Überwältigung.

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Als wir die lange Sandauffahrt hoch fuhren und links und rechts über weitläufige Weiden sahen, waren wir schon überwältigt. Am Ende der Auffahrt erstreckte sie ein breites Gebäude. Links und rechts waren jeweils große halbrunde Türen, die in die Stallgasse führten. Von beiden Stalleingängen verliefen Boxen bis zur Mitte des breiten Gebäude, welche aus einem großen Torbogen bestand, der den Eingang zu dem Anwesen war, auf welchem wir und die Pferde ab sofort leben würden. Mittig über dem Torbogen war eine Art Turm, der alles noch pompöser wirken ließ. Über den Boxen, die von rechts und links in Richtung Torbogen liefen, schienen Wohnungen zu sein, da dort Fenster im Dachstuhl eingebaut waren.

„Ach du Kacke. Wir sind dort gelandet, wo ich dachte, nie landen zu würden", entwich es Lynn und sie fuhr im Schritttempo durch den Torbogen. Hinter dem breiten, eindrucksvollen Stalltrakt, denn man als erstes sah, wenn man auf die Reitanlage zufuhr, verbarg sich viel mehr. Das riesige Gebäude war als U geformt und erstreckte sich links und rechts als weitere Stallgassen. Ein Mann stieg von seinem Trecker und sah kam zu unserem Auto.

„Kann ich euch helfen?", wollte er nett wissen.

„Ja, wir sind neu und kommen gerade vom Flughafen. Wo sollen wir das Auto hinstellen?", fragte Lynn sichtlich überwältigt nach. Mir ging es nicht anders. Ganz klar, hier trainierte die Elite.

„Ah, ihr seid die Michaels Kinder", entfuhr es dem Mann strahlend.

„Äh ja", antwortete Lynn verwundert

„Super, dass ihr da seid. Ich hoffe ihr hatte einen guten Flug und eine gute Fahrt. Es ist so ziemlich alles vorbereitet. Peter hat verschiedene Boxen für eure freigehalten und wird je nach Pferd, euch die zuteilen. Ihr könnt dort an der Seite neben dem Nordtrakt parken, dann sag ich Peter Bescheid, dass ihr da seid", plauderte der Mann fröhlich vor sich hin.

„Okay, ist unsere Mutter auch schon da?", warf ich ein. Der Mann sah mich, noch immer strahlend, an und nickte.

„Ja, aber sie ist mit Ben zum Tierarzt, da es hier üblich ist noch eine Kontrolluntersuchung zu machen, wenn ein Hund nach Montana einreist", berichtete er.

„Gut danke", winkte Lynn höflich ab und fuhr weiter.

„Mit ihm wird es nie langweilig", bemerkte ich amüsiert.

„Aber die Zeit rennt dir weg, wenn er anfängt zu reden", warf Lynn grinsend ein

„Er ist nett. Dass ist die Hauptsache", entgegnete ich und lehnte mich, fast ein wenig erleichtert, nach hinten.

„Komisch ist nur, dass er jetzt schon den Namen unseres Hundes kann, obwohl Mom erst seit ein paar Stunden hier sein dürfte", meinte Lynn und schaltete den Motor aus. Wir stiegen aus und obwohl Peter noch nicht da war, öffneten wir den Anhänger und ließen die Pferde raus. Ich band Harmony am Anhänger fest, da sie relativ ruhig war und kämpfte mir mit Nightwish einen ab, da in ihm der Jonny wieder wach wurde. Er tänzelte auf der Stelle rum, wieherte laut stark, riss den Kopf hoch und führte sich wie ein junger Hengst auf. Genau das war er ja auch.

„Mit dem ist es nicht schwer euch zu finden", gab eine Männerstimme amüsiert von sich. Wir drehten uns um und sahen Peter, der wohl Jonny meinte.

„Hi", gab Lynn lächelnd von sich und reichte Peter die Hand. Er erwiderte den Händedruck und ich nickte ihm nur zu, da ich beide Hände für Peter Pan und Jonny brauchte.

„Das sind also eure Pferde", schloss er und sah sich alle vier an.

„Ja genau. Rocky Rubin, Peter Pan und Nightwish. Aber alle nennen ihn Jonny", stellte Lynn unsere Pferde vor, „Harmony kennst du ja"

„Ein Pferd mit zwei Namen?", hakte Peter erstaunt nach. Ich musste leicht lachen.

„Es ist eine Hommage an einen ehemaligen Mann, der bei uns am Stall war. Er hieß Jonathan und hat immer nur Quatsch gemacht und alle Leute zum Lachen gemacht. Wir nannten ihn auch nur Jonny. Jonathan war quasi ein Opa für uns und als es ihn nicht mehr gab, haben wir Nightwish den Zweitnamen Jonny verpasst, denn er war nicht anders", erläuterte ich Peter die Geschichte von dem Namen Jonny.

„Okay, ich hab ein paar Boxen freigemacht, aber ich will die Pferde nicht irgendwo dazu stellen, sondern so, dass sie bei Pferden stehen, mit denen sie sich gut ergänzen. Ich möchte quasi eine gewisse Grundruhe in die Ställe bringen", erklärte Peter uns sein Vorgehen im Boxen besetzen.

„Harmony kennst du ja. Durchgehend entspannt, aber schnell mal zickig", meinte Lynn.

„Ja, ich kenne ja ihre Macken. Die geht vorne in den Hauptstall auf die Ecke. Da hat sie am meisten Ruhe.", erwiderte Peter, „was ist mit Rocky Rubin?"

„Rocky ist treu doof. Er ärgert zwar gerne die in der Box nebenan, aber ansonsten macht er kein Theater", meinte Lynn und klopfte den Hals seines Pferdes.

„Und die beiden?", richtete Peter an mich.

„Kinderstube", lachte ich nur leicht und brachte Peter Pan zum stehen, da er sich die ganze Zeit im Kreis drehte.

„Okay, die werden wir beide wohl eher im Nordtrakt unterbringen. Da sind sowohl alte, als auch junge Pferde", seufzte Peter.

„Dann lasst uns mal zuerst die beiden in den Fronttrakt bringen und dann die anderen beiden in den Nordtrakt", schlug der Mann vor und band Harmony los. Auf dem Weg zu den Boxen begrüßten unsere Pferde sämtliche andere Pferde, die neugierig ihren Kopf aus den Boxen hielten. Die vier neuen, wurden durch regelmäßiges Wiehern der Stallbewohner in Empfang genommen. Jonny und Peter Pan bekamen des Öfteren lautes Poltern der älteren Hengste zu hören, da sie wohl als Eindringlinge wahrgenommen wurden.

„Die beiden werden sich wohl noch auf der Weide beweisen müssen", gab Peter amüsiert von sich und hielt vor der Eckbox von Harmony. Die Fuchsstute ging sofort zum Futtertrog und fraß gierig.

„Rockys Box ist die neben dem Rappen da", meinte Peter und zeigte auf eine leere Box, neben welcher eine große Friesenstute stand. Lynn nahm ihrem Hengst das Halfter ab und er sah sich neugierig um.

„Gut, dann wollen wir mal die Chaoten weg bringen", ordnete Peter an und Lynn nahm mir Peter Pan ab. Wir liefen einmal das gesamte U ab, bis wir in dem Nordtrakt ankamen, in welchem ab sofort Peter Pan und Jonny Zuhause wären. Jonnys Boxennachbarn waren ehemalige Turnierpferde, die hier ihren Ruhestand genossen. Sie sollten ihm erstmal Benehmen beibringen. Peter Pan zog neben einem Schimmel ein, der noch ein kleines Stück kleiner war als er selbst und von Peter ein großes Pony genannt wurde. Es dauerte keine fünf Minuten und Peter Pan schloss mit seinem Boxennachbarn Freundschaft. Er war wohl der erste, der richtig in seiner neuen Heimat angekommen war.

Lynn und ich parkten das Auto um, koppelten den Anhänger ab und sahen uns unsere Wohnung an, in der wir jetzt leben würden. Gemeinsam packten wir die ersten Dinge aus. Als mein Kleiderschrank wieder voll war, sah ich aus dem Fenster auf das große Reitzentrum das vor mir lag. Ein riesiger sandiger Innenhof, über welchen Menschen mit ihren Pferden von A nach B gingen. Gespanne hielten hier und luden Pferde aus und ein. Weiter hinten waren große Reitplätze, Reithallen und Führanlangen zu sehen. Die Nachmittagssonne schien auf das große Anwesen und ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, hier einmal Zuhause zu sein.

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