Kapitel 30

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Henry

Das Mittagessen mit meiner Familie und deren Anhang ist nervraubend und langweilig. Zumeinen, weil die Queen mich die ganze Zeit über finster ansieht und zum anderen, weil es sich um belanglose Themen dreht, die keinen interessieren.

Niemand traut sich das anzusprechen,was alle denken: wieso ist Henry Thronfolger und nicht William?

Ich weiß, dass das alle denken, denn sie sehen mich mit merkwürdigen Blicken an. Wechseln dabei zwischen mir und meinem Bruder hin und her, der davon nichts mitzubekommen scheint.

Ihn beglückwünschen ja auch alle, dass er bald zum dritten Mal Vater wird. Mich beglückwünscht niemand dazu, dass ich bald König werde. Müssen sie auch nicht. Ehrliche Abneigung ist mir lieber, als ihre Lügen. Davon habe ich genug.

Mit aller aufzubringenden Würde bringe ich das Mittagessen hinter mich. Meine Großmutter will das Mal gerade beenden, als ein entfernter Onkel nun doch diese unangenehme Frage an sie richtet.

„Elizabeth, wieso bevorzugst du Henry?", will Edward wissen. Die Queen ist nicht erfreut über die Frage. Doch da Edward ihr Cousin ist, wird sie antworten.

„Nach einem langen Gespräch mit meinen beiden Enkeln, haben wir beschlossen, dass es besser ist, Henry zum Thronfolger zu ernennen", sagt sie.

„Ja, aber wieso?", hakt Edward nach. „William kann dieses Amt doch auch bekleiden."
„Ich habe beschlossen, meinen Fokus auf meine Familie zu richten. Ich möchte meinen Kindern ein guter Vater sein", antwortet Will.Edward nickt verständnisvoll.

„Guter Junge, Willy. Deine Entscheidung ist sehr weise, darum wärst du auch ein besserer König geworden, als....oh, Verzeihung."Entschuldigend sieht Edward mich an. Ich werde nichts dazu sagen, das habe ich nicht nötig.Meine Großmutter sieht das allerdings anders.

„Zweifelt nicht an meiner Entscheidung", sagt sie mit schneidendem Ton. „Ich weiß, was ich tue und was das Beste für mein Königreich ist."

Das Königreich gibt es nicht mehr. Wir sind nur noch eine Zierde für den englischen Staat,aber viele der alten Adligen wollen das nicht wahrhaben.

Edward schweigt still und isst sein Dessert. Er scheint zwar nicht zufrieden mit der Auskunft,sagt jedoch nichts mehr dazu.

Ob ich auch mal so autoritär sein kann, wie die Queen?Vermutlich muss ich das noch lernen.Endlich beendet meine Großmutter das Essen und ich kann aufstehen.

Ich verabschiede mich nicht, denn ich habe diesen Leuten nichts zu sagen. In zwei Tagen, also am zweiten Januar,werde ich gekrönt. Es ist schon alles geplant, auch die Medien sind informiert. Die Queen wird mit Königsmantel und Zepter in die Kathedrale ziehen, aber sie wird ohne wieder hinauskommen.
Während sie alles abgibt und der Welt schwört, nie wieder Anspruch auf den Thron zu erheben, wird mir die Königswürde übertragen. Mit allem, was dazugehört. Ich werde eine neugeschmiedete Krone tragen, da die alten im Museum ausgestellt sind. Man wird mich den Heiligen Eid schwören lassen, wonach ich die Menschen meines Reiches schütze und für sie sorge. Danach muss ich niederknien vor Gott und ein Gebet sprechen. Und dann bin ich nach Recht und Gesetz König.
Das mag einfach klingen, erfordert aber viel Vorbereitung meinerseits. Ich musste den Eid auswendig lernen und auch das traditionelle Gebet kannte ich vorher noch nicht. Jetzt beherrsche ich beides im Schlaf.

Aber meine Gedanken richten sich momentan auf etwas anderes, viel Wichtigeres. Ich habe Tori gebeten, mir einen Tag zu nennen, an dem wir uns treffen und miteinander reden können.

Und der ist heute. Silvester.

Tori 

Warum ich Henry ausgerechnet Silvester genannt habe, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, es war aus einer Laune heraus und es war richtig.

Story of my Life - VerlassenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt