Kapitel 44

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Meine Tante schläft noch immer, aber sie sieht wirklich aus als würde sie nur schlafen und als sei nichts verkehrt. Als sei sie komplett genesen. Lächelnd streiche ich über ihre Hand. „Hoffentlich wachst du bald auf." Als ich mich auf den Stuhl setzen möchte rutsche ich kurz nach hinten und stoße gegen den Nachttisch. Die Vase mit den Lilien droht auf meine Tante zu kippen. Etwas unbeholfen fange ich sie auf und atme erst einmal tief durch. Ein Blatt einer Lilie löst sich und fällt auf das Gesicht meiner Tante, das ist aber auch das Einzige. Erleichtert aufatmend stelle ich die Vase wieder auf den Tisch. „Das war knapp." Das Blatt nehme ich behutsam von ihrem Gesicht runter und werfe es in den Müll. Ein wenig richte ich die Blumen in der Vase wieder. Mir fällt auf das ich seit langer Zeit keine Blumen vorbeigebracht habe aber diese hier sehen ziemlich frisch aus... Von wem die Lilien wohl sind? Ob wirklich jemand von der Familie gekommen ist sie zu besuchen? Aber ohne mir dann Bescheid zu sagen? Hm... komisch.

Nachdem ich ein wenig bei meiner Tante war und etwas Kraft getankt habe steuere ich wieder mein Haus an. Es ist bereits kurz davor zu dämmern. Das war eigentlich ein recht entspanntes Wochenende, das hat meine Seele jetzt gebraucht. Es ist lange her das ich mich so stabil auf den Beinen gespürt habe. Es wird langsam kühler. Auch wenn weiterhin die Gedanken in meinem Kopf wieder rauf und runter laufen. Sollte ich mein Glück noch einmal bei Hyunseung versuchen? Vor seinem Haus bleibe ich stehen und mustere es unsicher. Einerseits habe ich nichts zu verlieren, außer vielleicht meine Selbstbeherrschung. Andererseits wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Ich atme einmal tief durch und gehe auf seine Haustür zu. Was soll schon passieren? Ich klingele an der Tür und warte. Wenn er mir überhaupt die Tür öffnet. Ein wenig warte ich vor der Tür. Natürlich macht er nicht auf. Was habe ich auch anderes erwartet. Gerade als ich mich umdrehe zum Gehen höre ich wie die Tür sich öffnet. Ich drehe mich wieder um.

Hyunseung steht hinter der Tür nur und schaut mich an

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Hyunseung steht hinter der Tür nur und schaut mich an. „Oh... ähm, hi.", bringe ich heraus. Er schaut mich weiter an. Will er mich röntgen oder was soll das? Er seufzt, „Was möchtest du?". Eigentlich so einiges. Seelenfrieden. Ruhe. Einen Pool voll mit Schokopudding. Ich versuche den Augenkontakt mit ihm so gut es geht aufrecht zu halten, auch wenn es mir Gänsehaut bereitet und mein Herz mehr Sprünge auf einmal nimmt als es sollte. „Du fragst noch?" Er schaut etwas erstaunt ehe er den Augenkontakt abbricht. „Ich habe dir nichts zu sagen, geh nach Hause.", kontert er nach einer kurzen Schweigepause. Ich stemme meine Hände in die Hüfte. „Du hast mir also nicht zu sagen, warum du uns in eine Klokabine gesperrt hast? Warum du dich vor solchen Kerlen versteckst und warum die scheinbar auf der Suche nach dir sind?" werfe ich ihm an den Kopf. Er schweigt doch ich lasse das erst einmal wirken. Sein Blick trifft wieder meinen. „Ich habe dir schon früher gesagt halte dich da raus, jetzt mach das endlich und bleib mir fern." Damit knallt er die Tür vor mir zu. Er sperrt mich wieder einfach aus. Einfach aus allem, auch wenn es mich seit dem letzten Mal auch irgendwie betrifft. Wie kann ich ihn dazu verleiten mir das anzuvertrauen? Mir zu vertrauen? Bin ich wirklich eine so schreckliche Person das man mir nicht vertrauen kann? Als ich eine Träne meine Wange entlangrinnen spüre schüttele ich den Kopf. Und schon wieder hat er es geschafft meine Stabilität im Leben mit einer Handlung dem Erdboden gleich zu machen. Ich weiß nicht wie er das immer wieder hinkriegt, aber es tut weh. Es tut verdammt weh. Einige Regentropfen prallen gegen meinen Körper. Wenigstens überspielt das Wetter das ich schon wieder weine.

Ich stand noch einige Momente dort ehe ich zurück nach Hause gehe. Kaum das ich die Tür schließe fängt es auch schon an in Strömen zu regnen, passend zu meiner Laune. Marshmallow lechzt nach Bewegung, aber bei dem Wetter kann ich wohl kaum mit ihm raus gehen. Also sind wir beide gezwungen im Wohnzimmer zu hocken und Serien zu gucken, dessen Wiederholung mindestens zum zehnten Mal läuft. Marshmallow ist damit überhaupt nicht zufrieden. Gelangweilt springt er immer wieder von der Couch um seinen Lieblingsball zu holen, den ich immer einige wenige Meter werfe, aber das scheint ihn auch nicht sehr zu begeistern. Das ist aber ein super Wetter zum Nachdenken, was ich ja nicht schon genug mache. Wie ist der Stand bisher? Ah, stimmt ja. Ich wurde von jedem, von dem ich dachte er sei mein Freund, belogen. Sie alle verschweigen mir etwas. Etwas sehr wichtiges wie es scheint. Mir ist schon ganz schlecht davon. Bin ich einfach nur so naiv oder macht es ihnen sogar Spaß? Scheint als hätten sie alle Kontakt zu Hyunseung und gaukeln mir etwas anderes vor. Tolle Freunde habe ich hier, ich hätte einfach nie hier her zurückkommen sollen. Es beginnt bereits zu dämmern aber der Regen hält an. Am liebsten würde ich jetzt jedem einzelnen der Jungs so lange eine verpassen, bis sie mir endlich sagen was Sache ist und ich zufrieden mit meinem Leben zurückziehen kann um all das hier hinter mir zu lassen. Vor lauter Wut merke ich gar nicht, wie Marshmallow wieder vor mir winselt in der Hoffnung, dass ich seinen Ball werfe. Ich muss ganz dringend runter kommen. Also schlüpfe ich in eine Jacke, in meine Schuhe und setze mich wie üblich auf die Verandatreppe. Der Regen hat etwas beruhigendes, er lässt mich etwas klarer denken. Sollte ich den Jungs sagen, was ich weiß? Zumindest das ich weiß, dass sie mich anlügen. Soweit reicht mein Wissen. Vielleicht erklären sie mir dann alles. Sie werden ja auch ihre Gründe haben. Ich bin so in meinen Gedanken vertieft, dass ich gar nicht merke wie der Wind die nur angelehnte Tür aufdrückt und schon gar nicht, wie Marshmallow langsam hinaus tapst. Komplett entzückt von dem Wetter und dem plötzlichen Auslass jagt er in den Vorgarten um sich auszutoben. „Marshmallow! Komm wieder rein!" rufe ich ihm nach, aber er hört nicht auf mich. Er ist in seinem Modus alles auf den Kopf zu stellen und ziellos umher zu rasen. Das mulmige Gefühl in meinem Bauch wird immer größer, irgendetwas stimmt hier nicht. „Marshmallow bitte, komm jetzt rein!" flehe ich den kleinen Rüden an. Da er immer noch nicht auf mich hört gehe ich vorsichtig die nasse Verandatreppe hinunter und gehe auf ihn zu. „Marshmallow!" Er scheint mich einfach zu überhören.

Ich achte gar nicht richtig darauf, wo der Kleine hinrennt, der Regen ist viel zu stark um mit fast komplett zugekniffenen Augen alles auszumachen

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Ich achte gar nicht richtig darauf, wo der Kleine hinrennt, der Regen ist viel zu stark um mit fast komplett zugekniffenen Augen alles auszumachen. Ich höre nur sein Kläffen durch den prasselnden Regen. „Marshmallow, bei Fuß!" rufe ich ihm entgegen. Der Kleine ist so begeistert von all dem Nass und den fallenden Tropfen, dass er einfach blindlings losrennt. „MARSHMALLOW!" Das nächste was ich sehe ist ein Auto, was bei der starken Bremsung ein wenig ins schlittern kommt. Und der rot gefärbte Knubbel Fell, der auf der Straße liegt. Als würde die Welt still stehen geben meine Knie ganz langsam nach, bis sie platschend auf dem nassen Rasen aufschlagen. Der Fellball bewegt sich nicht mehr, kein Zucken mehr, nur das scharlachrote Blut, was vom Regen über die Straße getragen wird. „... Marshmallow?" langsam krabbele ich die paar Meter weiter um den roten Pelz des Tieres zu greifen und seinen platt gedrückten Leichnam mit zittrigen Händen auf meinen Schoß zu nehmen. Meine Sicht verschwimmt immer mehr, ich weiß gar nicht ob das was auch meine Hand tropft der Regen oder meine Tränen sind. Ein Stich erfüllt mein Herz. Zitternd streiche ich über sein Fell, in der Hoffnung noch etwas Leben in dem Welpen zu finden. Doch das einzige was passiert, ist das meine Hand sich in demselben rot färbt, wie es sein Fell getan hat. „...nein.", hauche ich.

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