twenty-three

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Am nächsten Morgen war die andere Betthälfte leer. Allerdings lag ein kleiner Zettel mit Jakes krakeliger Schrift auf meinem Nachtschrank, den ich mit einem Grinsen durchlas.

Ich hoffe du hast gut geschlafen, Kleines. Wir sehen uns morgen in der Schule. Ich freu mich schon.

PS: Du siehst verdammt süß aus, wenn du schläfst, weißt du das?

Mit hochroten Wangen ließ ich mich zurückfallen und stöhnte. Warum schaffte er es immer wieder mich in Verlegenheit zu bringen?

*

Der Anfang der Woche verlief absolut perfekt. Mason und seine Freunde hatten mich vollkommen in Ruhe gelassen, meine Mom und ich unternahmen immer öfter etwas und Jake wich kaum von meiner Seite. Ich hatte da überhaupt nichts gegen einzuwenden.

Möglicherweise hatte ich die Geige in der letzten Woche ein wenig vernachlässigt, aber das fiel nicht sonderlich auf. Besonders, da so eine Probe-Pause meinen geschundenen Fingern wirklich guttat.

Am Donnerstag wachte ich mit einem mulmigen Gefühl auf. Irgendwas würde heute passieren, das spürte ich...

Allerdings verflüchtigten die Bedenken, als ich daran dachte, dass ich donnerstags zwar ziemlich lange Unterricht hatte, ausgerechnet die Kurse, die ich am meisten verabscheute, aber donnerstags hatte ich auch immer eine Freistunde. Eine gemeinsame Freistunde mit Jake, um genauer zu sein. Und ich hatte ein paar Ideen, wie wir sie verbringen könnten, dachte ich mit einer verdächtigen Röte im Gesicht.

Ich zog mich an und lief die Treppe herunter. In der Küche stand Mum und machte Rührei. Inzwischen hatte ich mich an den Anblick gewöhnt, sie in der Küche arbeiten zu sehen.

Sie kochte Kaffee, während ich den Tisch deckte. Als ich die Kaffeetasse meines Vaters in der Spüle sah, fiel mir ein Stein vom Herzen. In letzter Zeit ging er immer früher los und kam noch später zurück. Ich schluckte, nachdem mir klar wurde, was das bedeutete.

Mit einem Blick auf Mum, die summend den Herd ausschaltete und den Kaffee in zwei Tassen goss, wurde ich automatisch wieder entspannter. Sie war nicht traurig deshalb. Hoffte ich jedenfalls. Sie war einfach viel zu gut für ihn.

„Schuss Milch und kein Zucker, richtig?", fragte sie mich und ich nickte lächelnd.

*

„Das ist albern", beharrte ich stur. Er hob die Augenbrauen und setzte wieder an zu widersprechen.

„Das ist es nicht. Wenn ich mich entscheiden könnte, ob ich weiß, wann ich sterbe und wie ich sterbe, würde ich wann wissen wollen. Weil ich dann-"

„Dich zuhause einsperren könntest, abgetrennt von der Zivilisation, wo dir theoretisch gesehen nichts passieren könnte?" Jake nickte und ich grinste triumphierend, als ich begann meine Argumente zu erklären.

„Und was ist wenn das genau der Grund, weshalb du am Ende stirbst? Zum Beispiel, es bricht ein Feuer in der Wohnung aus und du kannst nicht flüchten, weil du dich nun mal eingesperrt hast."

„Möglich, aber ich könnte wenigstens irgendwas machen. Wenn ich wüsste, wie ich sterbe, könnte ich nichts machen", hielt er dagegen.

„Genau deshalb ist die Zukunft nichts, was man wissen sollte. Denn wenn du weißt, wie etwas in der Zukunft ausgeht, wirst du versuchen etwas dagegen zu tun und das sorgt am Ende dafür, dass dieses Ereignis wirklich eintrifft. Zeitreisen sind absoluter Quatsch. Sowohl wissenschaftlich, ich meine, dann müsste sich ja jeder Tag die ganze Zeit wiederholen, wie in einer Schleife, als auch für das Allgemeinwohl. Die Zukunft ist etwas komplett Unerforschtes, weißt du? Man kann sie weder lenken, noch in irgendeiner Weise beeinflussen und das ist auch gut so", schloss ich ganz in Gedanken vertieft.

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