Am nächsten Morgen musste ich feststellen, als ich die Stallgasse betrat, dass Jonny mit hängendem Kopf dösend in seiner Box stand. Normalerweise begrüßte er mich immer erfreut, doch heute zeigte er auch kein Lebenszeichen, als ich ihn ansprach. Ich holte ihn aus der Box, bandagierte ihn und fing an zu putzen, doch auch nach zwanzig Minuten stand er noch immer mit hängendem Kopf rum. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und er hatte immer alles gegeben. Adam kam in die Stallgasse und ging von Pferd zu Pferd. Er kam bei mir an und musterte Jonny und sah mich dann fragend an.
„Was ist mit dem denn?", wollte er wissen. Ich seufzte und warf die Bürste in den Kasten.
„Er braucht mal eine Pause", erwiderte ich. Adam sah Jonny lange an.
„Du willst ihn heute auf die Weide stellen?", hinterfragte er skeptisch.
„Adam, er hat sich so zusammengerissen seitdem er hier ist. Wenn er seine wilde Seite nicht auslebt, wird er im Parcours rückfällig", entgegnete ich.
„Und du willst heute dann nur zugucken, wenn die anderen trainieren?", harkte er nach. Ich schüttelte den Kopf und zeigte auf die Box gegenüber, in welcher Peter Pan an seinem Heunetz rum kaute.
„Von mir auch. Dann bring den Chaoten raus", erwiderte mein Trainer. Ich band Jonny los und holte auf dem Weg nach draußen, noch Schmiddi aus seiner Box. Der Andalusier begrüßte den Braunen fröhlich und gemeinsam ging es für die beiden auf die Weide. Jonny trabte zufrieden schnaubend auf die Weide und wälzte sich im nächsten Dreckloch. In der Stallgasse machte ich Peter Pan fürs Training fertig und als ich auf dem Rücken des Schecken auf den Reitplatz ritt, sahen mich Emma, Mia, Katie, Grace und Lynn mit großen Augen an.
„So. Wir müssen heute auf Nightwish verzichten, der braucht nämlich mal eine Pause. Darum ist es mir wichtig, dass ihr euch bewusst seid, dass das Wohl des Pferdes im Vordergrund steht. Luna hat heute richtig agiert und ihrem Pferd eine Pause gegönnt. Ihr kennt eure Pferde am besten und solltet immer euch vor Augen halten, dass sie eure Trainingspartner sind und ab und zu vielleicht auch mal eine Pause brauchen. Wir dürfen heute deswegen mit Peter Pan die Ehre haben", meinte Adam und baute die ersten Hindernisse auf. Ich ritt Peter Pan warm, der sich neugierig umsah. Jason saß am Rand und beobachtete das Training. Für mich persönlich war es gut, dass ich heute mal auf einem anderen Pferd saß, denn so hatte ich den konkreten Vergleich zu meinem Pferd. Damals war Peter Pan deutlich besser und sicherer im Parcours. Heute merkte ich, dass Jonny den Schecken im Springen überholt hatte, und dass, obwohl Peter Pan parallel sich auch weiterentwickelt hatte. Jonny war sicherer, schneller, konzentrierter und ausdauernder. Peter Pan erreichte nicht einmal Ansatzweise die Höhe von Jonnys Sprüngen, doch eines konnte die Schecke besser und das war bremsen. Bei Jonny war durchparieren ein Kraftakt, bei Peter Pan drückte ich nur leicht die Knie ran und er stand. Es machte Spaß das Training mit dem Schecken zu absolvieren, da es mal Abwechslung brachte.
Als das Training beendet wurde, ritt ich im Schritt vom Platz und Jason gesellte sich zu mir. Wir entschieden, noch ein wenig durch die Natur zu reiten, weswegen sich Jason ein Fahrrad besorgte um mich zu begleiten.
„Wo soll Peter Pans Reise hingehen?", fragte ich nach einiger Zeit, in der wir eine Spurbahn am Wald entlang geritten, beziehungsweise gefahren waren.
„Kalifornien. San Diego", erwiderte Jason konzentriert, da er so langsam fahren musste, weil wir im Schritt ziemlich langsam waren.
„Dann darf er zurück in die Wärme, bevor der Winter einbricht", stellte ich fest und klopfte den Hals von Peter Pan.
„Ich weiß es jetzt ja schon länger und ich glaube, es ist das Beste für ihn", meinte der braunhaarige auf einmal. Ich schwieg einige Zeit und stimmte dann zu.
„Coco und Harmony werden von Mom trainiert, Schmiddi wird hier ausgebildet und dann wird Peter ihn bestimmt reiten, Rocky hat Lynn, Jonny hat mich. Peter hat irgendwie nie eine Bezugsperson gehabt", stellte ich fest.
„Und er hat Probleme mit der Kälte", ergänzte Jason. Ich nickte zustimmend.
„Wir werden ihn bestimmt besuchen", gab ich seufzend von mir.
„Und wenn nicht, man trifft sich immer zweimal im Leben. Die Wege werden sich irgendwie schon kreuzen", wandte er ein
„Wie lange wirst du hier bleiben?", wechselte ich das Thema. Jason sah stur vor sich hin.
„Wahrscheinlich länger. Peter hat mich in einer Art Sportschule angemeldet, wegen Disziplin und so weiter.", gab er seufzend von sich.
„Und wo ist diese Sportschule?", harkte ich nach.
„Mitten in Olympia", meinte er auflachend.
„Heißt, du kannst an den Wochenenden her kommen", schloss ich.
„Ja theoretisch schon. Wieso?", wollte er wissen.
„Willst du vereinsamen?", konterte ich. Jason musste schief grinsen
„Hast ja Recht", stimmte er mir zu.
„Vielleicht freundest du dich ja noch mit den Jungs von hier an.", warf ich lachend ein.
„Eher nicht", gab er amüsiert zurück.
„Ey, die trinken genauso gern wie du. Das kann noch was werden", meinte ich.
„Echt?", harkte Jason erstaunt nach. Ich nickte.
„Samstag ist hier eine Feier. Komm doch auch", schlug ich vor.
„Mal sehen", gab er zögerlich von sich.
„Ach komm. Du kennst Lynn und ich mich und die anderen Mädels sind auch nett", versuchte ich ihn zu überzeugen.
„Die anderen Mädchen interessieren mich nicht", konterte er und hatte dabei eine erstaunlich ernste Tonlage.
„Du und Calvin passt vom Charakter gut zusammen. Ich stell ihn dir vor. Ihr werdet dann zusammen trinkender Weise in der Ecke sitzen. Das wette ich mit dir", meinte ich lachend. Jason sah mich skeptisch, aber auch amüsiert an.
„Also gut", gab er sich geschlagen.
„Ganz im Ernst, was willst du sonst die ganze Zeit machen?", wollte ich wissen. Er zuckte lediglich mit den Schultern. Wir schwiegen einige Zeit, da fiel mir wieder etwas ein.
„Ich reite am Samstag vorher mein erstes Turnier mit Jonny. Kommst du mit?", fragte ich. Mit erstauntem Blick sah er mich an.
„Du reitest mit Jonny ein Turnier?", harkte er überrascht nach.
„Ja, David hat mich überredet", gab ich zu
„Du magst den Typen, oder?", hinterfragte Jason plötzlich. Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich finde er ist so ein Typ, den man gut besten Freund nennen kann", antwortete ich zögernd.
„Und ist er dein bester Freund?", wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf.
„Dafür kenne ich ihn nicht lange genug", erwiderte ich.
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Nightwish
Dla nastolatkówEr ist alles was ihr von ihrem Vater blieb. Er ist der Sohn des Pferdes, das Schuld an dem Tod von ihrem Vater ist und er ist keines Wegs ein einfacher Begleiter. In eine Springreiterfamilie rein geboren fällt Luna aufgrund einer Tatsache besonders...