Lärm.

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Die Dunkelheit wich einer grellen Helligkeit die sich wie Säure in seinen Kopf fraß.
Der Schmerz fand seinen Weg zurück in den ausgezerrten Körper und vollführte sein grausames Werk.
Er erwachte nur sehr langsam, die milchige Stille um ihn herum war trügerisch.
Als Erstes bemerkte er, dass er nicht mehr auf dem feuchten Holztisch gefesselt war, er lag in einem Bett, mit stinkenden alten Lumpen ausgepolstert.
Der Schmerz in seinem Unterleib war nur noch schwach, dafür pochte es sehr stark, sein Herz arbeitete sauber um die Wunde schnellstmöglich verheilen zu lassen.
Doch die zerbrochenen Knochen trieben ihn an den Rande des Wahnsinns.
Sie verbreiteten ein dumpfes Gefühl dass sich unnatürlich anfühlte.  Vielleicht hatte der Alte ein abgaufenes oder gar wirkungsloses Betäubungsmittel benutzt um ihn vor den größten Schmerzen zu bewahren?
Auf jeden Fall erfüllte es nicht seinen Zweck. Die Knochen strahlten pure Grausamkeit aus, sie folterten ihn und stellten ihn jede Stunde, die er in diesem ungemütlichen Bett verbringen musste, auf eine harte Probe.
Der Alte hatte sich nicht blicken lassen.
Wahrscheinlich war es ihm nun egal, ob er starb oder nicht.
Sechs qualvolle Stunden vergingen.
Er schwälgte in einem Zustand, der zwischen dem Bewusstsein und der Ohnmacht stand. Seine Schmerzen nahmen immer weiter zu. Anscheinend verlor das Mittel seine lindernde Wirkung.
Gale.
Der Name aus seinen Traum fiel ihm wieder ein.
Er war sich sicher dass es ein Männername war, denn dieser fühlte sich eigenartig vertraut an.
Er war bis in alle Maße verwirrt.
Da wachte er in einem verwunschenen Wald auf, irrte lange Zeit schwer verletzt umher und dachte sich einen Namen aus.
Und nun fand er einen, er hatte von ihm geträumt.
Seine Gedanken verließen ihn und setzten ihren eigenen Willen durch. Sie kreisten um die junge, wunderschöne Frau, die von diesem Ding angegriffen und...getötet worden war. Wie konnte es sein dass sie trotz allem weitergelebt hatte?
Ihr hinterheriges Aussehen hatte ihn bis in den allerhintersten Winkel seines Daseins geschockt.
Die durchsichtige Haut, die toten Augen und die zu einer grausigen Haltung verbogenen Gliedmaßen gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Gale.
Diesen Namen hatte sie geflüstert bevor sie starb.
Diesen Namen hatte sie geflüstert bevor die wundervolle, unschuldige Seele gewaltsam aus ihrem Körper herausgesaugt worden war.
Diesen Namen hatte sie geflüstert als sie ihn das letzte Mal angesehen hatte.
Gale.
Der Name bildete sich fort, er vermehrte sich, schwoll an, platzte und zerstob zu einer funkelnden Wolke glücklichen Lebens.
Gale.

Wumm.
Geschockt fuhr Gale aus seinem Bett.
Eine explosionsartige Erschütterung
hatte alle Müdigkeit und allen Schmerz von ihm gerissen.
Mühelos stand er auf und ging auf das einzigste Fenster in dem staubig-dunklen Raum zu.
Sein Gang war geschmeidig, die Muskeln spielten ein Duett mit seiner Gesundheit.
Er starrte in die Nacht.
"Du kannst laufen."
Er zuckte zusammen und drehte sich um. Hinter ihm stand der Alte.
Das erste Mal seit Gale hier war konnte er den Mann der ihn gerettet hatte, näher in Augenschein nehmen.
Strohblondes, fettiges Haar lag strähnig auf den hageren Schultern.
Er war schmächtig und klein.
Die Klamotten waren zerfetzt und starrten vor Schmutz.
In der Hand hielt er lässig ein Gewehr.
Am beeindruckensten fand Gale die Augen.
Sie waren pechschwarz, doch um die Pupille herum zog sich ein stahlblauer Kreis, der einen äußerst starken Kontrast zu der restlichen Dunkelheit, die in ihnen lag, bildete.
Vorsichtig sprach Gale die Worte,  die sich schon in seinem Mund gebildet hatten, aus.
"Was war das, was Sie mir gegen die Schmerzen gegeben haben?"
Langsam bildete sich ein stolzes Grinsen auf dem schmutzigen Gesicht.
"Antigift."
"Bitte was?? Was ist das?"
Seufzend stützte sich der Alte auf den rußigen Lauf seines Gewehres.
"Antigift ist eine antibakterielle Mischung gegen alles Mögliche. Auch gegen Schmerzen.
Aber wärst du einer von ihnen, hätte dich das Gift innerhalb weniger Minuten verätzt."
"Aha."
Mit dieser Erklärung konnte Gale leben.
"Wann bist du aufgewacht?"
"Vor wenigen Minuten."
Eisiges Schweigen machte sich breit. Dann richtete sich der Mann auf und verließ den Raum wieder.
Gale lief hinüber zu seinem Bett und setzte sich. Kaum saß er, kam der Alte auch schon wieder zurück.
In seinen Händen hielt er einen Stapel Kleider und einen langen Jagddolch.
Instinktiv wich Gale etwas zurück.
"Keine Sorge ich werde dich schon nicht absrechen. Du hast mir zu viel Mühe gemacht."
Er warf die Kleider vor Gale auf den staubigen Boden, ebenso wie das Jagdmesser.
"Zieh dich an und steck das ein."
Er verließ den Raum.
Gale war allein und sah auf den dreckigen Haufen Stoff vor sich.
Dann hob er das Jagdmesser auf. Es war eimlnfach verarbeitetes Metall, keine Grawuren, keine weitere Verzierung.
Eine einfache Waffe um damit kaltblütig Menschen und andere Lebewesen zu töten.
Für einen Moment dachte Gale an die zerstörte Stadt.

Von unten erklang ein Schrei.
Ein kurzes Gurgeln, ein Kreischen von Metall, dann war Ruhe.

TodeswispernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt