2. Dezember

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Noël

So funktioniert es nicht mehr. Ich muss es einfach einsehen. Nach all den Wochen, die ich drinnen verbracht habe, mal abgesehen von den Zeiten, an denen ich in die Uni gehen musste, komme ich nicht mehr darum herum meine Wohnug zu verlassen.

Nicht nur, dass mein Kühlschrank beinahe so leer ist wie mein Telefonbuch, auch meine ungelesenen Bücher, Hygieneartikel und Teebeutel neigen sich langsam dem Ende zu. Und das grenzt an eine Katastrophe.

Also öffne ich meine Jacke einen Spalt, wie erwähnt, es ist viel zu warm für Dezember, und schließe meine Wohnungstür hinter mir, nur um direkt beinahe von einer Passanten niedergerannt zu werden.

»Tut mir leid«, ruft die Frau mit einer unfassbar hässlichen Mütze, die sie sich tief ins Geischt gezogen hat. »Sie wissen ja, wie das ist. Der Weihnachtsstress!«

Und weg ist sie. Ich schüttle fassungslos den Kopf und versuche mich nicht daürber aufzuregen, dass sie tatsächlich Weihnachten als Ausrede dafür genommen hat, mich beinahe über den Haufen gerannt zu haben.

Mein inneres Ich möchte ihr gerne hinterher und sich beschweren, doch ich weiß genau, dass meine Sozialkompetenzen zu gering sind, um mich nett auszudrücken und eigentlich möchte ich Streit aus dem Weg gehen, still und heimlich einkaufen und so schnell wie möglich zurück nach drinnen.

Nachdem ich alle Einkäufe erledigt habe, in jeder Hand eine Tüte, haste ich so schnell, wie ich kann zurück in meine Wohnung. Ich habe gehört, wie ein Chor weit entfernt Last Christmas angestimmt hat und ich möchte es vermeiden in Tränen auszubrechen.

Vergiss die Vergangenheit, Noël, das sage ich mir immer wieder. Aber ich habe das Gefühl niemals damit abschließen zu können.

Zuhause angekommen stelle ich meine Einkäufe auf den Tisch, räume alles ein und mache mir direkt eine Tasse von meinem neugekauften Tee.

Zimt; Eine Sorte, deren Genuss mir bisher verwehrt geblieben ist. Ich bin zufrieden, der Tee schmeckt gut und ich habe genug Vorräte für die nächsten zwei Wochen.

Mein Magen knurrt, seufzend werfe ich einen Blick auf die Uhr.

Erst sollte ich mir etwas zu essen machen und anschließend meine Arbeit für die Uni schreiben. Ich muss sie morgen abgeben und habe noch nicht einmal angefangen.

Eigentlich habe ich nicht sonderlich Lust zu kochen, doch das Gespräch mit dem Typen am Telefon gestern hat mich verunsichert. Ehrlich gesagt lässt mich der Gedanke, das zu wiederholen, nicht gerade in Freudenschreie ausbrechen, weswegen ich zögere.

Mein Blick gleitet zwischen meinem Telefon und meinen Einkäufen hin und her. Ich koche lieber morgen etwas. Oder übermorgen.

Meine Faulheit siegt.

Wie immer eigentlich.

Ich werfe mich aufs Sofa, kuschle mich in eines der dortliegenden Kissen und wähle die Nummer von Don&Son's Lieferungsservice.

»Willkommen bei Don&Son's Lieferungsservice. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, es ist eindeutig dieselbe Stimme wie gestern. Kurz überlege ich aufzulegen, doch das käme mir dann doch schon sehr unhöflich vor.

All I Want for Christmas Is FoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt