Kapitel 31

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Als ich meine Augen wieder öffnete, stand die Welt komplett auf dem Kopf.

Zuerst dachte ich, dass ich träumen würde, doch dann realisierte ich, dass der Wagen tatsächlich falsch herum auf der Straße lag und ich  nur noch von dem Gurt festgehalten worde.

Als ich mich kurz bewegte, durchströmte mich ein vollkommener Schmerz und mir war danach mich zu übergeben.

Langsam überkam mich Panik und eine absolute Müdigkeit, die mich zwingen wollte, wieder meine Augen zu schließen.

Doch zugleich war ich voller Adrenalin und wiederholte innerlich, was die letzten Sekunden passiert war.

Ganzo hatte uns eiskalt angefahren.

Immer und immer wieder.

Und irgendwann war da diese Absperrung und Jinhwan konnte einfach nicht mehr auswei-

JINHWAN!

Wie vom Blitz getroffen drehte ich meinen Kopf zur Seite. Jeglicher Schmerz wurde ignoriert.

Was ich sah, ließ mein Herz stehen.

Der sonst immer so fröhliche und sarkastische Junge, hing reglos an seinem Gurt. Blut strömte ihn aus der Nase und dem Mund. Mehrere Scherben steckten in seiner Haut und erst jetzt erkannte ich, dass die vordere Autoscheibe kaputt war und die mittlerweile kalte Luft den Innenraum des Autos einnahm.

Doch was meine Blut wirklich erfrieren ließ, war der Grund für die zerstörte Scheibe und wo dieser steckte.

Ein Pfahl aus Holz hatte sich tief in die Brust von Jinhwan gebohrt und schien sogar im Fahrersitz zu stecken. Um ihn herum war es dunkel und langsam wurde mir klar, was das zu bedeuten hatte.

"Jinhwan...", krächzte ich und verstand mich kaum selbst.

Keine Reaktion.

"Jinhwan...Steh auf, Jinhwan." Mit aller Kraft zwang ich meinen Arm nach oben und streckte ihn nach ihm aus. "Jinhwan, hör auf damit...Das ist nicht mehr lust-"

Seine Haut war kalt.

Eiskalt.

Reglos fiel meine Hand hinab.
Mein Herz fühlte sich an, als würde es sich mit aller Kraft zusammenziehen, nur um dann zu explodieren.

"Nein. Nein!", schluchzte ich auf und fing an zu zittern. "Du darfst nicht...Jinhwan! Hanbin wartet doch auf dich! Jiyong und die anderen!"

Mein Schluchzen wurde mit jedem Wort unkontrollierbarer und übernahm meinen ganzen Körper. Der körperliche Schmerz war nichts zu dem Schmerz in mir.

"Jane! Jinhwan!", kam es plötzlich von draußen.

Es war Bobby.

Sein Gesicht tauchte plötzlich an meiner Seite auf. Innerhalb von Sekunden scannte er alles und verstand.

Zuerst konnte man pure Wut und Trauer sehen, dann verließen ihn diese Gefühle und sein Gesichtsausdruck wurde sachlich.

"Jane. Tut dir etwas weh?", fragte er mich und rüttelte an der Tür.

"Jinhwan...Er ist-"

"Ich weiß. Aber ich muss dich zuerst raus bekommen.", knurrte der junge Mann und riss die Tür auf.

Sofort befreite er mich mit geschickten Griffen und fing mich auf. Da er mir so nah war, erkannte ich erst jetzt wie angespannt er war.

Er konnte es also doch nicht vollkommen verdrängen.

Vorsichtig aber schnell hob er mich hoch und aus dem Auto.

Verzweifelt klammerte ich mich an ihn fest.

Dabei fiel mir erst jetzt auf, wie viele andere Autos angehalten hatten und wie viele Menschen dran standen.

Von Ganzo keine Sicht.

"Sie haben schon die Polizei angerufen. Wir können nicht mehr verschwinden.", murmelte Bobby abwesend.

Mir war das vollkommen egal.

"Bobby. Jinhwan. Du musst ihn raus holen.", bat ich ihn verzweifelt.

"Ich kann nicht.", kam es sofort zurück.

"Aber-"

"Nein. Jane. Ich kann zwar Männer umbringen und Gebäude in die Luft jagen, aber ich werde und kann auch nicht einen Holzpfahl aus meinen Bruder ziehen. Ich kann das nicht."

Erneut erschien die Trauer auf seinem Gesicht.

Doch er blickte stur gerade aus.

Ich fühlte mich plötzlich noch schrecklicher als zuvor.

Das alles war so unfair.

Wieso musste Jinhwan sterben.
Er, der so viele Menschen hatte, die auf ihn warten würden.
Die ihn liebten.
Ihn brauchten.

Wieso konnte er nicht weiterleben?

Genau in diesem Moment würde ich alles, wirklich alles tun, um mit ihm den Platz zu tauschen.

Nur damit Bobby ihn aus dem Auto holen könnte.

Nur damit er in Sicherheit gebracht wurde.

Bobby setzte mich in seinen Wagen ab und deckte mich mit etwas zu.

Im Hintergrund ertönten Sirenen.
Menschen kamen zu uns und fragten nach.
Bobby telefonierte.

Doch das alles interessierte mich nicht.

Ich saß einfach nur da.

Ließ Bobbys Hand nicht los.
Konnte meine Augen von der zarten leblosen Figur im Auto nicht lösen.

Zumindest bis mich die Dunkelheit erneut umschloss und mich in ihr gefangen hielt.

Fight Me, Baby || G-DragonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt