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Das »Summer Hotel« ist eine Bruchbude. Wirklich wahr. Ich bin mir nicht sicher, ob es genügend Wörter in der deutschen Sprache gibt, um auszudrücken, was ich vor mir sehe. Nämlich ein kleines Flachdachgebäude, mitten im Nirgendwo. Umgeben nur von Wald und Wiese.

»Wieso sollte Elisa hierherkommen?«, stellt Luca die Frage, die auch in meinem Kopf umhergeistert.

»Ich habe schon seit dem zweiten Hinweis aufgehört, mich über irgendetwas zu wundern«, gibt Nora zu und studiert erneut den Schlüssel. »Zimmer 285. Dann mal los.«

Problem an der Sache: Es gibt kein Zimmer 285. Wir betreten das Haus alle gemeinsam durch die gläsernen Eingangstüren und nehmen zwei kleine Stufen, die mit dem hässlichsten Teppich ausgelegt sind, die man sich nur vorstellen kann. Nur um in einem Flur mit sechs Zimmern zu landen. Und sie alle starten bei 001. Gefolgt von 002, 003, 004, 005 und enden bei 006. Auch im zweiten Stock dasselbe Spiel. 010, 020, 030, 040, 050. Da ich nicht die Muße habe, auch den dritten Stock zu erkunden, erledigt das Luca allein. Als er zurückkommt, schüttelt er den Kopf.

»100.«

»Das wären dann die zwölf Zimmer, die auf der Website angezeigt werden.«

»Aber seht mal – Hier werden ohnehin keine Schlüssel benutzt, sondern Chipkarten«, erkennt Jo richtig und ich bin kurz davor meinen Kopf gegen die gelbe Wand zu schlagen. Blutflecken können dieses Hotel auch nicht weiter beschädigen.

Hotel. Allein diese Bezeichnung. Eigentlich dürfte es nicht einmal ein Motel sein. Wobei es sauber ist, dafür dass es von außen so verkommen aussieht.

Meine Freunde fangen an zu diskutieren und ich grenze mich etwas ab. Das alles ist zu viel für mich und ich muss dringend meinen Dozenten und die Direktorin meiner Schule kontaktieren. Dass ich den Job los bin, versteht sich vermutlich von selbst. Also muss ich mir allmählich Gedanken machen. Über meine Zukunft. Denn seien wir mal ehrlich – in den vergangenen Tagen habe ich mich einen Scheiß darum gekümmert, wie mein Leben gerade aussieht. Das muss sich ändern.

Ich folge ihnen mit einigem Abstand hinunter, zurück in die »Hotellobby«, in der sie auf einen Summer drücken, der das Personal holen soll. Es ist schon erschreckend, wie einfach wir hier rein spazieren konnten, ohne dass es jemanden gekümmert hatte.

Während Fia und Luca und Nora mit dem großgewachsenen Mann sprechen, der nicht in dieses Ambiente passt, starre ich aus dem Fenster, zum Himmel empor. Wenige Stunden und die Dämmerung wird einsetzen.

»Es gibt keinen Eintrag auf eine Elisa Moon oder einen Lucian Heart.«

»Suchen Sie unter Chloe Moon«, rufe ich hinüber und die anderen sehen mich verdutzt an.

Jo ist die Erste, die das Schweigen bricht. »Chloe?«

»Der Name meiner ... unserer Mutter ist Chloe Penelope. Elisa heißt Chloe Elisa.«

»Ziemlich großes Ego für Tante Pennie«, kommentiert Nora und ich grinse sie an. Besser kann man es nicht zusammenfassen.

Der Mann im weißen Hemd strahlt mich an. »Sie sagten schon, dass Sie das Passwort erraten würden.«

»Wer?«

»Moment, sie war hier?«

»Wo ist sie?«

»In welchem Zimmer?«

Ich kann die Stimmen meiner Freunde nicht mehr auseinanderhalten, weil sie alle durcheinander reden. Eine Stimme höre ich jedoch klar heraus.

»Sie hat das gesamte Hotel für Sie alle gemietet und mich gebeten, Ihnen die Suite im Dachgeschoss zu überlassen«, erklärt der Hotel-Angestellte und sieht mich an. Nur mich. Er kommt mir bekannt vor, auch wenn ich mich nicht festlegen könnte, woher ich ihn kenne. »Sie werden bald zu Ihnen stoßen, wenn alle Vorbereitungen getroffen sind.«

Die Erkenntnis kriecht langsam in mein Bewusstsein und ich muss die Lippen fest aufeinander pressen, um nichts von mir zu geben. Denn jedes Wort wäre das falsche. Nicht jetzt, nicht hier.

Kommentarlos nehme ich eine der Chipkarten, die er uns hingelegt hat und nehme Jo bei der Hand. Sie folgt mir, auch ohne etwas zu sprechen. Darauf werde ich ewig vertrauen können. Jo weiß immer, wann ich was brauche.

Everyday at midnight {I miss you}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt