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»Ihr seid widerlich«, ruft Luca und klettert ungelenk aus dem Auto. Lachend lege ich meine Arme fester um Jo's Taille und tänzle mit ihr zur Seite. Auch Nora steigt aus dem Wagen aus und grinst breit.

»Ihr solltet euch ein Zimmer nehmen. Ach nein, wartet. Ihr habt ja hier eins.«

Ich tänzle weiter mit Jo umher, bis ich in Noras Reichweite gelange. Dann schlage ich meine beste Freundin auf den Arm, was sie erschrocken quieken lässt.

»Du Blödmann!«

»Fehlt nur noch, dass ihr euch die Zungen rausstreckt und es ist wie vor zwölf Jahren«, neckt in diesem Augenblick Fia von der Tür und kommt in einem Hauch aus Nichts die Eingangstreppen hinunter. Ihr Kleidungsstil auf der Arbeit ist fromm und angemessen. Aber privat ist sie noch immer leicht ... verrucht. Man sollte das nicht über seine Schwester sagen. Kann aber nichts dafür, dass Fia in ihrer Freizeit herumläuft, als hätte sie kein Geld für ganze Klamotten.

»Bei dir fehlt nur noch der Schweif an Jungs, die hinter dir her kommen, dann ist es wie in deiner Jugend«, kommentiere ich spitzzüngig und werde dafür von Jo geschlagen.

»Hör nicht auf ihn, er ist nur eifersüchtig, weil seine kleinen Geschwister frühreifer waren als er.«

In dieser gelassenen Tonlage geht es weiter. Versteht mich nicht falsch, ich habe immer noch, selbst in diesem Moment, miese Gedanken. Ich denke auch nicht, dass ich die so schnell abstellen kann. Aber ich komme jetzt damit zurecht. Zumindest für diesen Moment. Was in fünf Minuten oder Stunden oder Tagen ist, kann ich nicht sagen. Aber auch jetzt kennt ihr mich noch. Ich packe das. Mit Jo an meiner Seite auf alle Fälle.

         

»Aber hier wurde nichts abgegeben«, berichtet Fia nachdenklich und läuft erneut in den Flur, um die Kommode mit der Post zu kontrollieren.

Wir haben uns in die Küche verzogen, was damals und auch heute noch das Herz des Hauses ist. All die Geräte zu sehen, die Ma immer benutzt hat, lässt mir einen Kloß im Hals entstehen. Aber ich will mich zusammenreißen, was?

»Hat eins der Ki-«

»Meine Leute klauen keine Post«, unterbricht Fia meine beste Freundin, ehe sie auch nur aussprechen kann. »Ich weiß, du denkst, sie sind kriminelle Nichtsnutze, aber das stimmt nicht.«

So kann man das nicht nennen. Fia hat sich in den letzten drei Jahren gemausert und leitet jetzt ein kleines ... Ich kenne die offizielle Bezeichnung nicht. Aber durch Mums Einflüsse hat sie es geschafft, eine nächtliche Zuflucht zu erschaffen. Kinder, die sonst nirgendwohin können, abhauen wollen oder in Schwierigkeiten sind, bringt sie hierher. Vielleicht ist es keine so gute Idee, dass ich nun doch überlege, mit Jo hier einzuziehen. So viele Menschen, die dieses Haus als Zuflucht kennen ... Bis sich herumspricht, dass es das nicht mehr ist, wird einige Zeit vergehen.

»Aber wieso sollte Elisa uns hierher führen?«

Kaum im Haus angekommen, stibitze ich von Jo den Hinweis, der uns hierher gebracht hatte.
»Von einem Nicht-Haus zu einem echten Haus. Was ist die Heimat vom Regen? Wo fühlte sich der Mond nie wirklich Zuhaus?«

Regen – Rain. Klar dass dies die Heimat meiner Mum ist.

Und Ma – Moon: Mond – fühlte sich hier nie wirklich beheimatet, auch wenn sie es jahrelang versucht hat.

Logisch dass wir hierherkommen. Unlogisch wieso keine neuen Hinweise auftauchen.

»Vielleicht müssen wir einfach warten? Vielleicht sind wir zu früh dran«, rätselt Nora, aber Jo schüttelt gedankenverloren den Kopf.

»Wir haben alle ein Leben. Ich kann nicht noch mehr Zeit damit verschwenden«, gestehe ich und erhebe mich von meinem Platz. »Ich muss heute noch zur Schule zurück und versuchen, meinen Kopf zu retten. Und ich muss mit Pennie und Mum reden. Wir geben den letzten Hinweis der Polizei und die wird sich darum kümmern. Es ist immerhin ihre Aufgabe, vermisste Kinder zu finden.«

»Elias«, durchbricht Jo meinen Redeschwall und alle sehen sie an. Dann mich. »Wo ist nochmal das Zimmer von Skye

»Im ersten Stock, erste Tür. Wieso?«

»Sie haben sich das Zimmer geteilt, nicht wahr?« Sie gestikuliert mit den Händen und Fia tritt hinter sie. Die Stirn gerunzelt, als versuche sie dahinter zu kommen, was Jo sagt. Dabei habe ich schon verstanden.

»Die Heimat ist nicht explizit dieses Haus, sondern ihr Zimmer.«

»Und wie soll Elisa sich Zutritt zum Haus verschafft haben?«, argumentiert Fia dagegen und Luca lacht, während er ihr einen Arm um die Schultern schlingt. Dank ihrer High Heels ist sie größer als er, was ihre Umklammerung seltsam aussehen lässt.

»Fia, Elisa schafft es überall hin.«

»Das hat sie von ihrem Bruder«, ergänzt Nora grinsend und wir alle folgen Jo die Treppen hinauf.

Everyday at midnight {I miss you}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt