Peter.

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Am Abend, nachdem ich mich vom gröbsten Teil der Reise erholt hatte und gemeinsam mit Mom und Lynn Abendbrot gegessen hatte, verließ ich noch einmal die Wohnung und ging in den Nordtrakt zu Peter Pan und Jonny. Jonny war wieder Jonny, der man hörte ihn schon von weitem rebellieren in seiner Box. Der Grund? Er war unterfordert, da er sich den ganzen Tag nicht bewegt hatte. Dadurch dass er abgespeckt hatte, wurde er schnell zur entzündbaren Bombe. Ich öffnete seine Boxentür und legte ihm ein Halfter an, dann führte ich ihn aus der Box und aus der Stallgasse in die Abendsonne. Die nächstbeste freie Reithalle nutzte ich, um ihn laufen zu lassen. Mit großen Bucklern sprang er durch die Halle, rannte, sprang, wechselte abrupt die Richtung und tobte sich so richtig aus. Ich entdeckte Peter an der Hallentür angelehnt.

„Der hat aber ordentlich Energie und Sprungkraft", stellte er bewundernd fest.

„Ja das stimmt. Aber bis vor ein paar Wochen ist er nicht über auch nur ein Hindernis gesprungen. Er hat mich entweder abgeworfen oder ist einfach vorm Sprung stehen geblieben", gestand ich lachend.

„Ist das das Pferd, welches deine Mutter so Kopfschmerzen bereitet?", wollte er wissen.

„Es kann nur er sein. Er ist der einzige, der noch kein Turnier durch gelaufen ist, geschweige denn platziert war.", gab ich fast ein wenig niedergeschlagen von mir.

„Wurde irgendwas mit ihm im Training falsch gemacht, dass er sich so vor Springen weigert?", hakte Peter nach. Er war wie jeder andere Trainer, er suchte die Fehler beim Reiter und das wohlmöglich auch der richtige Weg, bei anderen. Aber Jonny war nun mal Jonny. Wenn er kein Bock oder kein Spaß hatte, dann verweigerte er alles.

„Sein Vater ist Mister X", antwortete ich nur und pfiff leise. Jonny bremste ab, drehte sich in meine Richtung und richtete seine Ohren auf mich. Ich ging langsam zur Hallentür und wartete darauf, den warmen Atem meines Pferdes am Rücken zu spüren. Als Jonny hinter mir stand, harkte ich den Karabiner ein

„Dann hast du ein ganzes Stück Arbeit vor dir", stellte Peter schwer ausatmend fest

„Sie hat mir ein Jahr gegeben, um zu beweisen, dass er mehr kann. Aber wie sie nach ein paar Monaten keinen Erfolg sieht, wird sie ihn auch schon früher verkaufen", gab ich gefrustet von mir.

„Wo liegt das Problem, er macht bestimmt gute Fortschritte", meinte Peter.

„Das macht er, ja. Aber er macht auch immer wieder Rückschläge. Bei ihm ist es ein langwieriger Prozess", seufzte ich

„Dann zeig ihr doch die kleinen Fortschritte. Zeig ihr dein Training mit ihm", schlug er vor

„Ich finde es total lieb, dass du mir so unterstützend zur Seite stehst, aber mein Motto ist das, meines Vaters: Work hard in silence. Let success make the noise", zitierte ich meinen Vater.

„Wenn du Hilfe oder Tipps brauchst, frag mich. Okay?", bot Peter an.

„Das werde ich. Danke", erwiderte ich lächelnd. Peter drehte sich um, um zu gehen, hielt dann aber doch inne.

„Mein Neffe ist hier, hast du ihn schon getroffen?", fragte er vorsichtig. Ich zog die Schultern hoch und schüttelte den Kopf.

„Wenn, dann nicht bewusst", meinte ich nur. Peter seufzte.

„Susann meinte, du bist etwas offener gegenüber Menschen, als deine Schwester. Vielleicht schaffst du es ja, mit ihm zu reden. Er ist, wie soll ich sagen, anstrengend?", gab Peter gefrustet von sich.

„Wie heißt er denn? Und fällt er auf?", hakte ich nach.

„Jason. Er kann gut mit Pferden, hat aber kein Interesse mehr an ihnen. Er ist halt älter geworden. Man bekommt ihn seltener in der Stallgasse zu Gesicht", meinte er nur und verabschiedete sich von mir. Ich verließ mit Jonny die Halle und erkundete die Reitanlage. Auf einer der Weiden standen Pferde und Jonny begrüßte sie neugierig. Generell war gegenüber allem sehr aufgeschlossen und ging viel offener, als ich es gewohnt war, auf seine neue Umgebung zu. Knapp eine Stunde ging mit meinem Pferd spazieren, ehe ich ihn in seine Box brachte und zurück in die Wohnung ging. Ich schmiss mich neben Lynn aufs Sofa und kuschelte mich an unseren Hund Ben.

„Wenn Dad das alles hier nur mit erleben könnte. Wenn er hier sein könnte mit Mister X", begann sie nachdenklich zu werden.

„Wenn Dad noch da wäre, wären wir nicht hier", erwiderte ich nur.

„Wo dann?", wollte Lynn wissen

„In Florida. Dad wäre nie nach Montana gegangen. Zu sehr hat er das Klima von Florida geliebt. Er wäre wahrscheinlich höchstens nach Kalifornien gezogen. Aber nie hier her. Er hat nicht viel von Winter gehalten. Du kennst ihn doch", meinte ich nur und musste leicht grinsen.

„Glaubst du, wir werden hier zu etwas werden?", fragte Lynn in Gedanken versunken

„Du auf alle Fälle", versicherte ich ihr.

„Und du?", hakte sie nach.

„Mal gucken was die Zeit so bringt. Momentan läuft es ja ganz gut, aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben", erwiderte ich

„Dad glaubt an dich. Das weiß ich. Du hast Nightwish und der verkörpert Mister X in jung. Du hast ein Pferd das dich töten kann, dass wissen wir beide jetzt, aber wir wissen auch, dass dieses Pferd dich auch zum Erfolg tragen kann. Nightwish ist Mister X. Bitte Luna, mach das richtige aus ihm und lass ihn in den falsche Situationen nicht die Führung übernehmen. Wir wissen beide wie das Enden kann. Er und Mister X überschätzen sich gerne mal. Er muss lernen, seine Sprünge richtig zu kalkulieren und wir wissen beide, dass da Stürze vor programmiert sind. Sei wachsam, du und Nightwish, ihr solltet aus Dads und Mister X's Fehler lernen. Der Sport ist halt manchmal härter, als man glaubt", gab Lynn von sich und sah mich zum Ende hin an. Ich hatte meinen Kopf auf Bens Rücken liegen und Tränen in den Augen, genau wie sie.

„Ich vermisse es Dad und Mister X im Parcours zu sehen. Aber am meisten vermisse ich Dad", meinte ich mit brüchiger Stimme. Lynn legte ihren Kopf gegen meine Seite und atmete tief ein.

„Ich auch", seufzte sie und schloss ihre Augen. Stumm flossen unsere Tränen und tropften auf das Sofa. Das, was Dad mir gegeben hatte, war Nightwish. Jetzt lag es in meiner Hand etwas aus ihm zu machen.

NightwishWo Geschichten leben. Entdecke jetzt