▪Tatsachen

61 4 0
                                    

Tod der Freundin (freundschaftl.)
Vermutlicher Selbstmord
Genaue Todesursache: ungeklärt, vermutlicher Selbstmord durch Überdosis an Aspirin -> Magen-Darm-Blutungen
Verschlimmerung durch Aufschlitzen des Bauchbereiches an zerbrochenem Glas.

Nachdem ich die ganzen Informationen gelesen hatte, lief ich in die Mitarbeitertoiltette. Ich stellte mich vor ein Waschbecken und betrachtete mich im Spiegel. Blass sah ich aus und hatte starke Augenringe, was nicht wirklich alltäglich für mich war. Wirre Gedanken schwebten mir durch den Kopf, die ich beim besten Willen nicht ordnen konnte. Deswegen betätigte ich den Hahn und befeuchtete mein Gesicht mit kaltem Wasser.

...

Wochen zogen sich hin, doch Sehuns Lage wollte sich nicht verbessern. Mein Chef scheinte an Sehuns psychischer Störung zu verzweifeln, weil er zunehmend unausgeruht aussah und mindestens vier Tassen Kaffee am Tag trank.

Seit einer Woche war Sehun nicht mehr zur Sprechstunde gekommen und irgendwie machte ich mir Sorgen.
Über Kakao Talk hatten wir nicht geschrieben, auch wenn ich den genauen Grund dafür nicht wusste. Vielleicht war es deswegen, dass ich endlich mit beiden Beinen im Leben stand, ich ganz gut von meinem Geld leben konnte und eine Freundin hatte, die mich immer unterstützte. Doch irgendetwas....fehlte einfach.
Mein Handy klingelte. Ich holte es schnell aus meiner Jackentasche und blickte auf den Namen
Oh Sehun
Nach kurzem Zögern nahm ich an.
"Hallo?", fragte ich. "Hey, hier ist Sehun", antwortete er mir. "Ich wollte fragen, ob wir uns treffen könnten." "Ja, theoretisch." Ich wollte mich mit ihm treffen, um zu schauen wie es ihm ging. Ehrlich gesagt hatte ich in den vergangenen Wochen das Gefühl gehabt, dass seine Situation immer schlechter wurde, weil er zunehmend blasser und vor allem schwacher aussah. Andererseits hatte ich Angst das ein Treffen außerhalb der Arbeit zurückgehaltene Gefühle auslösen könnte, die ich nicht mehr für ihn haben möchte. "Hana, bist du noch dran?", fragte mich eine unsicher klingende Stimme. "J-ja. Das können wir machen", antwortete ich. "Gut. Ähm, wie wäre es Samstag?" "Da hab ich frei, also warum nicht." "Gut." Seine Stimme klang fröhlicher. "In der Nähe von der Bar ist ein Supermarkt", meinte er. "Ja, du hast Recht", stimmte ich ihm zu. "Dann lass uns dort 18:30 Uhr treffen", sagte er.
Wir verabredeten uns und bis zu diesem Tag machte ich mir immer wieder Gedanken darüber, warum er mich so plötzlich treffen wöllte.

---------------------

Er stand mir gegenüber und blickte mich an. Seine Haare hatte er sich blond färben lassen, sonst hatte sich nicht wirklich etwas äußerlich an ihm verändert. Eine Hand steckte in seiner Jackentasche. Mit der anderen hielt er sein Handy fest. "Warum wolltest du, dass wir uns treffen?", fragte ich ihn nach längerem Schweigen. "Ich muss einkaufen gehen." Irritiert starrte ich ihn an. Er grinste leicht. "Und mit dir reden", vervollständigte er seinen Satz.
Wir betraten den Supermarkt und Sehun begann, nach ein paar Sachen zu suchen.

Als wir wieder draußen waren, liefen wir in Richtung Hangang. Ich hatte vorgeschlagen, in ein Café zu gehen, da es sehr kalt war, doch er war dagegen gewesen.

Deswegen saßen wir nun auf einer Mauer am Fluß und betrachteten das andere Ufer. Ich fröstelte etwas, wollte es aber nicht offensichtlich machen und versuchte gegen die Kälte anzukommen. Ich blickte zu Sehun, der grinste. "Ist dir kalt?", fragte er. "Nein, wieso?", antwortete ich wahrscheinlich etwas zu schnell. "Tja. Es ist Winter. Warum hast du auch keine warme Jacke an?" Ich sagte nichts dazu und starrte nur auf das silbern glänzende Wasser.
"Warum ich mich eigentlich mit dir hier getroffen habe ist, dass ich dir von ihr erzählen möchte", begann er. "Wem?", fragte ich, obwohl ich genau wusste, wen er meinte. "Ich möchte dir von dem Abend erzählen...meine Version. Nicht die, die in diesem blöden Bericht oder was auch immer das ist, steht." Er verschränkte seine Arme vor der Brust. "Sie war das erste Mädchen, in das ich mich verliebt hatte. Sie war groß und hatte lange braune Haare, trug fast immer gestreifte T-shirts und Jeans. Sie war wirklich hübsch gewesen..." Er schien sie sehr gemocht zu haben, so wie er gerade von ihr schwärmt. "Es ist nicht so, dass ich immernoch in sie verliebt bin. Es ist nur, dass dieser Abend mir das Gefühl gegeben hat, ihr etwas schuldig zu sein." "Warum?", fragte ich nun etwas neugieriger. "Es stimmt, dass wir an dem Abend viel getrunken haben, aber ich bin sicher, dass sie irgendeinen Typen geküsst hat und wir uns gestritten haben. Weißt du, wenn sie Alkohol getrunken hat, dann wurde sie schnell leicht angreifbar. Nicht aggressiv, sondern das Gegenteil. Einfach sehr sentimental. Verstehst du?" Ich nickte. "Als ich sie gefunden habe, lag sie in der Frauentoilette auf dem Boden. Neben ihr ein zerbrochenes Glas und Schnitte an ihrem Hals und im Bauchbereich. Überall steckten kleine Glassplitter in ihrer Haut, ihre bläulich-schimmernden Adern waren deutlich zu erkennen, genauso wie die noch feuchten Tränen aus ihren rötlich-glasigen Augen, die leblos die gegenüberliegende Wand anstarrten." Es schien nun nichtmehr nur von außen kalt zu sein, sondern auch von innen.
"Sie war ein wirklich guter Mensch gewesen und hat mir immer einen Bubble Tea spendiert, wenn wir zusammen in die Stadt gegangen sind." Ich musste kurz grinsen, doch in der gleichen Sekunde verschwand es auch wieder. "Um zum Ende zu kommen...Ich weiß, dass sie sehr verletzlich ist, aber sie würde niemals eine höhere Tablettendosis nehmen um Suizid zu begehen. Sie war einfach nicht so ein Mensch." Ich seufzte und wartete darauf, dass er noch etwas sagte. "Und jetzt ist das Problem aufgekommen, dass ich wieder jemanden mehr mag als andere.
Aber ich habe Angst, sie zu verletzen oder zu verlieren. Ich weiß doch auch nicht." Nun seufzte er und stützte seinen Kopf auf die Hände. Er blickte zu mir.
"Gibt es einen Weg, wie ich dir nahe stehen kann, aber dich nicht verletze?"

endlessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt