6. Dezember

2K 251 77
                                    

Noël

Lukas ist irgendwie einer der wenigen Menschen, die ich in meinem Umfeld aushalte ohne auszurasten. Auch wenn wir uns erst vor zwei Tagen kennengelernt haben, und das durch einen zugegebenermaßen äußerst scheußlichen Unfall, ist der Kontakt beständig geblieben und wir verstehen uns prächtig.

Ich bin zwar noch nicht weit genug, dass ich ihn zu mir nachhause einlade, weil das irgendwie mein Rückzugsort ist und ich da nur ungerne andere Menschen als mich selbst sehe, aber trotzdem haben wir uns bereits heute Nachmittag erneut verabredet.

Er wollte eislaufen gehen, aber das war mir dann doch zu kitschig. Also sind wir nur auf einen Kaffee zu Starbucks gegangen.

Selbstverständlich habe ich ihn schwarz, ohne und Milch und Zucker getrunken. Schwarz, wie meine Seele.

Lukas hat sich dann das ziemlich Gegenteil bestellt, aber darauf will ich nicht näher eingehen. Er sieht hübsch aus, ohne Frage. Und er ist einer der wenigen Menschen, die mit meinem zynischen Humor und meinem Sarkasmus umgehen können. Er und Luca.

Der Tag war eigentlich ziemlich toll, und das in der Weihnachtszeit, ich kann es selbst kaum glauben!

Es ist schön etwas Ablenkung von einer Person zu bekommen, die nicht total verschreckt ist, wenn sie deinen wahren Charakter kennenlernt.

Lukas mag meinen Humor sogar und er hat tolle Konter, das muss man ihm lassen. Fast so tolle wie Luca.

Um direkt beim Thema zu bleibe wähle ich die Nummer vom Lieferservice. Gekocht habe ich heute Mittag und ich habe keine Lust darauf die Prozedur zu wiederholen. Auch wenn ich beinahe jeden Tag etwas bestelle: Wenn man den Preis mit den Kosten hochwertiger Lebensmittel vergleicht macht es kaum einen Unterschied.

Okay, es macht einen.

Aber ich bin faul und ich finde man sollte im Leben Prioritäten setzen, was einen wichtig ist. Und für mich ist es okay Geld auszugeben, wenn das heißt, dass ich nicht kochen muss.

»Willkommen bei Don&Son's Lieferservice. Was kann ich für sie tun?«

Ich breche in spöttisches Gelächter aus, ich erkenne Luca bereits an seiner Stimme. »Haben wir nicht bereits bei meinem ersten Anruf geklärt, wie lächerlich das ist?«

Ich ziehe ihn auf und bin mir hundertprozentig sicher, dass er gerade die Augen verdreht.

»Was darfs heute sein? Ne Margarita mit Oliven und Mais?«

Ich huste leicht. Gottverdammtes Wetter, jetzt hab ich mich auch noch verkühlt. Es gibt aber auch nichts, das für die Weihnachtszeit spricht, oder?

»Wie zur Hölle kommst du jetzt auf Pizza?«

»Jeder mag Pizza. Und übrigens, nur weil du mich ja jetzt nicht sehen kannst, ich zucke mit den Schultern und mache meinen Das-ist-doch-logisch-Blick.«

»Wusste nicht, dass es diesen Blick gibt«, ich grinse.

Er lacht leise. »Erfindung by Luca.«

»Wahrscheinlich ist dir nicht eingefallen, was Erfindung im Englischen heißt und deswegen entsteht dieses komische Denglisch«, ziehe ich ihn auf. Mit Luca zu reden macht ich glücklich, es ist witzig und er wirkt um einiges mehr auf meiner Wellenlänge als viele andere. Er und Lukas sind beide ziemlich tolle Typen.

»Hey, hör auf mich zu mobben, Kleine.«

»Wenn ich du wäre, würde ich nicht frech werden, immerhin willst du doch wissen, was ich studiere?«

»Du hast gerade verraten, dass du studierst. Das ist schon mal ein Anfang, Weihnachten.«

»Klappe Horst«, ich verdrehe die Augen. »Und nur so als kleine Info am Rande ich hasse Oliven, also wenn ich eine Margarita bestellen würde ganz sicher ohne Oliven.«

Ein erschrockener Schrei ertönt von der anderen Seite des Telefons.

»Luca?«, ich klinge fragend, bin leicht verstört, um ehrlich zu sein. »Bist du wirklich so erschrocken darüber, dass ich keine Oliven mag?«

»Verdammte, Scheiße, Fuck!«

»Luca?«, ich richte mich etwas mehr auf, bin dezent verängstigt. Das klingt nicht gut. Auf der anderen Seite des Telefon ertönen laute Geräusche. Kann man ein Lieferservice ausrauben? Wird dieses Lieferservice ausgeraubt?

»Keinen Stress, Prinzessin. Mir ist nur mein Kaffee umgekippt. Was heißt nur... mein Arbeitsplatz ist überschwemmt mit einer schwarzen Flüssigkeit. Denn so trinke ich meinen Kaffee. Schwarz wie meine Seele. Ohne Zucker und Milch.«

Ich schüttle fassungslos den Kopf. Erst bin ich erleichtert, dann belustigt. Luca und ich sind uns so ähnlich, abgesehen davon, dass er Weihnachten mag und ich es hasse.

»Ich auch. Und nenn mich nicht Prinzessin, Horst«, antworte ich nur, aber tief in mir bin ich begeistert. Es scheint, als würde er einfach perfekt zu mir passen. Lukas ist wiederum dann das komplette Gegenteil. Doch wer ist denn nun der Richtige?

Noël, übertreib nicht, du kennst beide erst seit wenigen Tagen und einen davon nur übers Telefon. Du wirst keinen der beiden heiraten, also warum darüber nachdenken?

»Verzeihung, Weihnachten. Aber, dass du keine Oliven magst, finde ich dann trotzdem unverzeihlich. Ich schick dir ne Margarita mit Mais und Oliven rüber, ist in ein paar Minuten da. Und du musst mir versprechen alles aufzuessen. Wäre sonst ja Geldverschwendung«, er lacht leise.

Ich reiße panisch die Augen auf. »Luca, bitte nicht!«

»Uh, klingt geil, wenn du meinen Namen aussprichst. Meinen richtigen Namen, meine ich.«

»Das ist ekelhaft. Wir kennen uns noch nicht lange genug, um so welche Witze zu machen«, doch trotz meiner Worte kann ich ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken.

Er seufzt. »Also Noël, wenn du mir verratest warum du Weihnachten hasst und was du studierst, dann schick ich dir die Pizza.«

Die Stimmung ist im Eimer. Luca hat sie zerstört. Mein Hass auf Weihnachten hat einen Grund, der dafür sorgt, dass ich mich täglich in den Schlaf heule. Ich trauere immer noch zu aktiv, als ob ich es einfach irgendjemanden erzählen könnte. Nicht einmal mit meinen Eltern rede ich darüber und Weihnachten, verdammt diese Zeit erinnert mich durchgehend daran.

Niemals würde ich Luca davon erzählen.

»Ich erzähle dir sicher nicht, warum ich Weihnachten hasse«, sage ich deswegen mit zusammengebissenen Zähnen und versuche die Tränen zu unterdrücken, die sich in meinen Augen sammeln. Wie schnell sich die Stimmung doch ändern kann. Und das alles, obwohl es bereits ein Jahr her ist.

»Okay, dann bitte eben deine Telefonnummer und was du studierst.«

»Wenn ich im Gegenzug eine Gemüselasagne bekomme?«

Er stimmt zu.

Ich seufze. »Ich studiere Literatur. Bücher sind mein Leben- oder besser gesagt meine vielen Leben.«

Und dann gebe ich ihm eine Telefonnummer durch.

Dass ich später darauf mit einer Pizza voller Oliven dasitze liegt wohl vermutlich daran, dass es zwar eine Telefonnummer, aber leider nicht meine eigene war.

Ich mag das Kapitel. Frohen Nikolaus euch allen. Über das Bild musste ich als Österreicherin übrigens ziemlich lachen. Ganz so brutal ist Nikolaus in meiner Gegend dann doch nicht, haha. 

All I Want for Christmas Is FoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt