25. Dezember / Epilog

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Luca

Ich bin müde. Unfassbar müde. Die Stiegen meiner Wohnung zu erklimmen mit meinem Rucksack fällt mir schwer, ich könnte auf der Stelle einschlafen.

Obwohl es erst elf Uhr ist, schaffe ich es kaum meine Augen offen zu halten. Es war ein anstrengender Tag. Dad und ich haben gestritten. Wie meistens.

Als ich ein Kind war hatten wir ein relativ gutes Verhältnis, doch nach Mama's Tod wurde alles schwerer. Er ist griesgrämiger geworden, vergesslicher, stiller.

Gestern, an Weihnachten, war es toll. Ich wusste, dass es eine gute Entscheidung war das Fest dort zu verbringen. Es hat ihn aufgemuntert an diesem Tag nicht alleine zu sein. Doch heute morgen haben wir relativ viel gestritten, um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal mehr, womit es angefangen hat.

Entweder damit, dass ich unabsichtlich ein Glas runter geworfen habe oder, dass er vergessen hat irgendetwas Wichtiges zu kaufen. Der Ausgangspunkt war unbedeutend. Wir haben uns gegenseitig nur etwas angezickt und dann ganz plötzlich ist die Sache eskaliert. Anfänglich sind wir uns ein bisschen aus dem Weg gegangen, haben versucht trotzdem den Tag miteinander zu verbringen, doch kurz bevor ich gefahren bin, wurde es noch einmal angesprochen.

Also, nicht das Ausgangsthema, sondern die Dinge, die wir uns in unserer Wut gegenseitig an den Kopf geworfen haben.

Meine Gedanken schweifen zu Noël. Sie fehlt mir. Wir hatten seitdem sie gestern weinend in die U-Bahn gestiegen ist keinen Kontakt und mich plagen Schuldgefühle, auch wenn ich nicht wirklich weiß, was ich falsch gemacht habe.

Nach langem Nachdenken habe ich dann den Einfall bekommen, dass nicht unbedingt ich ihr Grund für den Gefühlsausbruch sein musste, vielleicht war es Noah.

Wir haben nie darüber geredet, ob sie nach seinem Tod eine andere Beziehung hatte und nach all den Loslasse-Ängsten, die sie hat, vermute ich es eher nicht.

Aber das ist okay. Sie kann jede Zeit der Welt haben, ich werde sie ihr geben.

Ich erklimme das letzte Stockwerk und gehe mit müden Schritten auf meine Wohnungstür zu. Es war ein langer Tag, ich werde nun erst einmal schlafen gehen und morgen mit ihr sprechen.

Vielleicht braucht sie auch etwas Zeit für sich.

Oder auch nicht. Ich erstarre leicht, lege den Kopf schief und kneife meine Augen zusammen. Vor meiner Wohnungstür, zusammengekauert und mit einer Pizzaschachtel in der Hand sitzt Noël. Als sie mich erblickt, springt sie auf, den Pizzakarton lässt sie einfach liegen.

»Luca«, ich sehe Tränen in ihren braungrünlichen Augen schimmern. Augenblicklich bin ich hellwach. Ihre blonden Haare sind durcheinander, es sieht süß aus.

»Es tut mir so leid«, sie sieht mich an, Schuld blitzt in ihren Augen auf, ich winke ab. »Es ist okay, ehrlich. Ich verstehe es, wenn du Zeit brauchst. Und ich werde sie dir geben.«

Noël kommt mit großen Schritten auf mich zu. 

»Nein, das will ich nicht«, sagt sie mit überraschend fester Stimme und ich sehe sie verwirrt an, versuche mein innerliches Durcheinander aber zu überspielen. Möchte sie einen Kontaktabbruch? Ich weiß nicht, was sie meint, mein Herz schlägt eine Spur schneller als es sollte.

»Was?«

Sie starrt mich an, eine Träne rinnt über ihre Wange. 

»Ich will nicht warten. Hör zu, Luca. In diesem einen Monat... ich habe mich in dich verliebt. Und ich habe in letzter Zeit so sehr mit mir selbst gekämpft, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Du erinnerst mich so sehr an Noah und das hat mir Sorgen gemacht. Ich...«, ihr Blick ist intensiv, ihre Stimme energisch, »Ich hatte Angst tief in mir einen Ersatz für Noah zu suchen. Aber ich will keinen Ersatz für Noah. Und du bist keiner. Und auch, wenn wir alles etwas langsamer angehen müssen, damit ich mit der neuen Situation innerlich zurechtkomme, so gibt es auch Dinge, mit denen ich nicht warten will. Mit dir. Ich brauche nicht mehr Zeit, um glücklich zu werden, ich brauche dich.«

Und dann küsst sie mich. Ihr Gesicht ist nass, von den Tränen der Aufregung und Gefühle, die ihr Gesicht bedecken, doch ich ziehe sie näher an mich.

Und alles an was ich denken kann ist Noël. An ihre Haare. Ihre Augen. Ihre Lippen. Ihren Humor.

Als wir unsere Lippen voneinander lösen starre ich sie an, unsere Stirnen (A/N:laut Duden richtig!) lehnen immer noch aneinander. Ich lächle.

Wir beide sagen nichts, wollen den Moment nicht zerstören.

»Und für was die Pizza?«

Sie entfernt sich von mir, geht auf die Tür zu und schnappt sich die Schachtel.  »Margherita mit Oliven.«

»Für wen?«

Sie seufzt. »Eigentlich für dich. Aber während dem Warten habe ich Hunger bekommen und die Pizza gegessen. Die Oliven habe ich dir übrig gelassen.«

Sie öffnet die Box und gibt mir freie Sicht auf die dunklen Kügelchen, die in der Box herumrollen.

Ich lache. »Ich hasse dich, Weihnachten.«

Sie grinst. »Du liebst mich.«

Leicht ziehe ich sie zu mir. »Doch, du hast recht. Das tue ich. Ich liebe dich, Weihnachten.«

Und mit den Worten lege ich meine Lippen erneut auf ihre.

Das war's mit All I want for christmas is food. Ich bin sad. 

Vielleicht kommen nachher noch Nachworte. In den nächsten Tagen werdet ihr nichts von mir hören, ich fliege heute Nacht nach Paris und wenn ich zurückkomme ist eine Freundin für ein paar Tage bei mir. Aber mal schauen was danach noch folgt :)

All I Want for Christmas Is FoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt