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»Bevor du wieder sauer bist oder gehst, lass mich etwas sagen«, beginne ich und Jo schlingt die Arme fester um ihren Körper. Dabei kann sie gar nicht frieren. Die Sonne hat sich entschieden, uns auch heute zu begleiten und scheint auf uns herunter.

»Meine Güte, wir haben geredet. Die Sache ist beendet. Ich helfe dir, Elisa zu finden, weil ich sie sehr lieb habe und sie offensichtlich etwas vermitteln will. Danach hole ich meine Sachen aus der Wohnung.«

Ich bewege mich auf sie zu, will ihre Hand ergreifen, bin aber zu langsam.

Okay. Nora wollte, dass ich ehrlich rede. Also werde ich das tun. Und Jo wird mir zuhören.

»Du bist die Liebe meines Lebens.« Okay, guter Anfang, lobe ich mich selbst in Gedanken. »Und du wolltest mir nicht zuhören, als ich das erste Mal versucht habe zu erklären, wieso ich mich von dir zurückzog. Denn die Wahrheit ist, dass ich Angst habe.«

»Das hattest du bereits erzählt«, sagt sie kühl.

Weniger gut. Sie darf nicht so eiskalt bleiben.

»Aber was ich nicht sage«, ich nähere mich Schritt für Schritt, »ist, wieso ich Angst habe.«

»Du sagtest auch, dass du mich nicht verlieren willst, wie Skye Kassy verloren hat.«

»Ja, weil mich das umbringen würde.« Die Wahrheit, Elias. Los, die Wahrheit. »Die Wahrheit ist, dass ich nicht heldenhaft bin. Ich bin nicht tapfer. Ich würde nicht mit meinem Leben weiter machen und weiter stark sein, wie ich es jetzt versucht habe zu sein. Wenn du stirbst, werde ich mit dir gehen und das wollte ich mir nicht eingestehen. Du bist mir wichtiger als mein eigenes Leben und das ist pathetisch, aber wahr. Als ich sah, wie schlecht es Mum geht, habe ich überreagiert. Weil ich dich an mich fesseln und gleichzeitig wegschubsen wollte. Du weißt, dass ich dir restlos verfallen bin. Ich würde alles für dich tun. Und dann habe ich gesehen, wie du dich selbst zusammengehalten hast. Du bist immer die Stärkere von uns beiden, Jo. Du rettest meine Familie, wie du dich gerettet hast. Und das macht mich ... klein. Ich wollte nicht mehr klein sein, verstehst du? Ich wollte nicht mehr, dass ich in deinem Schatten stehe.«

»Das ist gequirlter Mist«, unterbricht sie mich und ich zucke zusammen. »Sag, was dein echtes Problem ist oder ich gehe jetzt und werde mich nie wieder umdrehen.

Elias, ich bin deine Spielchen leid. Immer denkst du, dass die Geschichte sich nur um dich dreht, aber kleiner Hinweis: Das tut es nicht. Nicht nur du hast Kassandra verloren, Penelope hat ihre Schwester und Mutterersatz verloren. Skye ihre Frau und beste Freundin. Fia und Luca haben auch eine Mutter verloren. Ich weiß, wie schwer es für dich ist, wie sehr du leidest und wie sehr du versuchst, nicht unter all dem Druck nachzugeben. Denn genau das ist immer dein Problem. Du gibst nach. Du stehst nicht auf, für Dinge, die dich wirklich kümmern. Du gründest einen Anti-Mobbing-Kurs in deiner Schule und befolgst keine der Tipps, die du den Kindern gibst.

Seien wir mal ehrlich. So glücklich wie im MoonHour warst du schon seit Monaten nicht mehr. Umgeben von all dem Stress und Lärm und Süßigkeiten. Also komm zum Kernpunkt, denn ich bin die Ausflüchte endgültig leid, Elias. Ich bin es leid, Ausreden anhören zu müssen, die nicht die ganze Wahrheit widerspiegeln.«

Die Wahrheit. Alle denken, sie wissen, was meine Wahrheit ist. Wann haben die Leute meiner Umgebung angefangen, mehr über mich zu wissen, als ich? Antwort: Schon immer.

»Die Wahrheit ist, dass ich Angst hatte, dass du den Antrag ablehnst.«

»Wieso glaubst du, dass ich das getan hätte?«

»Weil du niemals einen Mann lieben könntest, der sich selbst nicht leiden kann.«

»Falsche Antwort«, sagt sie und zum ersten Mal wird ihre Stimme sanft. »Genau in diesen Kerl habe ich mich nämlich unsterblich verliebt. Und mit genau diesem unsicheren, manchmal sehr nervigen Mann will ich eine Zukunft aufbauen. Für unser Kind.«


Everyday at midnight {I miss you}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt