Kapitle 32)

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Es funktionierte.
Morgens wachte ich in Wills Armen auf, wir frühstückten und er brachte mich zur Arbeit, wo ich den ganzen Tag unter Sauls Aufsicht stand. Abends holte Victor mich ab, wir trainierten- wobei er auch Schießen und andere überlebenswichtige Methoden einbaute- und danach fuhr er mich zurück nach Hause, wo Will meistens schon wartete. Wenn er nicht da war, war es Trace, der ein Auge auf mich hatte. Und obwohl ich unter ständiger Beobachtung stand, störte es mich nicht. Ich fühlte mich nicht eingeengt, der Freiheit beraubt oder unter Druck gesetzt, sondern lebte mein Leben einfach weiter. Mit der kleinen Ausnahme, dass Will jetzt darin war.
Kira kam nicht. Keine Drohungen erreichten mich. Niemand sah sie. Ich hatte Victor und Will davon in Kenntniss gesetzt, dass Trissa der Richter gewesen war, woraufhin Will ziemlich beunruhigt reagiert hatte, Victor aber besonnen geblieben war. Er hatte mein Trainings verstärkt, hatte Trissa suchen lassen- hierbei blieb das Resultat aus- und schärfte seiner Familie ein, mich noch stärker zu beschützen.
Will lud mich zum Samstag auf ein Date ein, nach dem Fußballspiel von Sky und Zed. Ich sagte zu, nicht ohne ein Gefühl des Unwohlseins zu verspüren, das ich aber weitgehend ignorierte. Mein Vater meldete sich nicht, und ich schrieb ihn nicht von mir aus an. Zed erzählte es nicht weiter, und auch Diamond, Victor und Trace hielten die Klappe, sodass niemand wusste, dass Will mein Seelenspiegel war. Zwei weitere Male holte ich meine Spezialltasche heraus, doch ich log Will nicht über den Gebrauch an. Er achtete darauf, dass ich mich nicht umbrachte, und ich verschwendete auch keine weiteren Gedanken daran. Auch die Leere schwand zunehmend, und wenn ich mich verletzen musste, dann wegen der Schmerzen, nicht wegen der Kälte. Aber auch die Schmerzen klangen häufiger schnell ab, wenn Will dabei war.
Am Samstagmorgen hatten wir unglaubliches Wetter. Es war heiß, aber es gab frische Brisen, die die Luft auflockerten, ab und zu zogen weiße Wolken vor die strahlende Sonne und verdunkelten den tiefblauen Himmel. Warme Sonnenstrahlen, die auf mein Gesicht fielen, weckten mich aus dem Schlaf. Mein Kopf lag auf Wills Brust, meine Arme daneben, seine waren- wie so häufig- sanft um meine Taille geschlungen.

Ich stützte mein Kinn auf seiner Brust ab und schielte zu ihm hoch. Will atmete gleichmäßig und ruhig, seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht wirkte friedlich. Er verfolgte mich häufig in meine Träume, aber das war nicht schlimm. Seit Tagen hatte ich keine schlechten Träume mehr gehabt, ich war nicht mit Panik aufgewacht, ich hatte morgens nicht das Gefühl gehabt, ich hätte überhaupt nicht geschlafen. Will behauptete, er hätte nie besser geschlafen, und wenn ich ihn morgens beobachtete, sah es wirklich so aus, als würde er gut schlafen.
"Hör auf mich anzugucken", murrte er verschlafen. Ich zuckte nicht zusammen, blinzelte nur. Schön, dass er auch wach war.
"Wieso? Es ist interessant", frotzelte ich. Zwar hatte ich häufig noch Angst, dass das alles nur eine Lüge sein könnte, doch langsam wurde ich mutiger. Vertrauen konnte man das nicht nennen, aber es war eine Spur Hoffnung.
Will öffnete die Augen und richtete sich leicht auf, sodass ich von ihm hinunterrutschte. Genervt rollte ich mich auf meine Seite des Betts und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Will stützte sich auf seine Ellenbogen, sodass er eine Handbreit über mir schwebte. "Wie lange bist du schon wach?"
Ich kniff ein Auge zusammen. "Paar Minuten."
Lustlos stand ich auf, schlurfte ins Bad und lehnte meinen Kopf gegen den kühlen Spiegel. Eigentlich mochte ich es, morgens im Bett zu liegen, aber manchmal- wie heute- hatte ich zu gut geschlafen und damit zu viel Energie, als dass ich es lange aushalten könnte. Schnell spühlte ich mir den Mund mit Wasser aus, fuhr mit mit der Haarbürste zweimal durchs Haar und ging dann zurück in mein Schlafzimmer, um mich anzuziehen.
Will, der es auf eine mir unerklärliche Weise schaffte, sich wahnsinnig schnell und leise anzuziehen, war bereits fertig. Ohne ihn darauf anzusprechen, ging ich zu meinem Kleiderschrank, der inzwischen zur Hälfte von Wills Sachen bevölkert war, und zog ein weißes Top und eine weitere meiner schwarzen Hosen heraus. Da ich Dank Phoenix und Sky Schwarz-Mangel hatte, hatte ich mir diesen Schwarz-Weiß-Dress angewöhnt. Manchmal trug ich auch anderes, oder, wenn es ging, nur Schwarz, aber das ging auch. Immerhin war es nicht wirklich farbig, nur ein wenig bunt.
Will wartete schon auf mich. Mein Handy war inzwischen fast immer geladen, da er sein Ladekabel- Carola- bei mir einquartiert hatte. Trace dagegen litt unter dem ständigen Akkumangel, und jetzt, wo ich keine Betroffene mehr war, konnte ich mich schön darüber lustig machen.
Will gab echt allen Dingen einen Namen. Sein Handy hieß Pia, und er hatte auch schon meine Sachen benennen wollen, doch bis jetzt hatte ich ihn davon abhalten können. Nur das Bett hatte einen Namen; Dilara. Auf meine Frage, wieso alles Frauennamen waren, hatte er nichts erwidert. Sein neuster Klient war ein Sachse, dessen Eltern eine Ölfabrik irgendwo hier in Colorado besaßen. Sie hatten sich in illegale Aktivitäten verstrickt, und befürchteten nun, ihr Sohn könnte dem Zorn der Feinde zum Opfer fallen oder etwas Derartiges. Jedenfalls hatte er sich mit seinem Sächseln zu meinem Gespött gemacht, als ich ihn und Will einmal zufällig traf.
"Wann musst du heute zur Arbeit?", fragte ich ihn abwesend, kontrollierte mein Handy auf Nachrichten und achtete deshalb nicht auf ihn. Ein Nachteil an seinem Bodyguardjob war, dass er auch Samstags arbeiten musste. Die Pisten hatten zwar auch fast immer offen, aber Saul verbot mir, am Wochenende zur Arbeit zu erscheinen. Sonntags wurde Will von einem Kumpel abgelöst, der extra für diese Wochenends-Jobs und die Nachtschichten angeheuert wurde.
"Jax übernimmt heute und morgen meine Schicht, weil ich inzwischen auch andere Verpflichtungen habe", sagte er und zwinkerte mir spitzbübisch zu.
Unwohl biss ich mir auf die Unterlippe. "Will... ich möchte dich nicht an deiner Berufstätigkeit hindern!"
Abwehrend schüttelte mein Seelenspiegel den Kopf. "Ich will mir freinehmen, Lake. Das ist meine Wahl, und ich bin zufrieden, so, wie mein Leben momentan ist."
Wir trafen im Flur auf Trace, der versuchte, Natascha zu finden. Natascha war Wills Name für Diamonds Ladekabel, das diese immer versteckte, damit Trace nicht darankam. In seiner linken Hand sah ich sein Handy, an dessen oberen Rand ein rotes Lämpchen leuchtete. Mitleid mit meinem Gastgeber überkam mich, aber nicht genug, um Carola an ihn zu übergeben.
"Such mal unter ihren Klamotten", tippte ich, "das häufigst gebrauchte Versteck."
Zweithäufigste, aber ich würde ihm auf keinen Fall verraten, wo Natascha war- Diamond bewarte sie unter diversen Hygienemittelchen auf, und an die würde ich Trace niemals lassen. Vielleicht hatte Di ja auch ein Zweitversteck und gerade war Natascha da, oder sie hatte ein zweites Ladekabel.
"Danke", brummte Trace missmutig und ging in Richtung Diamonds Zimmer davon. Will sah seinem Bruder mitleidlos hinterher. "Du weißt, wo sie ist, oder?", fragte er dann belustigt.
 "Wer?", fragte ich scheinheilig zurück.
"Natascha", antwortete er, während wir unseren Weg in die Küche fortsetzten.
"Wie kommst du denn darauf?", flötete ich. "Okay, ich hab's herausgefunden, bevor Carola eingezogen ist, weil mein Handy ständig abgetreten ist. Frag nicht, ich sag' dir sowieso nicht, wo sie ist, das ist Staatsgeheimnis."
"Wieso kaufen du und Trace euch eigentlich keine eigenen Ladekabel?", fragte Will verwundert. Ich warf ihm einen spöttischen Blick zu. Diese Frage war nicht wirklich abwegig, aber Trace und ich waren beide strikt dagegen, uns ein neues Ladekabel anzuschaffen, solange wir noch nicht über den Verlust des letzten weg waren.
In der Küche saß Diamond und aß Joghurt. Zwar kochten wir morgens häufig Pfannkuchen, oder auch anderes, aber es gab auch Tage, an denen wir alle auf einmal zu faul waren, um uns ans Kochen zu machen. Da ich heute auch auf keinen Fall etwas gemacht hätte, hatte ich schon damit gerechnet, dass es Di genauso ging.
"Haste noch mehr?", fragte ich und ließ mich neben sie auf einen Stuhl fallen. Stumm schob sie mir einen zweiten Joghurtbecher und einen Löffel hin, den sie scheinbar schon für mich rausgeholt hatte. Will lehnte sich an die Küchenanrichte und nahm sich ein Brötchen aus dem Korb.
"Gut geschlafen?", fragte Will Diamond, da wir beide nicht auf Smalltalk auswaren und von uns aus keine Unterhaltungen anfingen.
"Hm", brummte sie, schob einen weiteren Löffel in ihren Mund und blickte weiter an mir vorbei, als würde sie einen Punkt in weiter Ferne fixieren. Das tat sie morgens häufig, wenn sie sich in ihr warmes Bett zurücksehnte. Oder, wenn sie an ihren Vater dachte, aber dann war ihr Gesichtsausdruck nicht so ruhig.
Ich riss den Deckel von meinem Joghurt, rührte einmal und fing dann an zu essen. Will bequemte sich und ließ sich neben mir auf den Stuhl nieder, sodass ich zu beiden Seiten umgeben war. Ein Sonnenstrahl schaffte es, durch die Fenster zu kommen und fiel direkt in mein Gesicht. Ich kniff die Augen zusammen, bis ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte und beschäftigte mich weiter mit meinem Essen.
"Wann fängt das Fußballspiel nochmal an?", nuschelte ich.
"Vier Stunden", antwortete Will knapp. "Wir haben noch reichlich Zeit. Hast du Lust, schwimmen zu gehen?"
Ich sah ihn scharf an. Natürlich hatte ich Lust, schwimmen zu gehen, ich liebte schwimmen, aber meine Arme waren zu offensichtlich. Wenn Diamond mitkommen wollte, würde ich es nicht verbergen können. Ich war seit ich nach Denver gezogen war, nicht mehr schwimmen gewesen. Das war mein absoluter Rekord, normalerweise hielt ich es keine fünf Tage aus. Und auch klettern war ich zulange nicht mehr gewesen, aber immerhin verbrachte ich den ganzen Tag auf Skiern und Kampfsport trieb ich Dank Victor genug. Von Krafttraining ganz zu schweigen; Victor erhöhte ständig meine Trainingseinheiten, neulich wollte er von mir, dass ich zwanzig Klimmzüge machte. Bei 16 hatte ich abbrechen müssen, woraufhin er sich die ganze Zeit über mich lustig gemacht hatte. Inzwischen wusste ich, dass er das ausschließlich tat, um mich anzuspornen, Victor tat sowieso das meiste nur aus produktiven Gründen. Ich hatte ihn kaum einmal etwas tun sehen, nur weil er es wollte, weil es ihm Spaß machte oder weil ihm langweilig war.
>Sie wird nicht mitkommen, Di hasst Wasser. Weißt du das nicht?<, meldete er sich in meinem Kopf. Nein, das wusste ich nicht. Kurz bissen Schuldgefühle zu, weil ich diese Tatsache über meine Freundin nicht wusste, aber dann wandte ich ein, dass sie es mir gesagt hätte, wenn ihr wichtig gewesen wäre, dass ich es wusste.
Und tatsächlich, Di schüttelte abwehrend den Kopf. "Na dann, viel Spaß, ich komme nicht mit."
Sie stand auf, schmiss ihren leeren Yoghurtbecher weg und tat den Löffel in die Spüle. "Lake, wir machen morgen einen Frauenabend. Will, du und Trace, ihr beide müsst ausziehen. Seit du da bist, habe ich Lake kaum noch für mich", bestimmte Di. Es stimmte, wir beide sahen uns kaum alleine. Zwar hatten wir in den vergangenen Tagen häufig etwas zusammen unternommen, aber Trace oder Will waren fast immer dabei gewesen, und ich vermisste meine Freundin.
"Und was ist mit Kira und Trissa?", fragte Will sofort. Sorge um mich stand in seinem Gesicht, wie immer, wenn das Thema zu meiner ständigen Überwachung wanderte.
Diamond verdrehte die Augen. "Sie werden nicht ausgerechnet dann angreifen, wenn ihr einmal nicht da seid. Victor überwacht die Umgebung ständig; wenn einer von den Beiden auftauchen würde oder sich in unserer Nähe aufhalten würde, würde es ihm sofort auffallen. Wir brauchen auch mal Zeit für uns, Will."
Trotz seiner Angst willigte Will ein, weil er akzeptierte, dass ich nicht für immer unter Beobachtung stehen konnte. Wir entschlossen uns, einfach hier im Pool baden zu gehen, da Diamond sowieso los musste, um mit Trace eine Party für ihren kommenden Geburtstag zu organisieren. Auch so ein Seelenspiegel-Ding; man hatte in 14 Tagen umeinander herum Geburtstag, und da Trace letzten Sonntag Geburtstag hatte, war sie morgen dran. Die Beiden hatten tatsächlich die Grenzen komplett erwischt, während Will nur neun Tage älter war als ich. Sky hingegen war elf Tage älter als Zed, aber sie behauptete, sie hätte im März Geburtstag- ihr Adoptionsdatum- was sie noch einmal um fünf Monate älter machte.
In den Sachen, die Sky und Phoenix für mich besorgt hatten, war auch ein Bikini dabei, aber den konnte ich sogar anziehen. Hier hatten sie auf ihren Instinkt was mich betraf geachtet. Er hatte lange Shorts in Schwarz-Rot und ein Bikini-Oberteil in den selben Farben.
Zögernd stand ich am Rand des Pools und betrachtete das ruhige Wasser. Will saß noch auf einer Liege, weil er behauptete, ihm würde noch zu kalt sein. Das konnte eigentlich nicht sein, da es immer heißer wurde, aber ich widersprach nicht. Langsam ging ich etwas in die Knie, bückte meinen Oberkörper nach unten und legte meine Finger an den Beckenrand. Konzentriert starrte ich auf das Becken vor mir, lehnte mich zurück und spannte meinen Körper an. Dann zog ich mich mit einem Ruck an den Händen nach vorne und drückte mich mit den Füßen kräftig ab. Kurz flog ich über der Oberfläche, bis ich mit den Händen zuerst nach in das spiegelnde Wasser brach. Mit dem kühlen Nass glitt alle HItze von meinem Körper. Das Wasser war klar, sodass ich perfekt sehen konnte. Fünfzehn Meter vor mir sah ich die weiße Stirnseite, unter mir die blaue Linie, die meinen Kurs anzeigte. Langsam und kräftig bewegte ich meine Arme, bewegte mich schnell durchs Wasser und genoss es, wie meine Energie in meine Schwimmzüge glitt.
Die Wand rückte näher, ich sah, wie sich das Wasser an der Oberfläche kräuselte, sobald ich in Reichweite kam. Mich erreichten hier unten keine Geräusche, es war totenstill. Den leichten Druck auf meinen Ohren genoss ich, er hieß mich Willkommen.
Dann spürte ich die raue Wand an meinen Händen. Ich machte einen letzten Armzug, bis ich mit der Nase fast an die Wand stieß, vollzog eine Wende und stieß mich mit den Füßen wieder ab. Während ich durch das Wasser zurücktrieb, drehte ich mich wieder so, dass mein Bauch unten war, und machte den nächsten Schwimmzug, um den Schwung mitzunehmen. Langsam ging mir die Luft aus, aber ich wusste, dass ich es noch sicher bis zum anderen Ende schaffen würde. Ich konzentrierte mich auf meine Umgebung, nicht auf mich, beruhigte meinen Herzschlag, meine Schwimmzüge wurden gleichmäßig und ruhig.
Das Wasser war jetzt in Bewegung, durch meinen Tauchgang aufgewirbelt, leichte Rückstöße meines Hinwegs trafen mich. Ich fröstelte fast, als ich mich der Wand näherte, obwohl das Wasser warm war. Die Sonnenstrahlen von draußen fühlte ich deutlich auf meinem Rücken, ich sah, wie meine Haare feuerrot um meinen Kopf herumzogen. Als ich meinen Anfangspunkt erreichte, richtete ich mich unter Wasser auf, setzte die Füße auf den Boden und stand dann auf, sodass mein Kopf wieder an der Luft war. Ich holte einmal tief Luft, behielt sie in der Lunge, bevor ich sie langsam ausstieß und erneut einatmete. Währenddessen rieb ich mir das Wasser aus den Augen.
Oh Gott, wie sehr ich das vermisst hatte.
"So, wie du aussiehst, könnte man glatt denken, du hättest deine beste Freundin nach dreißig Jahren, in denen du sie tot geglaubt hast, wiedergefunden", scherzte Will, der aufgestanden war und zu mir kam. Er trug eine schwarze Badehose, die ihm bis zu den Knien ging, und wunderbar viel Oberkörper zeigte.
"Quatsch, von wegen, beste Freundin. Das ist mein Ehemann", flachste ich, als er neben mir ins Wasser fiel. Ich drehte mein Gesicht weg, um das aufspritzende Wasser nicht abzubekommen und schützte meinen Kopf mit den Armen.
"Insofern sollte ich dich jetzt ganz schnell hier weg schaffen, sonst werde ich eifersüchtig", sinnierte Will schmunzelnd. Ich stützte mich mit den Ellenbogen auf dem Beckenrand ab und ließ meine Beine nach oben treiben. "Einverstanden, es ist meine beste Freundin."
Er schwamm um mich herum und stellte sich dann auf meine linke Seite. Ein Auge kniff ich gegen die Sonne zu, mit dem anderen sah ich unschuldig zu ihm hoch. Will wandte kurz den Blick von meinen Augen auf und sah zu den Schnitten auf meinen Armen, die hellrot leuchteten. Meine Haare, die mir ins Gesicht hingen, waren jetzt eher Schwarz als alles andere, durch die Nässe.
"Du siehst gerade echt wahnsinnig heiß aus", flüsterte er. Seine Lippen näherten sich meinen.
"Ach ja?", spöttelte ich. Seine blaugrünen Augen blitzten schelmisch, ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. Will stoppte zirka einen Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, stützte die Hände zu beiden Seiten von meinen Schultern am Beckenrand ab und tat so, als würde er nachdenken, was er tun sollte. Ich nahm ihm die Entscheidung ab, indem ich meinen Kopf nach oben reckte und den Abstand zwischen uns schloss. Will schloss zwar die Augen, tat aber sonst nichts, sodass ich lenken musste. Die stumme Aufforderung, zu beweisen, dass ich ihm genug traute, um meine Ängste, dass er nichts mehr von mir wollen würde, beiseite zu schieben und ihn zu küssen. Kurz entschlossen schlang ich meine Arme um seinen Hals, zog mich an ihm weiter aus dem Wasser und drückte meinen Körper an seinen. Vielleicht war es auch eine Falle gewesen, vielleicht löste er sich gleich und lachte mich aus, aber ich musste anfangen, ihm ein wenig zu vertrauen. Selbst wenn mein Vertrauen missbraucht wurde, ich würde Schmerzen haben, aber es würde nicht der Weltuntergang sein. Dann wurde ich eben betrogen. Dann war das hier alles nur ein grausamer Scherz. Was war schon dabei?
Ich würde wegziehen. Ich würde vielleicht mein Leben beenden. Vielleicht würde ich auch zum Militär gehen. Egal, was geschehen würde, es war nicht schlimmer, als der Tod meiner Mutter, und den hatte ich schließlich auch irgendwie verkraftet.
Will setzte mich auf den Beckenrand, schob seinen Körper zwischen meine Beine und hielt mich fest. "Danke", wisperte er an meine Lippen, bevor er mich wieder küsste. Noch nicht. Mein Schritt war nicht der Fehler gewesen. Noch keiner meiner Schritte war ein Fehler gewesen, obwohl wir das hier schon seit fast einer Woche durchzogen.
Und nachher hatte ich ein Date. Das erste in meinem Leben. Hoffentlich auch das letzte. Ich hielt nicht viel von diesem Arrangement, aber Will meinte, es würde dazugehören. Vielleicht tat es das ja auch, er hatte immerhin mehr Ahnung von so etwas als ich. Mir viel ein, was mein Vater mir einmal gesagt hatte: Selbst der deffensivste Spieler wird irgendwann in den Sturm gehen müssen, um das Spiel zu gewinnen. Guter Rat, schlechter Rat, hin oder her, ich würde ihm folgen.




Relieving Lake (Die Macht Der Seelen- FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt