Er hörte immer dieses eine Lied. Jeden Tag, auf voller Lautstärke. Bohemian Rhapsody. Mitchell konnte es Abends durch die Wände hören und Morgens in der Küche beim Frühstück, wenn er die Tür offen hatte. Mitchell mochte das Lied. Er hörte ihn auch gerne dieses Lied singen. Er hatte eine wunderschöne Stimme, in Mitchells Ohren klang diese wie die eines Engels. So beschrieb er es zumindest. Aber irgendwann änderte er sich. So wie jeder Mensch sich ändert. Er hatte die Schule frühzeitig abgebrochen um sich in sein Zimmer einzuschließen und sein Lied zu hören. Er redete kaum, wenig. Außer wenn Mitchell bei ihm war. Yoshi liebte seinen Cousin. Er kümmerte sich um ihn so gut es ging, zeigte ihm so wenig wie möglich von seiner anderen, traurigen Seite. Und Mitchell bekam nichts davon mit. Erst, als Yoshi sein Zimmer wieder verließ um draußen zu sein. Immer seltener war er zu Hause. Er kam spät Abends erst in die Wohnung, meist wenn Mitchell noch schlief. Irgendwann kam er gar nicht mehr nach Hause.
«Ich weiß echt nicht was ich hier soll Meg!» Mitchell stolperte mit unzufriedener Miene hinter seiner Tante her. «Es ist nur zu deinem Besten!» Mitchell verdrehte die Augen. «Ich war hier schon mal. Nichts als leere Worte» «Ich weiß» Megs Stimme hörte sich leer und brüchig an. Unsanft zog er sich aus ihrer Umklammerung und rieb sich das Handgelenk. «Mitchell, es ist doch nur ein Mal okay? Bitte. Tu mir den Gefallen!» Er seufzte und gab sich geschlagen. «Meinetwegen»
Mitchell hasste diesen Ort. Er hatte etwas deprimierendes, bedrückendes an sich. Niedergeschlagen folgte er Meg den Gang entlang. Ihm war klar, dass der Termin schon seit Wochen stand. Seine Tante ließ sich auf einen Stuhl vor einer weißen Tür nieder, Mitchell setzte sich daneben und starrte auf seine Finger. Von innen drangen Stimmen nach draußen. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde die Tür geöffnet. Zwei Lila-schwarze Chucks traten in Mitchells Sichtfeld. Er hob langsam den Kopf. Ein Mädchen stand vor ihm. Kirstin. Das Mädchen mit dem großen Herz, so hatte Mitchell sie zumindest in seinem Kopf abgespeichert. ‹Hübsch›, dachte er und musterte zum ersten mal genauer ihr Gesicht. «Mitchell, kommst du?» Er antwortete nicht, sondern starrte Kirstin an, die zurück starrte. «Hey», sagte sie leise. «Hey», antwortete Mitchell. Sie starrten beide einander unentwegt an, bis Kirstin ihren Blick abwandte und weiter lief. Mitchell stand auf und blickte ihr hinterher, bis sich jemand vor ihm räusperte. Mitchell wandte den Kopf und sah den Mann vor ihm an. «Mitchell, das ist Avriel Kaplan. Der Psychologe», sagte Meg. Mitchell ergriff die große Hand des Mannes. «Nenn mich nur Avi, Mitchell, bitte» Avi lächelte ihn an und Mitchell blickte Ausdruckslos zurück. Er mochte diesen Mann nicht. Das wusste Mitchell jetzt schon.

DU LIEST GERADE
R.E.C.
أدب المراهقينDie anderen lachen ihn aus. Sie mobben ihn. Sie grenzen ihn aus. Er ist nicht gut genug für sie. Nur einer versteht ihn. Ein einziger, dem er zu vertrauen beginnt.