19. Dezember

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Der Moment wenn du zwei Leute bei einer Serie shippst und einer der Schauspieler sich dann entscheidet die Serie zu verlassen und somit in der Serie von den Produzenten auf eine in der Serie kurz erwähnte Militärschule geschickt wird, um daraufhin nie mehr aufzutauchen. (Fühl dich gehasst Chad Michael Murry.)

Noël

Es ist bereits elf Uhr abends und ich liege wach in der Dunkelheit auf meinem Sofa, starre die Zimmerdecke an. Ich versuche seit einenthalb Stunden zu schlafen, da ich morgen einen wichtigen Test in der Uni schreibe, aber immer wider drängen sich mir negative Gedanken auf, die mich zum Weinen bringen.

Ich war nie ein Mensch, der sich in den Schlaf heulen konnte. Tränen halten mich wach wie mehrere Tassen Kaffee und ich kann nichts dagegen tun.

Meine Hände habe ich beide auf meinen mittleweile leicht eingefallenen Bauch gelegt. Ich hasse es, wie viel Gewicht ich durch die Trauer in den letzten Tagen verloren habe. Ich habe nur wirklich wenig gegessen, einfach weil sich alles in mir wie zugeschnürrt anfühlt.

Ich war schon immer der Meinung Kurven sind hübscher, weswegen ich nie wirkliche Kämpfe und fehlgeschlagene Kooperationen mit Diäten hatte. Essen ist ein Genuss des Lebens und ich will nicht darauf verzichten müssen, aufgrund von Oberflächlichkeiten, die nichts über mich aussagen.

Vorsichtig streiche ich meinen Bauch auf und ab. Er ist nach innen gewölbt. Ich erinnere mich noch an Alea Sophie. Meine Tochter, die dafür gesorgt hat, dass mein Bauch wächst und wächst.

Die Schwangerschaft war nicht anstrengend. Bis auf die abnormal schlimmen Kreuzweh ging es mir ausgezeichnet. Ich hatte weder übertriebene Stimmungsschwankungen, oder zumindest selten, noch war mir sonderlich übel.

Ich versuche mir das Gefühl, wie Alea das erste Mal in meinem Bauch getreten hat, wieder ins Gedächtnis zu rufen, doch mein Kopf ist leer und mir wird bewusst, dass meine Erinnerungen an sie und meine Schwangerschaft nach und nach mehr verblassen.

Fast neun Monate habe ich sie in mir getragen und geliebt. Ich liebe sie immer noch. Mittlerweile wäre sie eins. Alea wäre ein Jahr alt. Und das hasse ich unfassbar.

Jahr für Jahr wird die Zeit vergehen, aber kaum etwas wird sich ändern. Jedes Jahr an ihrem Todestag werde ich daran erinnert, wie sich mein Leben durch den Tod meiner meistgeliebten Menschen verändert. Ich habe davon geträumt gemeinsam mit Alea ein Ballkleid für ihren Abschlussball rauszusuchen, ihren ersten Freund kennenzulernen. Zu sehen, wie sie das erste Mal in die Schule geht, selbst heiratet oder lesen lernt.

Aber all das wird mir verweigert.

Ich fühle mich unfassbar einsam an diesem Abend und kämpfe seit einigen Minuten mit mir, ob ich nicht vielleicht Luca anrufen soll. Das letzte Mal hat er mich wunderbar aufgemuntert und ich habe das Gefühl nicht eine Sekunde länger alleine sein zu können.

Schlussendlich entscheide ich mich dafür und rufe ihn an, da ich mir nicht sicher bin, ob er schon schläft. Würde er es tun, so würde ihn meine Nachricht sicher nicht wecken. Und ich brauche ihn. Verdammt, ich brauche irgendjemanden, sonst ertrinke ich heute Nacht noch in meinen Tränen, wenn ich nicht vorher an all der Trauer ersticke. 

Er ist neben Lukas mein einziger richtiger Freund und ihm vertraue ich um Einiges mehr. Ich bete, dass er drangeht, lasse es ewig lange läuten.

»Noël? Ist etwas passiert? Alles okay?«

Ich schließe meine Augen. Meine Wangen sind immer noch nass von meinen Tränen, meine Augen geschwollen und ich habe Kopfweh vom Weinen. Ich versuche meine Stimme nicht zu gebrochen klingen zu lassen.

»Bitte komm«, ich versage klaghaft. Meine Stimme klingt eingerostet, und abgesehen von dem leicht mitschwingendem Schluchzen absolut emotionslos.

Es wirkt, als wäre ich in einen Tunnelblick verfallen.

»Noël, es ist fast zwölf Uhr nachts und ich habe nur eine Jogginghose an«, sagt er zögernd und ich weiß genau, dass er gemütlich in seinem Bett liegt, gerade frisch durch meinen Anruf aufgeweckt. Vermutlich überelgt er, wie wichtig es ist, dass er herkommt.

»Luca, ich kann nicht mehr«, flüstere ich nur. »Ich halte es nicht mehr aus.«

«Noël? Was hältst du nicht mehr aus?«

»Das Leben«, schluchze ich schlussendlich und Tränen fließen meine Wangen hinunter. 

»Noël? Ich zieh mir ein Shirt an und bin auf dem Weg«, Luca klingt besorgt, er scheint nun zu merken, dass etwas absolut nicht stimmt. Ich starre nur die Decke an und versuche die Tränen zu unterdrücken, die sich in mir ansammeln. Immer wieder streiche ich über meinen Bauch, stelle mir vor, wie Alea darin strampelt, aber da ist nichts. Ich versuche daran zu denken, wie Noah meine Haare aus meinem Gesicht streicht, um mir einen Kuss zu geben, aber nie meine Lippen berührt.

Denn das Einzige was mich heute küsst ist die Einsamkeit.

»Mir wird das alles zu viel, Luca. Ich kann nicht. Ich... ich kann einfach nicht mehr. Gestern, am Friedhof, ich schaff das nicht mehr. All meine ehmaligen Freunde, die mich anrufen... ich will nicht mehr. Sterben, Luca. Ich will sterben, verdammt Ich bin alleine. Was hält mich? ...Sie sind beide gegangen. Haben mich zurückgelassen«, all meine Worte presse ich mit großen Anstrengungen und Mühseligkeiten zwischen meinen Tränen hervor, ich drücke mein Gesicht leicht in meinen Polster, man versteht mich kaum, doch ich bin mir sicher Luca tut es.Ich klinge durcheinander, verzweifelt und trotzdem schaffe ich es nicht meine Trauer so auszudrücken, wie ich sie wahrnehme.

Dort wo mein Gesicht das Sofa berührt ist es nass und kalt.

»Noël, bleib wo du bist, okay. Mach nichts Dummes. Ich mach mich auf dem Weg, ich bin kurz nach zwölf da, versprochen.«

Er legt auf, aber ich bin zu sehr in Gedanken, um mein Handy zur Seite zu legen. Stattdessen denke ich immer wieder an Alea. An Alea und Noah.

Und ich frage mich was anders wäre, wenn sie nie gestorbene wären.

All I Want for Christmas Is FoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt