13. Dezember

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Noël

»Weihnachten?«

»Hey, Horst.«

»Pretty woman, walking down the street. Pretty woman...«

»Sorry, aber ich gehe gerade keine Straße entlang«, ich verdrehe die Augen auf Lucas Gesinge und trommle ungeduldig mit meinen Fingern gegen meine Küchentheke.

Luca lacht leise. »Schade. In meinen Vorstellungen gehst du die Straße, in der sich mein Arbeitsplatz befindet, entlang und schaust im Büro vorbei. Das befindet sich hinter der Küche von Don's Restaurant. Du weißt ja, Don hat alles und ist alles.«

»Ja, Don ist ein Traum von einem Mann«, ziehe ich ihn auf und versuche ich die Vorstellung Luca wirklich zu besuchen davon abzuhalten sich in meinem Kopf einzunisten. Wäre das überhaupt möglich? Bisher wusste ich nicht mal, dass Don ein Restaurant hat, um ehrlich zu sein.

»Lass uns ein Spiel spielen, Noël«, beginnt Luca und ich seufze gespielt genervt, doch in Wahrheit liegt ein Lächeln auf meinen Lippen, das ich einfach nicht unterdrücken kann.

»Ich frage mich für was du eigentlich bezahlt wirst.«

»Dafür dich zu unterhalten, für was denn sonst?«, wir lachen beide leise, bevor ich zum Konter ansetze. 

»Also bei der schlechten Darbietung hoffe ich, dass Don dir den Hungerlohn bezahlt, den du verdienst.«

»Oha ja, leider tut er das , tatsächlich. Im Geld schwimmen ist dann wohl mehr eine Traumvorstellung als irgendwie annähernd möglich, wenn man in meiner Situation steckt. Aber um dich zum Essen auszuführen würde es wohl reichen, Weihnachten«, in seiner Stimme schwingt etwas undefinierbares mit. Angst? Unsicherheit? Nervosität? Zweideutigkeit? Belustigung? Spaß? Ich kann es nicht entziffern und bin deswegen verwirrt, ob er das Angebot ernst meint oder nicht.

Ich verlasse meine Küche und nehme am Sofa Platz, von welchem aus ich eine wunderschöne Sicht auf mein Bücherregal habe. Eine Prachtvolle Sammlung an literarischen Werke, die Reihe an Reihe im Regal stehen und darauf warten gelesen zu werden.

Schnell überspiele ich Lucas Angebot mit einem Konter.

»Bei den Lokalen, die ich besuche, würde das Geld bei weitem nicht reichen, Schatz«, versuche ich es mit einer schrecklichen schlechten Antwort, aber Luca lacht trotzdem leise. Ich mag sein Lachen und seine Stimme. Beide hat eine erzählende Tonlage, man kann gut zuhören.

»Sagt das Mädel, das gerade versucht bei einem Lieferservice zu bestellen. Sehr teures "Lokal", nicht wahr?«, wir beide lachen und ich werde leicht rot, weil ich mich ertappt fühle.

»Also bevor wir dein dämliches Spiel spielen möchte ich, dass du meine Bestellung aufgibst. Ich will eine Kürbiscremesuppe, eine Gemüselasagne, ein Stück Schokoladenkuchen, gemischten Salat und zwei Kugeln Eis.«

»Noël.«

»Was?«

»Bist du sicher, dass du das schaffst?«

»Bist du sicher, dass deine Frage logisch ist?«

Wir lachen beide. »Ich liebe Essen, Luca.«

»Stimmt, hab ganz vergessen, du hast ja bereits erwähnt, dass du mich nur liebst, weil du mich damit assoziierst.«

Ich erschrecke gespielt bei seinen Worten und lagere meine Beine hoch. Draußen ist es bereits dunkel, ein weiterer Grund warum ich die Winterzeit hasse. An Sport ist bei diesen Tag/Nacht-Verhältnissen gar nicht zu denken. Ich jedenfalls bin zu unmotiviert und ängstlich, als dass ich in der Dunkelheit Laufen gehen würde. Wahrscheinlich würde ich alleine auf den Weg zu meiner Laufstrecke im Park fünf Mal vergewaltigt und drei Mal entführt werden.

»Habe ich lieben gesagt? Ich meinte ertrage, es tut mir leid«, necke ich ihn und komme dann auf meine Bestellung zurück. »Nein, ich habe nur eine sehr wichtige Prüfung heute hinter mich gebracht und ich glaube, dass sie ganz okay ausfällt. Daher gönne ich mir ein dreigängiges Menü.«

»Und da bestellst du Schokoladenkuchen? Warum nicht Apfelkuchen?«

»Weil Schokoladenkuchen geil ist?«

»Aber nicht so genial wie Apfel?«

Wir lachen beide. »Ich würde dich gerne kennenlernen, Luca, in echt. Irgendwann einmal.«

Er stimmt mir zu. »Ich dich auch Noël. Irgendwann. Und das bringt mich zu unserem Spiel. Da man schwer Wahl, Wahrheit oder Pflicht übers Telefon spielen kann, spielen wir nur Wahrheit, was hältst du davon?«

»Okay, aber nur wenige Runden«, füge ich hinzu. »Ich hab Hunger. Gib meine Bestellung auf.«

Luca lacht und ich sterbe beinahe vor Begeisterung an einem Herzinfarkt, als ich höre wie unfassbar rauchig seine Stimme dabei klingt. 

»Hab ich schon längst, Weihnachten. Also erste Frage. Wer ist dieser Typ, der letztens bei dir war?«

Ich ziehe schmollend eine Unterlippe hervor, wohlwissend, dass der junge Mann am anderen Ende der Leitung mich nicht sehen kann. Aber das war wohl meine erste Emotion bezüglich dieses Themas.

»Du nutzt das Spiel aus, um mehr über ihn zu erfahren.«

»Vielleicht.«

»Da können wir das Spiel lassen, das erzähl ich dir auch so«, kläre ich Luca auf und beginne zu erzählen. »Sein Name ist Lukas. Er hat mich auf meinem Nachhauseweg von der Uni absichtlich mit einem Schneeball abgeworfen, getan als wäre es ein Unfall und mich dann zu McDonalds eingeladen.«

»Das ist fast so klischeehaft wie der Ich-renne-mit-meinem-Getränk-in-dich-und-biete-dir-an-als-Entschuldigung-dein-Shirt-zu-waschen«, schnaubt Luca herablassend und ich verdrehe die Augen. 

»Sei nicht so gemein. Er ist wirklich liebenswert. Wir haben uns ein paar Mal getroffen und verstehen uns großartig.«

Eine kurze Pause entsteht.

»Stehst du auf ihn?«

»Was soll das denn bitte heißen?«

»Hast du vor mit ihm eine Beziehung zu beginnen?«

Ich reiße die Augen leicht auf. »Horst, ich kenne ihn erst seit wenigen Tagen.«

»Aber könntest du es?«

Ich seufze. »Ich mag Lukas wirklich. Aber ich denke nicht auf diese Weise... ich weiß nicht. Ich will nicht zu viel sagen, weil vielleicht kommt das irgendwann noch.«

»Dann muss ich eben schneller sein, als er.«

Ich lache, als ich höre wie kämpferisch Luca im Spaß klingt.

»Du bist ein Idiot.«

Und nachdem er aufgelegt hat, vermutlich um mir zu symbolisieren, dass ich ihn nicht einfach Idiot nennen kann, ohne, dass es schwerwiegende Folgen hat, füge ich noch ein leises »Und trotzdem bist du mir lieber als Lukas« hinzu.

All I Want for Christmas Is FoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt