Nightwish

Harmony.

Der nächste Tag begann früh. Um 6am klingelten im gesamten Appartement vier verschiedene Wecker zur ziemlich gleichen Zeit. Müde drehte ich mich um und spürte kurz darauf den harten Holzboden. Etwas benommen sah ich zum Bett hoch. Ach ja, das Ding war ja viel schmaler als mein Bett zuhause und auf der Seite, von der ich gerade runter geflogen war, war zuhause eine Wand. Jemand steckte seinen Kopf in mein Zimmer und das heisere Lachen daraufhin ließ vermuten, dass es Jason war.

„Punktlandung, Luna", meinte er mit müder Stimme amüsiert und kurz darauf hörte man, wie die Badezimmertür ins Schloss fiel. Soll er sich ruhig lustig machen. Ich raffte mich auf und zog mir eine Reithose an. Obenrum entschied ich mich für ein Sweatshirt. Ich nahm den Zopf raus, den ich mir gestern nach dem Duschen gemacht hatte, und kämmte meine, noch leicht nassen, Haare. Die könnten beim Frühstück trocknen. In der kleinen Küche traf ich bereits die anderen drei an. Müde setzte ich mich an den Tisch und goss mir Kaffee ein.

„Was war das denn eben für ein Knallen?", wollte Mom wissen und stellte Brötchen auf den Tisch.

„Luna ist aus dem Bett gefallen", gab Jason von sich. Peter musste leicht auflachen und verschluckte sich fast an seinem Getränk und Mom klopfte mir auf die Schuler.

„Sind deine Rippen denn noch heile?", fragte sie neckisch

„Ich bin gegen kein Hindernis geflogen. Danke für euer Mitgefühl", meinte ich sarkastisch, fand es aber auch ein wenig amüsant.

„Ich hab Mitgefühl mit dir. Du armes Kind warst so müde, dass du nicht zwischen fremder Umgebung und Zuhause unterscheiden kannst", gab Peter bedauernd von sich. Ich sah ihn mit meinem dein-Ernst-jetzt-Blick an und wir begannen zu frühstücken.

„Mein Sturz aus dem Bett sollte aber heute nicht das einzige Highlight sein", meinte ich nach einiger Zeit und sah Mom von der Seite an. Sie atmete tief ein und nickte.

„Harmony macht das schon", versicherte sie mir.

„Denk daran, sie wird gerne langsam, nach den Steilsprüngen", erinnerte Peter meine Mutter an die Macke ihres Pferdes und schon vertieften sich die zwei in Fachgespräche. Nach dem Essen räumten wir alle den Tisch ab und machten den Geschirrspüler an. Gemeinsam ging es dann zum Stall. Mom meinte, ich solle heute Morgen einfach mal mit Jonny ein wenig trainieren, damit er lernt, in fremder Umgebung auch konzentriert zu springen. Ich war ihn seit zwei Wochen nicht mehr gesprungen, hatte aber kein Problem damit, hier das erste Mal seit der Pause wieder zu springen. Jason begleitete mich zu Jonny, da er keine Lust hatte mit meiner Mutter und seinem Onkel sich abzuquälen. Ich machte mein Pferd fertig, setzte den Reithelm auf und wollte gerade losgehen, da sah mich Jason fragend an.

„Sicherheitsweste? Letztes Mal hast du dir irgendwie alles geprellt", gab er skeptisch von sich.

„Ich hatte ein Sturz mit Sicherheitsweste von einem Pony. Ich hab keine Luft bekommen wegen dem Teil und seitdem springe ich ohne", erwiderte ich nur.

„Kein Wunder, dass deine Familie gefährlich lebt", meinte er nur und lief mir und Jonny hinter her, währenddessen er auf sein Handy sah. Jason setzte sich am Reitplatz auf eine Bank und verschwand in der Welt seiner Kopfhörer und seines Handybildschirms. Ich stieg voller Vorfreude auf Jonny und ritt ein paar Runden Schritt. Mom und Peter gesellten sich dazu. Mom und ich ritten im Schritt nebeneinander her und später trabten wir dann auch gemeinsam. Zum Springen verließ allerdings Mom diesen Reitplatz, da sie heute Morgen lieber in einer Halle reiten wollte. Peter richtete somit seine Aufmerksamkeit auf mich und atmete einmal tief durch.

„Auf ein Neues?", wollte er wissen.

„Auf ein Neues", versicherte ich ihm.

„Erstmal da unten im Galopp auf den Zirkel", ordnete er an und fing an ein paar Hindernisse aufzubauen. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass es dieselbe Kombination war, wie bei meinem Sturz.