"Wie fühlen Sie sich?" Gale rieb sich über die Oberarme. Ihm war kalt. "Es geht schon, danke Mr. Blomquist. Ist das der Raum?" Mit dem Kinn wies er auf dem mit einer schweren Panzertür gesicherten Eingang. Die Neonröhren an der Decke verbreiteten ein unvertrauenswürdiges Licht. "Ja das ist er. Testperson 129 ist dort drin verwahrt. Sie wissen, was Sie nun erwartet, habe ich Recht?" Ja. Gale wusste es. Und er verabscheute den Tag an dem er für dieses Projekt gestimmt hatte. Er hasste den Moment, in dem er die Hand gehoben hatte. Er hatte über den Tod mehrerer Menschen entschieden, und er war sich dessen noch nicht einmal bewusst gewesen. Dabei wollte er nur seine Familie schützen... "Mr. Smith, Sie können die Tür nun öffnen", sprach sein Vorgesetzter in diesem Moment in sein Funkgerät und schon öffnete sich die Panzertür mit einem Zischen. Warme Luft schlug ihnen aus der Öffnung entgegen. Mr. Blomquist warf Gale einen Blick zu und setzte sich als nächstes in Bewegung. Gale folgte ihm mit einem flauen Gefühl im Magen. Innerhalb des weiß angestrichenen Raumes befand sich eine Art Glasvitrine. Sie war so groß, dass mit Leichtigkeit eine kleine Gartenhütte hineingepasst hätte. Darin stand eine Liege, wie sie in den Behandlungszimmern einer Arztpraxis zu finden waren. Mr. Blomquist ging nah an die durchsichtige Wand heran. Sein schneller Atem zeichnete sich am Glas ab. "Sehen Sie Gale... sie lebt noch immer. Nach so vielen Versuchen...es ist einfach unfassbar. Wissen Sie eigentlich, vor welch einem Durchbruch die Menschheit gerade steht?? Können Sie sich vorstellen wie viele Leben gerettet werden können?" Gale starrte auf die an die Liege gefesselte Gestalt. Ihm wurde übel. Er erkannte die schmächtige junge Frau wieder, der er vor wenigen Wochen das Mittel gegen HIV gespritzt hatte. Damals hatte sie im Vergleich zu nun allerdings noch halbwegs gesund ausgesehen. Nun aber hatte Gale Mühe, eine Emotion von ihrem vernarben Gesicht ablesen zu können. Ihr Körper war abgemagert, ihr ehemalig blondes Haar war aschgrau. Aus den dünnen Armen verliefen Schläuche, welche wiederrum in Apperaturen mündeten, die unendwegt eine milchige Flüssigkeit in ihren Körper pumpten. Die Augen hatte sie geschlossen und der Brustkorb hob und senkte sich nur unregelmäßig. Gale konnte nicht glauben, dass die Frau in diesem Zustand eine Hilfe für die Menschheit darstellen sollte. Mussten alle Menschen erst so gequält werden, um anschließend eine Allheilung erlangen zu können? Mr. Blomquist lachte leise. "Ich sehe, dass Sie fassungslos sind. Sie können sich ruhig freuen. Und Sie können sich auch darüber freuen, Zeuge des großen Finales zu werden. Sie werden ihre Allheilung miterleben." Gale schluckte den Kloß in seinem Hals herunter und bemühte sich um ein Lächeln. "Das ist wunderbar Mr. Blomquist, ich danke Ihnen." Sein Vorgesetzter lächelte gönnerhaft, dann nahm er erneut das Funkgerät aus der Tascheund sprach:" Mr. Smith, sie können der Testperson nun das Antigift einflößen." Einige Minuten geschah nichts. Dann färbte sich die milchige Flüssigkeit in den Schläuchen honigfarben. Gale lehnte sich gegen das Glas um genau mitverfolgen zu können, was geschah. Zuerst hörte er das entsetzte Keuchen nicht. Doch dann zuckte er zusammen, als Mr. Blomquist plötzlich zu brüllen begann. "Halt Mr. Smith, nicht die Alphalösung! Das Antigift! Verflucht!" "Was ist geschehen?" fragte Gale. Mr. Blomquist fuhr sich über die Haare. Er sah gehetzt aus. "Ihr wurde eine verstrahlte Substanz verabreicht. Mr. Smith hat nicht verstanden, um welche Testperson es sich handelt! Wir müssen-" In diesem Moment krachte es und Gale wich zu Tode erschrocken vor der Glasscheibe zurück. Die zierliche Frau, die vor einigen Sekunden noch schwach und gefesselt auf der Liege gelegen hatte, stand direkt vor der Glasscheibe und schlug ihren Kopf dagegen. Ihre Zähne waren auf einmal ganz lang und nach innen gebogen, in ihren Augen waren keine Pupillen mehr vorhanden. Ihre Haut war weiß und sie schien nicht zu merken, dass ihr Schädel unter den wuchtigen Schlägen Risse bekam. Gale sah sie durch die durchscheinende Haut an ihrer Stirn. Milchige Flüssigkeit spritzte gegen die Scheibe und die Frau stieß einen nicht hörbaren Schrei aus. Die Glaswand bekam Risse. "Schnell wir müssen hier raus!" schrie Mr. Blomquist und zerrte den vor Angst gelähmten Gale hinter sich her. Gerade als sich die Panzertür zu schließen begann zerplatzte die Glasscheibe. Die Frau warf sich in den kleinen Spalt, den die sich schließende Panzertür noch aufweisen konnte, doch es war bereits zu spät. Mit einem wiedernatürlichen Geräusch wurde ihr der Kopf von den Schultern getrennt, den linken Arm konnte sie auch nicht mehr rechtzeitig zurückziehen. Mit einem klatschenden Geräusch landeten die Körperteile auf dem Boden. Das Letzte was Gale vor seinem Zusammenbruch sah, waren die pupillenlosen Augen der Frau, die ihn zu fixieren schienen.
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Todeswispern
Mystery / Thriller„Zu spät. Die Zähne gruben sich scharf in seine Kehle. Gleich darauf riss ein gleißender Schmerz seinen Körper samt Seele entzwei. Das Messer in seiner Hand fühlte sich mit einem Mal tonnenschwer an. So ließ er es fallen. 'Ich habe verloren.' Alle...