Allein.

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Die aschgraue Landschaft flog an den zerbrochenen Scheiben des Wagens vorbei und war nichts weiter, als der tote Leib einer längst verendeten Welt. Björn fuhr. Der Pilot hatte glücklicherweise nur Kratzwunden und blaue Flecken an seinem Hals davongetragen und war, abgesehen von dem Schock, der ihm noch immer tief in den Knochen steckte, in der Lage, den Wagen zu übernehmen. Gale lag zusammengekauert auf der Rückbank und zitterte am ganzen Leib. Immer wieder murmelte er unverständliche Dinge und griff sich mit beiden Händen an den Kopf. Björn war es, als würde sein Begleiter versuchen etwas zu verscheuchen, etwas tief in seinem Inneren. Er vermied es, Gale in die Augen zu blicken. Nach dem Angriff des Hassers und dessen Tod, war es den beiden gelungen, mehrerer Kilometer westlich der Stelle, an der sie das Flugzeug hatten zurücklassen müssen, einen alten Transporter mit Benzin zu finden. Wie durch ein Wunder war der Wagen angesprungen und in Björn war die Hoffnung wieder zum Leben erwacht. Das einzige Problem der beiden war nun die Versorgung; nirgendwo gab es Nahrung oder sauberes Wasser. An jedem Gewässer, an dem sie vorbeifuhren, lagen verstümmelte Leichen und die Flüssigkeit war mit Asche überzogen. Einmal waren sie mit dem Wagen fast in einen Teich gefahren, da sie ihn nicht von dem festen Weg unterscheiden konnten, dem sie nun schon seit zwei Tagen folgten. Das Wasser war so von Schmutz überzogen gewesen, dass man es ohne Probleme für Festland halten konnte. Zweimal mussten sie anhalten, da Gale sich übergeben musste. Der Pilot konnte nicht sagen, ob er krank war, nur dass es Blut sein musste, das sein Begleiter ausspie. Björn gab es nicht zu, doch er hatte Angst. Angst davor, dass der Wagen irgendwann keinen Sprit mehr hatte, Angst vor einem neuerlichen Angriff der Hasser, Angst vor Gale. Denn dieser veränderte sich mit jeder Stunde und driftete immer weiter ab, an einen Ort, an den Björn ihm nicht folgen wollte.

"Stop, halt an!", rief Gale und Björn hielt mit dem Wagen sofort. Gale tastete panisch nach Luft schnappend nach dem Türgriff und fiel aus dem Auto. Von draußen drangen neuerliche Würgegeräusche an Björns Ohr. Diesmal öffnete auch er die Tür und stieg aus. Vorsichtiglief er um den Wagen herum und blickte zu seinem Begleiter. Dieser lag in einer Blutlache und erbrach sich immer weiter. Dunkelrot färbte sich die Asche um den zuckenden Körper und als sich der Wind erhob, roch Björn den metallischen Geruch, welcher unweigerlich Hasser anziehen würde.  Unwohlsein bemächtigte sich seiner und ängstlich blickte er sich um. "Gale wir sollten weiter, hier wird es gleich von Hassern nur so wimmeln", sagte er und lief um das Auto herum um wieder einzusteigen.  Ein hetiger Ruck schleuderte ihn im nächsten Moment gegen das Fahrzeug und ließ ihn Sterne sehen. Stöhnend rutschte er an der Seite des Autos herab und wurde im nächsten Moment an den Schultern gepackt. Gale hockte vor ihm, das Gesicht vom Wahnsinn verzerrt, die Augen getrübt und weit aufgerissen. Aus seinem Mundwinkel lief Blut und für einen kurzen Moment erkannte Björn das Monster in ihm. Schreiend versuchte er, von Gale wegzukomme, doch es gelang ihm nicht, sein Gegenüber war zu stark. "Sag mir nicht was ich zutun habe, Mensch", flüsterte Gale und kam nah an das Gesicht des Piloten heran. Seine Augen wurden immer trüber, bis die Pupille nicht mehr zu sehen war. Als er sprach erhaschte Björn einen Blick auf die überaus spitzen Zähne seines Begleiters. Panik ergriff ihn, blind begann er um sich zu schlagen. "Lass mich los, lass mich, du bist kein Mensch mehr, du bist einer von ihnen!", schrie er und zappelte in Gale's einernen Griff. Seine Worte schienen bei Gale einzuschlagen wie ein Komet. Seine Augen wurden wieder klar, er ließ Björn los. Entsetzen breitete sich auf seinem Gesicht aus als er erkannte, was er getan hatte. "Es tut mir leid, ich wollte nicht-" " Das ist mir egal! Ich will nicht mit einem Hasser durch die Gegend fahren! Irgendwann würdest du mich umbringen, ich weiß es genau!" Völlig aufgelöst stieß er Gale von sich, rappelte sich auf und stieg in den Wagen. Als er den Motor startete, stürzte Gale zum Fenster. "Moment, du willst mich doch jetzt hier nicht allein lassen oder?!", fragte er und Panik schwang in seiner Stimme mit. Björn presste die Lippen aufeinander. Dann drückte er das Gaspedal durch. Gale wurde gezwungen, das Fenster loszulassen, durch den Schwung wurde er zu Boden geworfen. Die Asche wurde aufgewirbelt als das Auto mit Vollgas davonfuhr. "Björn! Komm zurück!", brüllte Gale voller Verzweiflung, doch der Wagen entfernte sich mit rasender Geschwindigkeit. Irgendwann war Gale allein. Sein Körper fühlte sich falsch an und seiner Seele konnte er nicht mehr trauen. Voller Wut, Trauer und Ratlosigkeit warf er den Kopf in den Nacken und schrie. Und dieser Schrei hatte nichts menschliches mehr an sich.

TodeswispernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt