Kapitel 27 - Meine Vergangenheit

362 15 0
                                    

Alles lief in Zeitlupe ab. Ich hörte nur noch ein lautes Summen und war vollkommen perplex. Ich schaute mich um und versuchte nach Nik's Hand zu greifen, aber er war aufgestanden und zu IHM gegangen. Nun saß ich vollkommen allein da und fühlte mich so, als ob ich meinem Mörder in die offenen Arme laufen würde. Die schrecklichen Erinnerungen kamen wieder hoch. Wie konnte es sein, dass er ein Geschäftspartner von Nik war? Wusste er von mir und Nik? War er deswegen hier? Hat er mich aufgespürt?! 
Die Angst raubte mir den Atem, ich wollte fliehen vor dieser Situation, konnte mich aber nicht bewegen. Meine Muskeln gehorchten nicht mehr mir, sie hatten ihren eigenen Willen. Nach gefühlten zehn Minuten drehte Nik sich zu mir um und deutete auf mich. Das Summen wurde immer leiser, bis ich nichts mehr hörte. Erwartungsvoll blickte Nik mich an. Ich wagte es nicht IHM in die Augen zu blicken. Demjenigen, dem ich all meine Alpträume und Zusammenbrüche zu verdanken habe. Meinem Peiniger, derjenige der mich vor neun Jahren vergewaltigte.

Viktor war damals meine Erste große Liebe. Ich hatte ihn mit 15 in der Schule kennengelernt. Es war ein langes hin und her, bis wir zusammen kamen. Damals, nach dem Tod meiner Eltern, war er eine Stütze für mich. Er war da, als ich jede Nacht schreiend aufwachte. Meine Eltern waren noch nicht mal ein halbes Jahr tod, da wollte er Sex mit mir. Er drängte mich jedesmal, ich wollte aber nie. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, als er mich zuhause überraschte, als Oma weg war. Er zog mich in mein Zimmer und hielt mir den Mund zu, als ich anfing zu schreien. Er schlug auf mich ein, bis ich fast bewusstlos am Boden lag. Es passierte immer öfters und ich konnte mich nicht dagegen wehren. Nach einiger Zeit verlor er das Interesse an mir. Von den einen auf den anderen Tag war er verschwunden. Ich konnte nicht zur Polizei gehen, ich konnte mit niemandem sprechen, weil ich mich so sehr schämte. Ich war das Flittchen eines Sexsüchtigen. Ich machte mir Vorwürfe, ich dachte ich wäre selber daran Schuld, weil ich mit ihm zusammen war und es in einer Beziehung nunmal zu Sex kommt. Immer dachte ich daran, dass ich mich zu anzüglich angezogen hatte oder irgenwelche Andeutungen gemacht hatte. Wenn es ihm gerade danach war, kam er und vergewaltigte mich. Meiner Oma spielte er immer den lieben Jungen vor und Oma war so gutgläubig und mochte ihn. Er meinte immer dass es 'unser Geheimnis' bleiben würde, keiner wusste davon Bescheid und eine beste Freundin oder eine Vertrauensperson hatte ich damals nicht. 
Nach dem Tod meiner Eltern hatte ich mich immer mehr zurückgezogen, sodass ich alle meine Freunde verlor. Und jetzt, nach neun Jahren, stand er wieder vor mir. Ich wollte ihn anspringen und sein hässliches Gesicht mit einem Messer bearbeiten. Ich wollte ihm die Kehle aufschneiden oder ihn bei lebendigem Leib verbrennen lassen. Nach all dem Jahren hatte ich mir immer mehr Methoden und Praktiken für seinen Tod ausgedacht. Ich bin zum Clan gegangen um zu lernen wie man tötet, um ihn eines Tages zu suchen und meine Rache ausleben zu lassen. Doch als ich Nik kennenlernte, wurden diese Pläne zunichte gemacht, unzwar in genau dem Moment als ich ihn das erste Mal sah und in seine wunderschönen blauen Augen geschaut hatte. Er ließ mich spüren, was Geborgenheit, Freude und Liebe hieß. Ich zwang mich aufzustehen und trat langsam an Nik's Seite und würdigte Viktor keines Blickes. Auch wenn er es wert war, all meine aufgestaute Wut an ihm auszulassen, beherrschte ich mich. Ich nahm Nik's Hand und drückte dreimal zu. Nik hatte mir gesagt, wenn ich ich unwohl fühlte oder ich Angst hatte, sollte ich dreimal seine Hand drücken. Er verstand sofort und musterte Viktor.
"Du bist noch genauso hübsch wie damals. Schön dich nach all der Zeit wieder zu sehen, Elina", sagte Viktor. Er war ein Meister darin, keine außergewöhnlichen Gefühle zu zeigen und man sah ihm auch nichts Besonderes an. Doch ich war die Einzige in diesem Raum, die heraushörte wie doppeldeutig seine Worte waren. Immernoch versuchte ich Viktor auszublenden, ich wollte weg von hier unzwar so schnell wie möglich. Ich musste aber vorher Nik erklären wieso ich so angespannt war. 
"Ich gehe an die Bar und hole mir einen Drink", sagte ich mit gespielt gelassener Miene an Nik gerichtet. Ich bahnte mir meinen Weg durch die Männer unseres Clans. Ich spürte wie jemand mir folgte und wusste sofort, dass es Alex war. Die Bar konnte man vom Tisch aus nicht sehen, das erleichterte mich ungemein. 
Ich setzte mich an die Bar und bestellte zwei Vodka. Alex setzte sich neben mich. Ich schob ihm das eine Glas hin und kippte meins runter. 
"Woher kennst du ihn?", fragte Alex und nahm meine Hand. Mein bester Freund, er verstand mich sofort. Ich holte tief Luft und begann zu erzählen.

Even the stars can't shine without a little bit of darknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt