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[A/N: This is not your captain speaking - Im Klartext: Hier ist nicht MissWolke. MissWolke geht es gerade nicht gut und macht gerade eine Art Urlaub, möchte euch aber nicht auf dem Trockenen sitzen lassen. Besonders nicht im Bezug auf den Adventskalender. Hoffen wir, dass es ihr bald wieder gut geht, bis dahin könnt ihr uns daran unterscheiden, dass ein ~K am Ende der Texte/Kommentare stehen wird, wenn ich es bin. (Ich bin Katinka, hi. Kein wattpad Account, aber ich schreibe selbst.) Viel Spaß beim Lesen und wir werden uns gewiss öfter sehen! ~K]

   

Ma und Mum haben seit einem halben Jahr nicht mehr in der Villa gelebt, was daran lag, dass sie ihren Kindern mehr Platz im Haus geben wollten. Die Geste fand ich skurril, aber süß. Zudem Ma nicht in ihre alte Wohnung über dem MoonHour zurück wollte. Dabei weiß ich, dass sie diese Wohnung liebte. Noch mehr als ich.

Jetzt kenne ich den Grund. Denke ich zumindest. Man weiß ja nie so genau und in den Kopf einer Toten kann ich auch nicht schauen. Doch es ist so: Ma muss gewusst haben, dass es ihrem Herzen nicht gut geht. Sie war die Art von Mensch, die so etwas spürte. Schon immer. In eine Erdgeschosswohnung in einem anderen Stadtteil einzuziehen war demnach Berechnung. Ein Ort, an dem keine tausend Erinnerungen hängen. Ein Ort, der unbefleckt ist und in dem Mum sich zurückziehen kann, ohne durchzudrehen. Weil das kein wichtiger Ort ist. Weil dort nichts geschehen ist.

Ma muss gewusst haben, dass etwas nicht stimmt und wollte nicht unsere Lieblingsplätze ruinieren. Selbst im Tod ist sie selbstlos gewesen. Wie kann man so sein? Wie kann man alles in sich hineinfressen und für sich alleine leiden? Ich kann das nicht. Konnte es noch nie, wie ihr wisst. Daher schreibe ich euch hier. Weil ich all das nicht für mich behalten kann. Ma konnte das. Sie hat alles mit sich selbst ausgemacht und dann erst mit Mum oder uns darüber gesprochen.


Pennie läuft neben mir, die Arme fest um den Körper geschlungen. Sie und Mum hatten noch nie ein besonders gutes Verhältnis. Wenn ich ehrlich bin, können sie sich nicht ausstehen. Mum glaubte immer – tut sie vermutlich immer noch – dass Pennie ein Klotz an Mas Bein war.

»Dir fehlt nur noch ein Stück im Bild. Geh nach Hause, Elias.«

Das ist die Nachricht, die Pennie mir im Auto vorgelesen hat und somit meine Vermutung bestätigt. Ich weiß nur nicht, wie ich Mum überreden soll, das Haus zu verlassen. Sie ist seit Tagen hier eingesperrt, weigert sich hinaus zu gehen. Sie reagiert nur ab und an auf meine Nachrichten und nie auf meine Anrufe.

»Vielleicht sollte ich hier draußen warten«, erklärt Tante Pennie und bleibt stehen, als ich gerade auf die Klingel drücke. Hoffnungen, dass Mum aufmacht, habe ich keine. Aber ich kann auch notfalls eine Tür aufbrechen. Ihr wisst, dass ich das kann. Ja ja. Nora kann das. Aber ich hab oft genug zugesehen, um zu wissen, wie das funktioniert.

Überraschenderweise wird aber der Summer betätigt und ich kann ins Haus. Ohne auch nur zu Pennie zurückzusehen. Augen zu und durch?

Mum steht mir gegenüber. Überraschung, die zweite. Auch sind ihre Haare gemacht, wenn auch etwas unordentlicher als sonst. Sie sieht etwas kränklich aus; blass um die Nase und ihre Augen sind blutunterlaufen. Aber alles in allem hatte ich mit einer Leiche gerechnet und begegne einem Zombie. Ob das eine Verbesserung ist, könnt ihr für euch selbst abklären.

»Ich weiß, wieso du hier bistMum reicht mir eine Tasse Kaffee. Gottseidank, endlich macht mein Hirn wieder Sinn!

»Elisa hat dich also auch kontaktiert?«

Mum nickt und nimmt ihre eigene Tasse in die Hand. Nein, keine Tasse. Eine Thermostasse, zum Mitnehmen. Ich könnte weinen, aber dann würdet ihr nur wieder lachen – was ich eine Frechheit finde, da Kerle auch weinen dürfen!

»Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war«, erklärt Mum, als sie ihre Tasche in die Hand nimmt und mir ein Lächeln schenkt. Aus welchem Grund sich heute alle bei mir entschuldigen, kann ich nicht erkennen. Ich bin doch eigentlich der Depp, der das machen muss.

»Ich war nicht für dich da«, führt Mum weiter aus und ich sehe ihr die Gewissensbisse an. Was schwachsinnig ist. Sie trauert. Tue ich auch. Jeder tut das eben auf die eigene Art und Weise.

»Wir waren alle zu tief drin. Es ging zu schnell.« Ich räuspere mich und weine jetzt doch. Mum wischt mir mit ihren Händen über die Wangen und nimmt mich in den Arm. Mit einem Schlag bin ich wieder 17 und ich erfahre von Jo's Vergangenheit. Damals weinte ich an den Armen meiner Mütter, weil Jo mir leid tat. Heute weine ich, weil ich nur noch eine Mutter habe und die andere so fürchterlich vermisse.

   

»Wann habe ich eigentlich das Glück, Großmutter zu werden?«
»Ma!« Es war wenige Tage nach meinem 28. Geburtstag. Keine zwei Monate vor ihrem Tod. »Wir sind zu jung für Kinder.«
»Du willst sie heiraten, hast einen Ring gekauft. Wieso sind Kinder da so abwegig?«
Sie hatte sich die ergrauten Haare hochgebunden und ihre Brille abgesetzt. Mehl klebte an ihrer Wange, weil sie kurz zuvor noch Cupcakes gebacken hatte. Immer wieder Cupcakes.
»Du kannst nicht immer nur warten, Elias.«
»Hast du auch getan«, sagte ich und streckte ihr die Zunge heraus.
Sie lachte und gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf. »Halt sie fest, Elias. Halt sie fest, weil sie dir Halt gibt. Es ist wichtig, Menschen zu haben, die dir Halt geben. Sicherheit. Außerdem würde ich gern noch Enkelkinder haben, bevor ich sterbe.«
Ich lachte laut. Unwissend. »Na, dann haben wir ja noch 40 Jahre Zeit. Mindestens.«

Everyday at midnight {I miss you}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt