Ich zog mir ein Sweatshirt über, schlüpfte in meine Nikes und zog die Wohnungstür hinter mir ins Schloss. Sofort stand ich in der herbstlichen Morgenkälte Montanas. Müde ging ich die Treppen runter und stand direkt im Torbogen. Ben kam freudig bellend auf mich zu gelaufen. Durch die kalte Luft, sah man seinen Atem bei jedem Bellen.
„Na großer", murmelte ich und strich dem Golden Retriever über den Kopf. Mein erster Weg führte direkt in den Nordtrakt, in welchem ich Jonny, Peter Pan und Schmiddi aus ihren Boxen holte und alle drei in eine der freien Reithallen brachte. Ich löste nacheinander die Karabiner der Halfter und die drei jungen Pferde rannten buckelnd durch die Halle. Sie tobten und leisteten sich spielerische Machtkämpfe. Zufrieden ließ ich die drei alleine und ging den weiten Weg zum Haupttrakt. Dort holte ich Rocky aus seiner Box, bandagierte seine Vorderbeine und stellte ihn ebenfalls in die Reithalle zu den anderen drei Chaoten. Der Herbst hatte Montana erreicht und die Nähe zu Kanada ließ vermuten, dass es hier in dieser Jahreszeit deutlich kälter war als in Florida. Da die Weiden mit Tau belegt waren, konnten wir unsere Pferde nicht schon am Morgen lassen, da sie übermütig wären und auf den nassen Weiden ausrutschen könnten. Sie müssten sich erst an das Klima und seine Änderungen hier gewöhnen. Ich lief wieder den ganzen Weg über den Hof zurück, bis ich im Haupttrakt ankam. Dort ging ich in die Sattelkammer und suchte eine Pferdedecke, Transportgamaschen und Harmonys Sattelzeug zusammen.
„Morgen", murmelte Lynn müde hinter mir.
„Morgen", erwiderte ich. Sie rieb sich müde die Augen und streckte sich erneut. Wir standen beide in Sweatshirt, Freizeitschuhen und Jogginghose in der Sattelkammer und waren sichtlich übermüdet. Lynn machte sich an dem Sattel und der Trense von Harmony zu schaffen und ich ging zu der Stute in die Box, um sie einmal über zu striegeln und ihr die Decke aufzulegen. Die Transportgamaschen befestigte ich an dem Deckenhalter, welcher an der Boxentür befestigt war und ging dann wieder zu Lynn in die Sattelkammer.
„Welches Auto nehmen die?", wollte sie wissen und hob den Sattel mit Schonbezug hoch.
„Peters Geländewagen", meinte ich nur und griff zu der Trense. Gemeinsam liefen wir über den sandigen Innenhof des U-förmigen Stallkomplexes und packten Harmonys Zeug in das Auto. Eine Frau, die ihr Pferd in der Nähe von Jonny stehen hatte, kam auf uns zu. Sie war schon etwas älter und hatte ein Pony hier stehen, dass aus dem Turnierbetrieb raus war.
„Darf ich mir euren Anhänger ausleihen für zwei Tage?", fragte sie mich nett.
„Welchen?", stellte ich als Gegenfrage, worauf Lynn und die Frau leicht auflachten. Ja, wir waren mit vier Pferdeanhängern hier eingezogen, die alle mit einer Spedition her gebracht worden waren.
„Am besten den Einer. Ich hab ja nur ein Pferd", entgegnete die Frau lachend
„Klar, koppel' ihn ruhig an. Ich bin eh die nächsten Tage unterwegs, und Lynn ist hier", meinte ich und zeigte der Frau, wo wir den Einer-Anhänger geparkt hatten. Die Sonne ging gerade auf, als Lynn und ich den schmalen Gang unter der Treppe hindurch gingen, die zu unserer Wohnung führte, und in die Wohnung von Peter gingen. Wir stellten unsere Schuhe im Flur ab und liefen durch das rustikale Wohnzimmer, direkt in die altmodische Küche. Peter hatte seit Jahrzehnten sein Haus nicht neu gemacht und lediglich kaputte Sachen gegen originale Materialien ersetzt. Somit hatte das Haus nie seinen Charme verloren. Am Frühstückstisch saß bereits Mom und las konzentriert die Meldebedingungen für das anstehende Turnier durch. Als sie uns bemerkte, grinste sie uns breit an.
„Lynn, Luna, guten Morgen", lächelte sie breit. Man sah ihr die Vorfreude auf das anstehende Turnier ins Gesicht geschrieben.
„Morgen", gaben wir, immer noch müde, zurück.
„Lynn, ich hab deinem Trainer Bescheid gesagt. Vor dem Trainingscamp werdet ihr nicht mehr an einen anderen Ort zum Trainieren fahren. Das wird sonst alles zu viel für Rocky", richtete Peter an Lynn. Meine Schwester nickte und nahm einen Schluck Kaffee. Ein verschlafener, braunhaariger Lockenkopf kam in die Küche und setzte sich an den Tisch. Er trug eine Jogginghose, ein weißes Shirt und Adiletten. Seine Haare hingen kreuz und quer auf seinem Kopf rum.
„Morgen", murmelte Jason und stützte seinen Kopf in seinen Händen auf.
„Morgen der Herr", gab Peter sichtlich genervt von sich.
„Also, wo jetzt alle beisammen sind, lass uns die nächsten Tage nochmal durchsprechen", fing Mom an und wartete, bis Peter sich endlich an den Tisch gesetzt hatte. Ich aß stumm schweigend mein Brot und sagte nichts zu dem Thema.
„Susann und ich werden heute mit Harmony in Richtung Helena aufbrechen. Dort ist Morgen die Vorentscheidung und übermorgen das große Turnier", ergriff Peter das Wort.
„Wie weit ist Harmony?", fragte Mom in die Runde und warf einen panischen Blick auf die Uhr.
„Luna hat sie fertig gemacht und ich hab mich ums Sattelzeug gekümmert", entgegnete Lynn und ließ dadurch Moms Puls wieder in den normalen Bereich fallen.
„Danke", lächelte sie erleichtert
„Lynn, du bleibst ja hier, weil du Training hast", meinte Peter und sah meine Schwester von der Seite an. Sie nickte mit vollem Mund.
„Ihr wisst was zu tun ist?", richtete er nun an Jason und mich. Ich nickte ebenfalls.
„Wir fahren morgen früh los", murmelte Jason verschlafen.
„Genau. Dann treffen wir uns in Helena auf dem Turniergelände und dann ist übermorgen der große Tag", erwiderte Peter zufrieden.
„Luna", wandte Mom sich plötzlich an mich. Fragend sah ich zu ihr hoch.
„Ich glaube es wäre von Vorteil, wenn du Nightwish mitnimmst. Du saßt letztens ja schon wieder auf Rocky, im Schritt und Trab, und das hat ja auch geklappt. Dann kann Nightwish noch ein bisschen das mit der Turnierstimmung lernen. Gerade weil es ein großes Turnier ist", schlug sie vor.
„Susann, ich wäre da vorsichtig. Wenn sie ihn führt und er panisch wird und am Strick zieht, kann das mit den Rippen ganz schnell wieder nach hinten losgehen", warf Peter fürsorglich ein. Ich lächelte leicht und sah Peter an.
„Das geht schon, glaub mir. Er wird sich schon benehmen", versicherte ich dem Mann und steckte mir das letzte Stück Brot in den Mund.
„Okay, dann kommt ihr Morgen mit Jonny nach", beendete Peter die Planung, „ich geh dann mal in den Frühstücksraum, um den Angestellten zu sagen, was es heute zu tun gibt." Peter stand auf und wollte gehen, drehte sich dann aber nochmal um.
„Habt ihr schon irgendwelche Pferde raus gelassen?", wollte er von meiner Schwester und mir wissen.
„Ja. Peter Pan, Jonny, Rocky und Schmiddi. Sie sind alle vier in der Halle", erwiderte ich.
„So fleißig sind hier selten welche", murmelte Peter beeindruckt und verließ die Küche und anschließend das Haus.
„Was steht für euch heute an?", fragte Mom nun Lynn und mich.
„Ich mach einen Ausritt", meinte Lynn.
„Home School", gab ich genervt seufzend von mir. Mom nickte zufrieden und biss von ihrem Brötchen ab.
Fast den ganzen Tag verbracht ich in meinem Zimmer vor dem Laptop und quälte mich durch den Schulkram. Es war schwer von Zuhause aus zu lernen. Schließlich gab es so viel Ablenkung.
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Nightwish
Teen FictionEr ist alles was ihr von ihrem Vater blieb. Er ist der Sohn des Pferdes, das Schuld an dem Tod von ihrem Vater ist und er ist keines Wegs ein einfacher Begleiter. In eine Springreiterfamilie rein geboren fällt Luna aufgrund einer Tatsache besonders...