Ich erwache im Morgengrauen und brauche einen Moment, um zu registrieren, wo ich bin. Dann geht mir ein Licht auf und ich drehe mich zur Seite, wo Henry friedlich schläft. Wie lange haben wir schon keine ruhige Nacht miteinander verbracht? Ich sehe ihn glücksselig an und freue mich, ihn an meiner Seite zu haben. Die letzte Nacht war abenteuerlich. Was man so alles im Bett anstellen kann! Und trotzdem bin ich schon wach. Ich könnte Henry ja anhimmeln, während er schläft, aber das bringt mich auch nicht weiter. Schwungvoll steige ich aus dem Bett. Auch ohne Lilly werde ich es schaffen, mich anzukleiden und zu frisieren. Es wird nur nicht so toll aussehen, aber das nehme ich in Kauf. Ich habe nämlich noch etwas vor zu dieser frühen Stunde. Sobald ich einigermaßen normal aussehe, schleiche ich mich aus dem Zimmer und begebe mich auf die Suche nach einer bestimmten Person. Die Flure sind leergefegt, alles schläft noch.
Nicht mal ein Diener läuft mir über den Weg, was den Palast ausgestorben wirken lässt. Ich gehe zu den Gemächern der Queen und finde dort endlich den ich suche.
„Guten Morgen, Viktoria", begrüßt mich Simon freundlich. Sonst war er nicht ganz so nett. „Guten Morgen, kann ich Sie kurz sprechen?", frage ich höflich. Simon sieht mich erwartungsvoll an.
„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten...." Schnell erkläre ich, was ich will und erstaunlicherweise stimmt er zu, mir diesen Gefallen zu erweisen. Ich könnte vor Freude in die Luft springen, aber in seiner Anwesenheit neige ich nur anerkennend meinen Kopf und gehe wieder. Es wird alles nach Plan laufen.
Auf dem Rückweg halte ich in der Küche an und bitte um einen Snack, weil ich inzwischen Hunger bekommen habe. Die Köche hätte mir auch ein fünf- Gänge- Menü gezaubert, wenn ich das gewollt hätte, aber das ich kann frühmorgens nicht von ihnen verlangen. Mit einem Apfel in der Hand schlendere ich gutgelaunt weiter und betrete schließlich unser Zimmer. Henry schläft noch und ich setze mich neben ihn und kaue den Apfel. Dabei bin ich wohl so laut, dass er aufwacht.
„Guten Morgen, mein Schatz", sage ich fröhlich.
„Mhm", grummelt er ins Kissen. Aber ich kenne kein Erbarmen. Jetzt, wo er schon mal wach ist, kann er auch aufstehen.
„Los, raus aus den Federn, du hast lange genug geschlafen", sage ich und entreiße ihm die Decke.
„Wie spät ist es?", fragt er müde.
„Etwa halb sieben", antworte ich grinsend. O ja, ich kann furchtbar sein, wenn ich will. Henry schließt die Augen, dreht sich um und schläft weiter. Wieso? Er muss aufstehen, denn ich will ihm von meinem Plan erzählen. Aber dann regt sich doch Mitleid in mir und ich lasse ihn in Frieden. Soll er noch eine Weile schlafen, sein Tag wird auch anstrengend. Immerhin bringen wir Christin und Paolo zum Flughafen. Katha und Jule werden auch dabei sein. Es wird sicherlich herzzerreißend, weil ich Abschiede jeglicher Art hasse. Ich muss immer weinen. Immer! Dabei weiß ich, dass ich Christin bald wiedersehen werde.
Ich verbringe weitere zwei Stunden damit, den Kleiderschrank zu sortieren. Henry stört das nicht, er schläft völlig unbeeindruckt weiter.
Gegen neun Uhr bewegt er sich dann endlich.
„Beeil dich, ich habe Hunger", treibe ich ihn an. Gemächlich kleidet er sich an. Es klopft und Lilly kommt herein. Sie erschrickt, als sie mich schon fertig gemacht sieht.
„Hab ich meine Dienstzeit verwechselt?", fragt sie verwirrt.
„Nein, ich war nur schon so früh wach. Du kannst gehen", sage ich freundlich. Gegen Freizeit hat sie bestimmt nichts einzuwenden.
Henry und ich gehen zum gemeinsamen Frühstück mit der Königsfamilie. Wie immer sind schon alle da und warten nur auf uns.
„Guten Morgen", begrüßt uns die Queen. Ich mache einen tiefen Knicks und lächele sie an. So gehört sich das. Unauffällig werfe ich Simon einen fragenden Blick zu, den er mit einem Nicken beantwortet. Es klappt also. Sehr gut! Da heute Sonntag ist, beginnt das Frühstück mit einem Gebet, welches Charles spricht. Der Hunger verhindert, dass ich ihm zuhöre. Aber das Amen spreche ich brav mit.
Dann kann endlich gegessen werden und ich achte darauf, dass es nicht zu sehr nach Schlingen aussieht. Nachdem das Frühstück beendet ist, kann gesprochen werden.
„Wie geht es dir, Viktoria?", spricht die Queen mich als Erste an. Das ist Prämiere!
„Ganz gut, vielen Dank der Nachfrage", antworte ich überrascht.
„Das freut mich. Es ärgert mich noch immer sehr, dass so etwas geschehen konnte", sagt sie mehr zu sich selbst, als zu allen anderen.
„Mutter, wir werden ab jetzt alle Mitarbeiter mehrfach überprüfen lassen", verspricht Charles.
„Wie lange willst du das machen? Jeden Monat, jedes Jahr? Irgendwann vergisst man diese Überprüfung wieder", erwidert seine Mutter besserwisserisch. Die möchte ich nicht geschenkt bekommen. Carla räuspert sich.
„Wenn du Charles diese wichtige Aufgabe übergeben würdest, könnte er dafür sorgen, dass es nicht mehr passiert." Die Queen widmete ihrer Schwiegertochter nicht mal einen Blick. Sehr schön, also können wir beide Carla nicht leiden.
„Wir wollen diese Woche in den Urlaub fliegen. Begleitet ihr uns?", fragt Kate freundlich. Ach richtig, der Urlaub! Den hätte ich fast vergessen.
„Gern", antwortet Henry für uns.
„Wie wäre es in zwei Tagen?" William und Kate willigen ein. Wenn man einen Privatjet hat, dann kümmert einen keine Zeit.
„Wohin geht es?", will die Queen wissen.
„Ach, nur auf die Bahamas", antwortet William.
„Das ist auch nicht unbedingt das sicherste Land", warnt seine Großmutter, aber Will verdreht die Augen.
„Nirgends ist es sicher", erwidert er. „Da kann es egal sein, wo wir Urlaub machen." Dieser Logik hatte auch die Queen nichts entgegenzusetzen.
„Nun ja, ich hoffe, ihr erholt euch gut. Und da kannst du ja über meine Pläne nachdenken, William", sagt sie.
Welche Pläne? Ich sehe, dass die Brüder einen wissenden Blick miteinander tauschen. Worum geht es? Ich will es wissen!
Als die Queen sich erhebt, ist das Essen offiziell beendet und wir dürfen den Raum verlassen. „Was meinte deine Großmutter?", frage ich Henry aus.
„Keine Ahnung", antwortet er achselzuckend. Dass er mich dabei nicht ansieht, ist ein Indiz dafür, dass er lügt. Na gut, ich werde es schon noch herausfinden. Früher oder später.
„Wir sehen uns dann spätestens in zwei Tagen", verabschiedet sich Kate lächelnd. William und sie müssen heute und morgen zu wichtigen Großveranstaltungen. Auch für mich gibt es eine Großveranstaltung: Christins und Paolos Abreise.
„Heute fliegen Christin und Paolo auf ihre einsame Insel, die du ihnen vermittelt hast", sage ich fast vorwurfsvoll zu Henry.
„Ist eine Insel etwa übertrieben als Dank für ihre Leistung?", fragt er tatsächlich unsicher. „Ich meine, sie halfen dem Königshaus, dich wiederzufinden. Da ist eine Insel eher wenig." Das kann doch nicht sein ernst sein! Ein einfaches Dankeschön oder so hätte auch gereicht.
„Eine Insel ist sehr, sehr viel, Henry", sage ich geduldig. „Normalerweise genügt ein Blumenstrauß und eine Schachtel Pralinen." Henry zuckt mit den Schultern.
„Egal, jetzt haben sie eben ihre Insel." Als wir in unser Zimmer kommen, steht dort ein junger Mann mit einem Korb in der Hand.
„Ich habe eine Lieferung für Viktoria. Mit Grüßen von Simon", sagt er monoton, überreicht mir den Korb und verschwindet. Fragend sieht Henry mich an.
„Was ist das?"
„Das Abschiedsgeschenk für Christin. Wenn du ihnen eine Insel schenkst, schenke ich ihnen eben etwas genauso Wertvolles", sage ich.
Vorsichtig stelle ich den Korb auf den Boden und öffne die Klappe. Heraus kommt ein kleiner weißer Hundewelpe. Es handelt sich dabei um einen weißen Schäferhund und wie ich Simon kenne, wird mich dieser besondere Auftrag viel Geld kosten. Aber ich tue es gern. Der Welpe, übrigens ein Rüde, guckt mich treuherzig mit seinen Kulleraugen an und ich würde ihn am liebsten selbst behalten.
„Bist du sicher, dass es ihnen gefällt?", fragt Henry skeptisch.
„Allerdings! Christin erwähnte nämlich mal, dass sich gern so einen Hund zulegen würde", sage ich überzeugt. Ich stecke das Tier zurück in den Korb. Jemand hat ihm sogar eine rote Schleife um den Hals gebunden, voll niedlich! Zusammen mit dem Korb machen wir uns auf den Weg zu Christin und Paolo.
Die beiden haben bereits alle Koffer gepackt und warten vor der Limousine auf uns. Jule und Katha sind ebenfalls da. Sobald Christin Henry sieht, kommt sie auf uns zu und macht einen Knicks vor ihm. Wie manierlich!
„Ich möchte dir nochmals von Herzen danken, dass du uns dieses Geschenk machst. Wir werden für immer in deiner Schuld stehen, Henry."
„Nein, wir sind quitt. Durch dich fand ich meine bessere Hälfte wieder", antwortet Henry gerührt.
„Wir haben noch ein Geschenk für euch", sage ich und übergebe ihr den Korb. Christin wird rot und als sie den Welpen hervorholt, ist sie kaum zu bremsen. Ihr Wortschwall ist ungefähr als folgendes zu entziffern: „OmeinGottichdankeeuchvielmalsdafürichwollteschonimmersoeinenHundhabenderistsoniedli chvielendankihrseiddiebesten."
Auch Paolo ist entzückt von dem Tier. Er nimmt es seiner Freundin gleich ab und hält es auf dem Arm. Wir setzen uns ins Auto und fahren bis zum Flughafen.
Selbstverständlich müssen sie nicht mit einem Linienflug fliegen, sondern nutzen den Privatjet. Henry denkt eben an alles. Christin und Paolo sehen glücklich mit ihrer Entscheidung aus, also bin ich es auch.
„Robert und ich kommen euch auf jeden Fall besuchen", sagt Jule.
„Ich auch", fügt sich Katha hinzu. „Jemand muss ja die Cocktails für dich trinken." Wir lachen ausgelassen.
„Das Personal ist auch im Umgang mit Säuglingen geschult", sagt Henry schließlich.
„Wir haben Personal?", freut sich Christin. „Da muss ich nicht allein kochen?"
„Nein, natürlich nicht", sagt Henry, als wäre es unter ihrer Würde zu kochen.
„Das wird wunderbar", schwärmt sie. „Keiner kennt uns, wir haben unsere Ruhe... herrlich." Inzwischen haben wir den Flughafen erreicht und steigen aus. Da wir zum Privatjet wollen, fährt die Limousine einfach auf den Flugplatz und hält vor der Halle, in welcher der Jet steht.
Der Pilot grüßt Henry erfreut und meldet, dass das Flugzeug startklar ist. Jetzt kommt es also zum Abschied. Nacheinander umarmt Christin alle. Paolo gibt uns immerhin die Hand.
„Ich hab euch ganz sehr lieb und werde euch schrecklich vermissen", gesteht sie rührend. „Aber ich bin hier einfach nicht glücklich."
„Wir verstehen das", lüge ich. Ich will nicht, dass sie geht.
„Und du hast deinen Hund als Andenken", sagt Katha, die dem Welpen liebevoll den Kopf tätschelt.
„O ja, er wird unser zweites Baby sein", kichert Christin. „Ich weiß nur noch nicht, wie ich ihn nenne."
„Darüber kannst du beim Flug nachdenken", meint Jule. „Es wird Zeit, zu gehen."
Ich bin schon wieder den Tränen nah. Das kann doch nicht sein. Ich kann jetzt nicht weinen. Henry legt seinen Arm um mich und spendet mir Trost.
Ohne noch mehr überflüssige Worte zu verlieren, gehen die beiden ins Flugzeug. Die Tür schließt sich und das Flugzeug rollt los.
Christins Sicht
Seit einer Stunde sind wir nun schon im Flugzeug. Ich kann nicht glauben, dass wir tatsächlich bald auf einer eigenen Insel leben werden. Paolo mustert mich aufmerksam und als ich ihn ansehe, grinst er.
„Ich liebe dich", sagt er leise. Es ist so schön, wenn er das sagt, weil ich weiß, dass er es ernst meint.
„Ich dich auch", antworte ich ebenso ernst gemeint. Der kleine Hundewelpe schläft auf meinem Schoß. Noch hat er dort Platz, aber wenn er größer ist, wird es schwierig.
„Wie willst du ihn nennen?", fragt Paolo. Er hat ebenfalls Gefallen an dem Tier gefunden.
„Es sollte ein ausgefallener Name sein. Etwas Besonderes." Paolo überlegt schweigend.
„Wie wäre es mit Joghurt, Geist, Milky...?"
Ich schüttele den Kopf. Aber er gibt nicht auf.
„Bruce, Hans, Paul?"
„Paul?", frage ich.
„Ja, schon mal einen Hund gesehen, der Paul heißt? Ich finde das besonders", gesteht mein Freund.
„Nein, trotzdem nicht." Unterdessen ist der Welpe aufgewacht und gähnt. Paolo ist jetzt an der Reihe, mit ihm zu schmusen oder zu spielen, damit ich die Beine hochlegen kann. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Welpe schon so schwer sein kann.
Verträumt blicke ich auf meinen Bauch hinab. Es dauert nicht mehr lang, dann bin ich Mutter und das, obwohl ich jetzt kein Kind haben wollte. Ich war noch nicht beim Frauenarzt, um das Geschlecht bestimmen zu lassen. Vielleicht will ich es auch noch nicht wissen. Ob es wohl die dunklere Haut seines Vaters hat oder doch eher hellhäutig ist? Meine größte Angst ist die Geburt. Überall hört und sieht man, wie schmerzhaft dieser Vorgang sein muss und ich bin diesbezüglich sehr empfindlich.
Was ist, wenn ich dabei sterbe? Und das auf einer einsamen Insel!
„Schatz!", ruft Paolo und ich drehe mich zu ihm und dem Hund um. Dieser nagt gerade auf etwas kleinem, rotem herum, was ich als meinen Lippenpflegestift erkenne. Hoffentlich verschluckt er ihn nicht.
Paolo will ihm den Lippenstift entwenden, aber der Kleine lässt nicht locker – und verschluckt es.
„O nein, mein Labello!", seufze ich. Ich bin der totale Fan davon und habe immer mehrere einstecken, aber das war mein Favorit.
„Da haben wir doch schon den perfekten Namen", meint Paolo grinsend. „Wir nennen ihn Lá Bello." Ich verdrehe die Augen.
„Also bitte..."
„Wieso denn nicht? Stell dir mal vor, du gehst in den Park und rufst laut Lá Bello, da denken alle an den Lippenstift", sagt er lachend.
„Und eigentlich ist Bello ein anerkannter Hundename. Das Lá macht es besonders." Wie er in so kurzer Zeit solche Geschichten erfinden kann, ist mir ein Rätsel. Aber als Zeichen meiner Anerkennung nicke ich.
„Okay, dann soll er Lá Bello heißen", sage ich zustimmend. „Lá Bello Cherry."
„Wieso Cherry?", fragt Paolo verwirrt.
„Das war die Sorte, die er gegessen hat", antworte ich.
„Ein Hund mit Zweitnamen macht auch etwas her", gibt er zu. „Aber unser Kind wird einen normalen Namen erhalten, oder?"
„Selbstverständlich. Ich will nicht, dass es ausgelacht wird", sage ich.
Drei Stunden später landen wir auf der Insel. Diese liegt in einem Insel – Archipel und ist eine der Größten. Ob Henry zu Hause einen Katalog liegen hat, in welchem man Inseln kaufen kann? Die Sonne prasselt auf uns herab und ist der volle Kontrast zu dem klimatisierten Flugzeug. Kaum sind wir draußen, empfängt uns auch schon das Personal.
Freundlich zeigen sie uns unser Haus. Es ist eine Villa mit großer Veranda und hohen Fenstern. Innen ist es schlicht, aber schön eingerichtet, mit Kinderzimmer! Und ein Hundekörbchen für Lá Bello steht ebenfalls bereit. Was für ein Service. Zwei starke Männer bringen das Gepäck herein und schaffen es nach oben ins Schlafzimmer.
„Wusstest du, dass auf einer Insel damals alles richtig angefangen hat?", fragt Paolo. Ich erinnere mich nur zu gut an Jules Hochzeit.
„Ja, das stimmt. Was für ein Zufall."Plötzlich fällt Paolo vor mir auf die Knie und zieht eine kleine Schachtel aus der Hosentasche. „Christin", spricht er sanft meinen Namen aus. „Ich liebe dich schon lange genug, um zu wissen, dass wir beide zusammengehören. Unser Kind soll in einer richtigen Familie aufwachsen und die möchte ich mit dir gründen. Möchtest du meine Frau werden?"
Wer kann dazu schon nein sagen? ,,Ja", antworte ich und werfe mich in seine Arme.
DU LIEST GERADE
Story of my Life - Verlassen
RandomJetzt ist es offiziell: Tori ist ein Mitglied des englischen Königshauses. Damit beginnen auch die Probleme. Tori ist verschwunden und weiß am Anfang selbst nichts davon. Aber alle anderen machen sich große Sorgen, vor allem Henry. Wo ist Tori? Was...