällig wie möglich gestalten wollten, hatten sie sie wie eine normale Mutter, die ihre Tochter verstand, programmiert. Das konnte auf jeden Fall nicht meine Mutter sein. Ich wusste, dass sie in ihrer Jugend einer von der schlimmen Sorte war. Drogen, Alkohol, Partys. Doch genau deshalb wollte sie nicht, dass ich so wurde, wie sie. Immerhin war sie von einem Mann abhängig, den sie nicht mal annähernd liebte.
Zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich Zuneigung und Mitleid für meine Mutter. Sie hatte es definitiv nie einfach gehabt. Vielleicht hatte sie in all den Jahren nichts getan, weil sie mit ihrem eigenen Leben zu kämpfen hatte. Vielleicht könnten wir beide, zusammen, uns ein neues Leben aufbauen. Nur Mutter und Tochter. Nur Mum und Erin.
Sofort verwarf ich den Gedanken. Ich machte mir zu viele Hoffnungen und am Ende würde ich nur enttäuscht werden.
Als ich mich auf mein Bett schmiss und die Augen schloss, schossen die ganzen Bilder in meinen Kopf. Wie Jake ausversehen nach meiner Hand gegriffen und sie dann miteinander verhakt hatte. Er hatte nicht losgelassen, obwohl ich das Gefühl hatte, dass meine Hand mehrere Liter Schweiß produzierte.
Wieso hatte ich sowas verdient? Wieso hatte ich Jake verdient?
Und da wären wir wieder: Die altbekannten ‚Wieso' Fragen. Es gab so viele von ihnen und trotzdem kam man nie weiter, egal für was man eine Antwort fand.
Aber über all das wollte ich gar nicht nachdenken. Ich wollte nur mit wie ein kleines verliebtes Schaf lächeln und... verliebt?! Nein, ich war nicht verliebt! Ich hatte nur noch nie keine richtigen Freunde gehabt, deshalb verwechselte ich bloß Freundschaft mit Verliebt sein. Glasklar.
*
„Hey." Jake ließ sich neben mir nieder. Er war zu spät gekommen, weshalb jeder ihn, wohl eher gesagt uns, anstarrte.
„Hey.", erwiderte ich in demselben Ton wie er. „Hat dich jemand erwischt?"
Ich nickte und er zog scharf die Luft ein. „Meine Mutter, aber sie hat mir versprochen meinem Vater nichts zu sagen." Er lächelte erleichtert, weshalb auf seiner linken Wange ein Grübchen erschien, das ich bis dato noch nie bemerkt hatte. Und es sah wirklich niedlich aus.
„Wann hast du wieder Zeit?", fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. Nochmal konnte ich mir sowas nicht erlauben. Was wenn es das nächste Mal mein Vater wäre? Da würde ich nicht so einfach rauskommen. Zumindest nicht ohne einen Bluterguss.
„Keine Ahnung. Ich sag es dir sobald ich mehr weiß. Was machen wir als nächstes?", fragte ich euphorisch. Jake schaffte es mit einer einzigen Nacht mich glücklich zu machen. Oh, das klang jetzt anders als es gemeint war. Mit Nacht meinte ich nicht...
Wegen meinen Gedanken lief ich leicht rot an, was Jake zum Grinsen brachte.
„Woran hast du gedacht, dass du rot wirst?", raunte er ganz nah an meinem Ohr. Ich schluckte hart.
„Egal. Also?", überspielte ich mein Unbehagen. „Wieder eine Überraschung." Ich rollte die Augen. Das war doch nicht sein Ernst!
„Was ist, wenn es mir nicht gefällt?", fragte ich deshalb herausfordernd. Sein Grinsen wurde nur breiter.
„Das wird nicht passieren." Ich schnaubte. Er hatte ein viel zu großes Selbstbewusstsein. Das war besser als voller Selbstzweifel zu sein. Besser als sein Facebook Profil löschen zu müssen, weil zu viele Beleidigungen auf der Pinnwand standen. Besser als ich zu sein.
Ich schüttelte den Kopf um die trübseligen Gedanken wegzuwischen.
*
„Ich hoffe du übst trotzdem.", meinte meine Mutter streng und der Ausdruck in ihren Augen, sagte mir, dass sie gestern Nacht meinte. Ich nickte mit dem höflichen Lächeln, das man eigentlich bei der Kassiererin im Supermarkt benutzte.
„Margret wird uns Bericht erstatten, also keine Zeit für Faulheit.", ermahnte mich mein Vater wieder streng. Ich nickte wieder.
Eine 3-Tägige Geschäftsreise. Das war fantastisch! Einmal im Leben schien ich Glück zu haben. Und das alles nur dank Jake.
Sobald die Limousine nur noch ein schwarzer Punkt am Ende der Straße war, griff ich zu meinem Handy und rief Jake an. Nachdem dritten Klingeln ging er ran.
„Meine Eltern sind für 3 Tage in Schottland. Das heißt, was immer du geplant hast, können wir die nächsten Tage machen." Ich grinste, als er meinte, dass er mich zur selben Zeit abholen wollte.
Nachdem ich aufgelegt hatte grinste ich weiter mit verschlossenen Augen vor mich hin.
„Wer war das?" Erschrocken drehte ich mich zu Margret um, die mit verschränkten Armen vor mir stand. Stimmt, sie sollte ja „Bericht erstatten".
„Jake.", meinte ich unsicher und knabberte auf meiner Unterlippe.
„Jake. Und du triffst dich mit ihm?" Ich nickte.
„Sieht er denn gut aus?" Ich atmete erleichtert aus. Sie hatte nicht vor es meinen Eltern zu sagen. Es war alles gut. Vielleicht nicht alles, aber das hier war gut.
„Sehr.", sagte ich lachend und sie stieg mit ein.
„Na dann! Ich kann ja nicht zulassen das du, meine wunderschöne Erin, einen nicht gutaussehenden Jungen abkriegst! Keine Sorge ich werde deinen Eltern nichts sagen und wehe ich erwische dich beim üben, du hast dir eine Pause verdient!.", mahnte sie mich und ich konnte nicht anders, als ihr um den Hals zu fallen.
Sie erwiderte meine stürmische Umarmung lachend und strich über meinen Rücken. „Und jetzt komm! Meine Sendung fängt an und ich will nichts verpassen. Esperenza ist schwanger! Von ihrem Chef, der verheiratet ist und bald von seiner Frau ein Kind bekommt!" Ich folgte ihr lachend. Margret hatte eine Vorliebe für bescheuerte Soups. Und dafür liebte ich. Sie war in all den Jahren mein einziger Anker gewesen. Jetzt hatte ich zwei.
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Play it
General FictionErins Leben ist schon perfekt durchgeplant, als plötzlich Jake darin auftaucht und alles ziemlich durcheinander bringt. Zum ersten Mal lernt Erin, was es bedeutet zu leben, ohne Regeln zu befolgen und nur an die Zukunft zu denken. Zum ersten Mal le...