Rachsucht.

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Das Biest packte Björn von hinten. Seine langen Finger legten sich um die Kehle des jungen Mannes, die scharfen Klauen erstickten den
überraschten Schrei. Der Kopf des Hassers tauchte aus den Schatten auf, aus seinem geöffneten Maul tropfte schleimiger Speichel. Gale rannte los. Sein Blick wurde schärfer, die zahlreichen Gerüche, welche mit einem Mal auf ihn einströmten, überforderten seine feine Nase. Die Geräusche um ihn herum wurden zu einem tiefen Brummen. Der Hasser ignorierte seine Bewegungen, er war ganz und gar auf sein Opfer
fixiert. Langsam öffnete er das Maul und zwei Reihen nach innen gebogene Reißzähne wurden sichtbar. Björn rang nach Luft und wimmerte
vor Angst, als er den heißen Atem dicht an seiner Kehle spüren konnte.
Gale wusste, dass er zu spät sein würde. Verzweiflung bemächtigte sich seiner und vernebelte sein Denkvermögen. Nein!
Der Blick des Monsters traf ihn wie ein Blitz. Die pupillenlosen Augen brannten sich in seine, die Nasenflügen bebten. Gale blieb stehen. Du…
 

Das Wort bildete sich in seinen Gedanken, es schmerzte wie Säure. Instinktiv hob er die Hände an seine Schläfen, dabei brach er den Blickkontakt mit dem Hasser jedoch nicht ab. Dieser schloss sein Maul
und zog sich von Björns Hals zurück. Dieser sackte in sich zusammen, schlaff hing er in dem Griff des Hassers. Langsam lief er auf Gale zu.
Du…
Er spricht mit mir, durchzuckte es Gale. Hass regte sich in ihm.
Du hast meine Tochter getötet. Ein furchtbares Grinsen breitete sich auf dem halb verfaulten Gesicht des Monsters aus. Mit seiner bleichen
Zunge leckte er sich über die aufgeplatzten Lippen. Gale bebte vor Wut. Das Fiepen in seinen Ohren vermischte sich mit dem Brummen der
anderen Geräusche zu einem gewaltigen Sturm, sein Blut schien mit einem Mal immer heißer zu werden. Der Hasser krallte sich unterdessen
in den Hals des wehrlosen Björn, der noch immer halb bewusstlos von ihm festgehalten wurde. Gales Blick wanderte zu der bläulichen Hauptschlagader, die nun so deutlich zu sehen war, wie eine Fackel in der dunklen Nacht.

Sein Atem beschleunigte sich.

Bilder durchzuckten seine Gedanken.

Dagna am Feuer.

Der Wind bläst ihr die Kapuze vom Kopf.

Metallischer Geruch drang Gale in die Nase.

Sein Blick wird in ihre Augen gesogen.

Dagna am Feuer.

Die Krallen hatten Björns Haut durchstochen.

Das Verlangen nach ihrem warmen Blut auf seiner Zunge.

Dagna am Feuer.

Das Fiepen sprengte seine Gedanken, er sah nur das Blut.

Dagna am Feuer.

Rot vermischt sich mit dem hellen Grau der Asche.

Sie schlägt ihn bewusstlos.

Der Geruch überwältigte ihn fast.

Dagna.

Mit einem Aufschrei warf sich Gale gegen das Biest. Durch den Schwung wurden beide umgerissen. Er realisierte nicht, dass Björn davongeschleudert wurde.  Die Wut hatte Besitz von ihm ergriffen. Blind schlug er mit der Faust auf den unter ihm eingeklemmten Hasser ein. Dieser schrie frustriert und hasserfüllt. Den vierten Hieb werte er ab, knickte Gales Handgelenk um und drehte ihn so von sich herunter. Der junge Mann vernahm zwar nur ein lautes Knacken, doch er spürte nichts.  Schnell stand er auf und trat dem Hasser ins Gesicht.
Wieder ein Krachen, dann flogen ein paar gebogene Zähne aus dem geöffneten Maul. Das Aufbrüllen der Kreatur ging Gale durch Mark und Bein. Schnell tastete er seinen Gürtel ab, doch er besaß keine Waffe.
Und Dagna war mit ihrem Dolch zu Tode gestürzt… Ein wuchtiger Aufprall schleuderte Gale mehrere Meter durch die Luft. Schmerzhaft kam er in der wenig abfedernden Asche auf, die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst. Seine Welt schien sich in Schlieren aufzulösen. Er konnte
gerade einen zitternden Atemstoß wagen, da landete der Hasser auf seinem Bauch. Weißes, dickflüssiges Blut troff aus seinem Maul und seiner Nase, die Wut in seinem Blick machte dem Namen alle Ehre.
Langsam beugte er sich zu Gales Gesicht herab, den Arm des Mannes blockierte er mit einem seiner Knie. Heißer Atem schlug Gale entgegen und die Ränder seines Gesichtsfeldes begannen bereits, sich aufzulösen.
Tot… wisperte der Hasser in seinen Gedanken, und ein fast
mitleidig wirkendes Lächeln huschte über die Fratze. Gale freute sich bereits darauf, seine Tochter wiederzusehen.

Mit letzter Kraft tastete Gale an seinem Gürtel. Ein Deja-Vu aus dem Wald nahe der Hütte des alten Mannes bemächtigte sich seiner. Auch dort hatte er gegen einen Hasser gekämpft und verzweifelt nach seiner
Waffe getastet. Er wusste dass es sinnlos war. Umso verwunderter war er, als seine Fingerkuppen kühles Metall streiften. Er packte zu. Der Blick des Hassers verlor mit einem Schlag an Übermut und Hohn. Dann bohrte sich das Eisen auch schon in den Rücken der Bestie.

Du hast einst versprochen mich zu beschützen, auch wenn du dabei dein Leben verlieren solltest. Ich habe diese Worte niemals so richtig
ernst genommen, aber nun sieh dich an. Selbst nach meinem Tod
verteidigst du mich. Auch wenn das Böse in dir lauert, Vater, so stehe ich dir ebenfalls zur Seite. Auch ich beschütze dich.

TodeswispernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt