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Das letzte Mal, als ich meine Geschichte erzählte, war ich noch ein Kind. Kurz vor meinem 18. Geburtstag und so naiv und unerfahren. Ich traf ein Mädchen, ich verliebte mich in sie und mein Leben entwickelte sich zu einem dieser Klischees. Mein Abi bestand ich mit guten Noten. Meine richtige Mutter – die Frau, die mich zur Welt brachte und die ich bis dahin nur als Tante Pennie kannte – bekam ein Kind. Elisa. Biologisch gesehen ist sie meine Schwester, aber um unsere komplizierte Familie nicht weiter unnötig zu stressen, belassen wir es dabei, sie als meine Cousine anzusehen.

Ich besitze allerdings noch zwei Mütter. Die zwei Frauen, die mich aufgezogen haben und mir eine Familie waren, egal welche Stimmungsschwankungen ich auch durchlebte. Sie saßen bei der Abschlussrede – die ich nicht hielt, aber es hat einen coolen Klang, oder nicht? – in der ersten Reihe. Sie liehen mir Geld, damit ich ENDLICH meinen Führerschein machen konnte und sie verschoben ihre Pläne, weitere Cafés zu eröffnen, weil meine Freundin und ich einiges an Problemen zu bewältigen hatten.

Jetzt bin ich zehn Jahre älter. Reifer. Erwachsener. Ich habe einen Job als Lehrer an einer Gesamtschule. Ich halte es für eine gute Idee, Kindern etwas beizubringen und habe als erste Handlung einen Anti-Mobbing-Kurs eingeführt. Unbezahlt und mit meinem eigenen Geld als Ressource. Doch es ist wichtig.

Meine Adoptivgeschwister Fia und Luca wohnen noch im Familienpalast, wobei Fia die Arbeit unserer Mutter weiterführt. Sie ist Sozialpädagogin geworden und wie Mum zuvor holt sie sich Kinder nach Hause, die für einige Nächte Unterschlupf brauchen. Luca hingegen ist jetzt Architekt. Oder er will es eher werden.

Jo – meine super heiße Freundin – die nach all den Traumata ihrer Jugend und unzähligen Therapien beschlossen hat, noch immer meine Freundin sein zu wollen, lebt seit einem halben Jahr mit mir zusammen. Das macht jetzt zehn Jahre Beziehung, abzüglich zwei Jahren Trennung.

Mein Leben ist so chaotisch, dass ich es gegen nichts tauschen will. Ich meine, hey, wer kann behaupten eine der verrückteste Patchwork-Familien zu besitzen, die die Welt je gesehen hat? Mit drei Müttern, keinem Vater, Adoptivgeschwistern und geheimen Halbgeschwistern? Das kann nur ich.

Doch wie in jeder dramaturgisch guten Geschichte gibt es einen Wendepunkt. In meiner Jugend hatte ich den albernen Traum Drehbuchautor zu werden, weil alles, was mir widerfuhr, guten Filmstoff abgab. Damals hatte ich keine Ahnung, wie schlimm es zehn Jahre später werden würde.

Diese Geschichte beginnt nämlich in einem Krankenhaus. Klischeehafter geht es kaum.

Everyday at midnight {I miss you}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt