Sie sagten mir beim Betreten der Klinik, dass sie schon seit ewigen Monaten mit ihrem Herz zu kämpfen hatte. Nie hat sie etwas gesagt. Niemand hatte eine Ahnung. Dabei sind wir ihre Familie. Wir sind ihr Rückzugsort. Wir sind die, die sie anruft, wenn etwas brennt. Anrief. Sie rief uns an.
»Elias!«, hörte ich Jo rufen, die Ärztin werden will, aber bereits einmal durch die Zwischenprüfungen gerasselt ist. Immer wieder versuche ich ihr zu sagen, dass es doch reicht, wenn sie Krankenschwester ist und dass sie auf diese Weise noch immer Menschen helfen kann. (Ja, alle in meiner Umgebung haben dieses Helfer-Syndrom. Es ist ansteckend, also passt auf, dass ihr euch nicht kontaminiert. Wobei das gar nicht so schlecht wäre.)
»Wo ist sie?«
Ich brüllte, was Jo automatisch zusammenzucken ließ. Ich bemerkte ihre Reaktion, aber ich entschuldigte mich nicht. So ein Egoist bin ich. Stattdessen drängte ich mich an ihr vorbei, zu dem Schwesterntisch, um zu erfahren, was Jo mir in diesen drei Sekunden nicht hatte sagen können.
»Mein Beileid«, hörte ich eine der Krankenschwestern sagen.
»Es ging so schnell«, sagte einer der Krankenpfleger.
»Sie ist eben erst aufgewacht und dann ...«, brach ein anderer Krankenpfleger ab.Worte. All das waren nur leere Worte, die nicht rüberbrachten, was tatsächlich passiert war.
Dass sie sich am Anfang der Woche unwohl fühlte. Dass wir sie ins Krankenhaus brachten. Dass sie an extremer Arterienverkalkung litt, sodass letztendlich ein Blutgerinnsel entstand. Sie erlitt im Krankenhaus einen kleinen Herzinfarkt, der gut ausging. Das sagten die Ärzte uns. Alles in Ordnung. Sie müsste ihre Ernährung umstellen, kürzer treten, ein bisschen leichten Sport betreiben. Wir waren so erleichtert.
»Es war ein unvorhersehbares Kammerflimmern«, erklärte der Arzt uns später. Weitere leere Worte. »Wir hätten es nicht verhindern können. Das Herz war schon so geschwächt und angegriffen, dass jede medizinische Maßnahme zu spät kam. Es tut mir sehr leid.«
Nur dass ein »Es tut mir leid« auch nicht meine Mutter zurückbringen kann.
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Everyday at midnight {I miss you}
Romance»Jede Nacht, kurz vor Mitternacht, sitze ich auf dem Dach meines Wohnhauses.« So beginnt die Geschichte um den jungen Erwachsenen Elias Moon. »Willst du mich heiraten?« So sollte die Geschichte weiter gehen. »Es tut mir sehr...