Rückschläge.

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Wir lebten nun seit einer Woche auf Peter Thompsons Reitanlage und die Pferde hatten sich größten Teils eingewöhnt. Peter Pan hatte Freundschaft mit dem ebenfalls kleinen Pferd in der Nachbarbox geschlossen. Der kleine Schimmel hieß Schmiddi und die beiden stellten sowas von viel Quatsch zusammen auf der Koppel an, dass man ihnen eigentlich am liebsten den ganzen Tag zu sehen würde. Die Friesenstute neben Rocky Rubins Box trug einen gewöhnungsbedürftigen Namen. Sie hieß Coco Chanel, wurde aber ein Glück nur Coco genannt. Ihre Besitzerin sei wohl eine steinreiche Frau, die Coco aus einem Zirkus gekauft oder sonst was. Es war mir zu kompliziert gewesen, mir die ganze Geschichte von Coco zu merken, da sie umständlich war. Heute würde ich mein zweites Training bei Peter absolvieren, da, wie ich es mir gedacht hatte, Jonny in alte Muster zurück verfiel. Er verweigerte und sprang nur ab und zu, so wie er es wollte. Eins, hatte er ein Glück beibehalten. Er sprang noch immer sicher und hatte nicht das Problem, dass er seine Beine nicht sortieren konnte.

Ich ritt Jonny auf dem Platz warm, als Peter unter der Absperrung durch kletterte und sich zu mir gesellte. Er baute ein paar Sprünge auf und sah mich dann fordernd an.

„Dann wollen wir mal, lass ihn auf dem Zirkel auf der linken Hand galoppieren", forderte er und stellte sich in die Mitte. Ich ließ Jonny angaloppieren und er lief drei Runden gut und flüssig mit großen Galoppsprüngen. Sein Tempo war zügig, so wie es damals Sven, und Peter auch jetzt, verlangte. Doch bei der vierten Runde erblickte Jonny scheinbar mit dem rechten Auge das Hindernis, brach urplötzlich über die rechte Schulter aus und strebte das Hindernis an.

„Brems ihn ab!", rief Peter mir laut nach. Ich lehnte mich nach hinten, drückte die Beine ran und versuchte mein Pferd zurück zu ziehen, doch 500 Kilo Muskelmasse interessierte es herzlich wenig, was 60 Kilo Mensch auf seinem Rücken von ihm verlangte. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn nach rechts zu lenken, sodass er am Hindernis vorbei lief und nicht die Gelegenheit zum Springen bekam. Als ich ihn endlich durchparieren konnte und zu Peter ritt, sah er mich prüfend an.

„Gemerkt, dass es ihm egal ist, was du da oben tust?", fragte er mit ernstem Blick. Ich nickte nur außer Atem

„Das gleiche Spiel nochmal. Auf dem Zirkel in den Galopp und sobald du merkst, dass er ausbrechen will, äußerer Schenkel ran, äußerer Zügel ran und Hilfen mit der linken Hand. Okay?", wollte Peter einen neuen Versuch starten. Ich nickte, nahm die Zügel wieder auf und ließ Jonny zur geschlossenen Seite angaloppieren. Diesmal versuchte er schon bei der zweiten Runde auszubrechen und ich spielte das Programm ab, welches Peter angeordnet hatte.

„Lass den äußeren Zügel nicht los! Halt ihn in Schach", befahl er immer und immer wieder, bis ich kurz vor dem Hindernis die Kurve ritt und wieder zurück zur Zirkellinie galoppierte.

„Weiter reiten! Er gibt das Tempo nicht vor!", meckerte Peter mich an und ich drückte meine Schenkel nochmal an Jonny. Als mein Pferd drei Runden flüssig durch galoppiert war auf dem Zirkel, ohne über die Schulter auszubrechen, parierte ich in den Schritt durch und ließ die Zügel lang.

„Jetzt kannst du ihn loben. Er soll jetzt eben Zeit bekommen, darüber nachzudenken, bevor wir weiter machen", meinte mein Trainer. Jonny kaute auf dem Gebissstück und ließ den Kopf tief hängen. Er schnaubte laut und atmete ruhiger. Peters Gesichtsausdruck nach, schien er wohl begriffen zu haben, mit was einem Kaliber Pferd ich hier angekommen war. Jonny war keine leichte Nummer.

„Okay, jetzt üben wir die Abfolge von zwei Sprüngen mit einer leichten Kurve", begann Peter und zeigte auf zwei Hindernisse, „versuch die Kurve langsam und groß zu reiten"

Ich ritt im Schritt am langen Zügel den Weg ab, den ich später im Galopp reiten würde.

„Okay, mal gucken was er dazu sagt", meinte ich und atmete noch mal tief durch

„Wichtig, sei du dir deiner Sache sicher und zeig ihm den Weg. Er muss lernen, dass er dir zu vertrauen hat", erklärte mir Peter und stellte sich mittig auf den Platz. Ich ließ Jonny angaloppieren, ritt auf den Zirkel und ließ ihn dann in Richtung des Hindernisses laufen. Er zog vor dem Hindernis an und sprang gut drüber. Doch nach dem Hindernis hatte ich damit zu kämpfen, das Tempo zu verlangsamen, damit ich die Kurve im richtigen Winkel bekommen würde. Jonny war etwas zu schnell, weswegen uns ein Galoppsprung zum Hindernis fehlte, doch er rettete den Sprung, in dem er seine Sprungweite verlängerte. Ich parierte durch und wartete auf das Feedback.

„Erstens, es war schlecht, dass er nicht darauf reagiert, wenn du langsamer werden willst. Zweitens, er hat sein Fehler ausgebügelt, indem er einfach weiter gesprungen ist. Das war ok, aber nicht das was ich wollte. Nochmal", nörgelte Peter und ließ es uns nochmal tun. Beim zweiten Mal bekam ich Jonny zwar dazu, das Tempo zu verlangsamen, doch ich ritt die Kurve unsauber, dennoch sprangen wir mit der richtigen Anzahl Galoppsprünge über den zweiten Sprung.

„Schon besser. Ein letztes Mal noch. Dann habt ihr Feierabend", meinte der Trainer und klopfte den verschwitzten Hals von Jonny, der aber zufrieden abschnaubte. Beim dritten Anlauf klappten der erste Sprung, das abbremsen und die Kurve noch besser, doch als wir den zweiten Sprung anritten knallte es plötzlich. Ich war schon auf den Sprung fixiert und konnte nicht mehr reagieren, als Jonny plötzlich durchging, links dicht am Sprung vorbei zog und mich somit aus dem Sattel schleuderte. Ich landete unsanft mit meinem rechten Arm und dem Oberkörper auf dem Ständerfuß des Hindernisses. Ich hob den Kopf und strich mir den Sand aus dem Gesicht. Mühselig rappelte ich mich auf und klopfte den Sand von meinen Klamotten. Auf dem Innenhof waren so einige Pferde am scheuen und Peter kam mit Jonny am Zügel auf mich zu. Mein Pferd hatte die Augen weit geöffnet und den Kopf erschrocken in der Luft.

„Kannst du aufsteigen?", fragte Peter und sah wütend auf den Sandplatz, wo alle die Gespanne standen, um herauszufinden wer Schuld an dem Krach gewesen ist. Ich schwang mich unter schmerzenden Rippen wieder auf Jonny und versuchte mein Pferd zu beruhigen. Ich konzentrierte mich so sehr auf ihn, dass ich den Schmerz vergaß. Ich ritt im Schritt durch die Bahn und versuchte Jonny mit kleinen Hilfen zu beschäftigen. Mit Worten redete ich beruhigend auf ihn ein. Mom ritt über den Hof und hielt bei uns an

„Weißt du was das war?", fragte Peter sie

„Die Rampe des einen Anhängers ist runter geknallt", meinte Mom schulterzuckend.

„Und Harmony?", hakte Peter nach.

„Total entspannt. Kurz zusammengezuckt, aber sonst nichts", erwiderte meine Mutter gelassen. Dann sah sie mich komplett versandet und mein Pferd am Maul schäumend, vom vielen nervösen Kauen.

„Und bei euch?", erkundete sie sich.

„Lunas erster Sturz im neuen Zuhause", antwortete Peter seufzend.

„Schlimm?", wollte Mom besorgt wissen.

„Sie ist gegen das Hindernis geflogen. Ihr solltet nachher mal gucken, ob es was Schlimmeres ist, aber sie hat sich erstmal rauf gesetzt, um Jonny zu beruhigen", entgegnete Peter.

„Oh Gott Luna, du Arme", meinte Mom mit besorgter Stimme und sah mich bemitleidend an.

„Dann reicht's auch für heute", damit beendete Peter unser Training und ich stieg von Jonny ab. Ich führte mein Pferd in die Stallgasse und nahm das Reitzeug ab. Danach kühlte ich seine Beine und seine Brust unter fließendem Wasser aus dem Wasserschlauch ab und brachte ihn, gemeinsam mit Peter Pan und Schmiddi auf die Weide.

Am späten Abend stellte sich heraus, dass ich mir die Rippen geprellt und einen leichten Riss im Schulterblatt zugezogen hatte. Mom hatte mich zur Kontrolle in ein naheliegendes Krankenhaus gefahren, wo vorsichtshalber ein Röntgenbild gemacht wurde. Für mich und Jonny bedeutete das, zwei Wochen Pause.

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