Adventskalenderstorys

1.12.2016

Selbst durch verschlossenen Türen des verlassenen Büros hörte sie die lauten, redenden und lachenden Stimmen aus dem Pausenraum. Nichts außer ihrer Wut hinderte sie daran, sich zu ihnen zu setzen, mit ihnen zu reden und mit ihnen zu lachen.

Doch sie war wütend, wütend auf die Redaktion, die Organisation, wütend auf all jene, die in drei Tagen ihren Urlaub beginnen würden, während sie hier bleiben musste, ihre Feiertags- und Wochendendarbeitsstunden in einem Rutsch ableisten, um die sie sich sonst so erfolgreich herum gemogelt hatte; ihr schwante schon fast, dass man es ihr absichtlich so leicht gemacht hatte, hätte sie damals nur gewusst... Doch das war zwecklos. Sie hatte freundlich gefragt, sie hatte geschmeichelt, sie hatte geschleimt, geweint, geschluchzt, mit der Kündigung gedroht: Die Orga war standhaft geblieben.

Sie hatte erst zu den gesetzlich vorgeschriebenen Zeiten frei, ab dem Nachmittag des vierundzwanzigsten, bis dahin war sie Gefangenen ihrer Arbeit; sie würde 20 einhalb Tage alleine hier absitzen, das monatliche Magazin für den Dezember lag schon gedruckt im Nebenraum, sie sollte nur täglich fröhliche Weihnachtsstorys auf die Webseite des Lokalkuriers, so hieß das verdammte Schmutzblatt, online stellen und es sich hier so lange gemütlich machen.

Welch ein Hohn!

Sie sah sie schon vor sich, die ausgestorbenen Räume und Korridore, wie sie sie schon von Früh- oder Spätschichten kannte, nur dass es diesmal nicht nach ein paar Stunden vorbei sein würde, sondern andauern und dieses Wissen würde tödlicher sein denn die Einsamkeit und Verlorenheit, die die Tatsachen unweigerlich mit sich bringen würden. Noch während sie, versunken in Gedanken, so über das Kommende, was noch viel schlimmer als erwartet werden sollte, aber doch auch irgendwie besser, nach sann, setzten sich die Besitzer der Stimmen in Bewegung.