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"Keine Sorge, der wird sich bestimmt wieder einkriegen", hörte ich meine Schwester aus dem Badezimmer rufen.

"Nein, du kennst ihn nicht. Er war schon vor ein paar Monaten total distanziert. Wahrscheinlich wars das für immer. Liebe kann man nicht erzwingen Nikolina."

Meine Schwester kam mit einem Handtuch um die Brust und einen um den Kopf in mein Zimmer und setzte sich zu mir aufs Bett. "Du bist zu gut für das, für ihn. Sieh dich an", sie zeigte an mich herunter, "du musst dich auf dich konzentrieren. Er tut dir nicht gut, diese Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt." Sie zwinkerte mir zu um mich daran zu erinnern, was meine Beziehung zu einem Schweizer so schwierig gestaltet hatte.

"Komm schon, Mama und Papa haben ihn geliebt", gab ich etwas beleidigt zurück. Meine Trennung mit Jonas war jetzt zwei Monate her und ich fühlte mich hin und her gerissen mit meinen Gefühlen.

"Mama konnte ihn nicht ausstehen! Er war zu spiessig, hatte keine Manieren und hat dich und uns alle überhaupt nicht geschätzt, weder was du bist noch deine Traditionen!", Nikolina zeigte auf mich mit ihrer Haarbürste. Sie spielt wahrscheinlich auf die Weihnachtsgeschichte vor einem Jahr an. Als Orthodoxe Serbin haben wir am 7. Januar Weihnachten, was für viele Katholiken unverständlich ist. Mein Ex Freund hat das ebenfalls überhaupt nicht verstanden und es für lächerlich gehalten mir dann gute Weihnachten zu wünschen, dies hat immer, jedes Jahr für schlechte Stimmung in meiner Familie gesorgt. Ich wusste das. Viele Jahre habe ich um unsere Beziehung gekämpft und meine Eltern sowie Geschwister vernachlässigt. Ich stand auf und ging ins Badezimmer, gab Nikolina einen Kuss auf die Backe und sah sie an.

"Du hast Recht, es ist wahrscheinlich besser so", sie sah mich an und legte ihre Bürste weg.

"Hör auf dir Gedanken über jemanden zu machen der nicht einen Moment an dich denkt", sie kramte in der Schublade nach ihrem Föhn und sah mich verwundert an.

"Ist noch was?"

"Wo gehst du überhaupt hin, Schwesterherz?", fragte ich mit zuckersüssem Lächeln.

"Ich geh mit Freunden in die Stadt und du meine Liebe kommst mit", sie drückte mich weiter ins Badezimmer.

"Nein, ich muss mich für meinen Job am Montag vorbereiten und ich habe auch total keine Lust mit dir und deinen Freunden abzuhängen", ich sah an mir hinunter, " und vor allem habe ich auch nichts anzuziehen." Bei dem letzten Satz sahen wir uns beide an und fingen an zu lachen.

"So liebe ich dich! Auf gehts."

Zwei Stunden später waren wir in der Stadt und ich wurde sofort mit Fragen über Zürich überhäuft. Da ich die letzten zwei Jahre dort gelebt hatte, waren natürlich alle neugierig warum ich wieder zurück in der Kleinstadt war. Ich hatte mir schon Zuhause Gedanken darüber gemacht, welche Lüge ich den Leuten auftischen sollte, schliesslich entschied ich mich doch für die Wahrheit.

"Mein Freund hat mich, sagen wir es mal so, aus der Wohnung geschmissen und das ist noch nett ausgedrückt", ich wurde von vier Augenpaaren angestarrt.

"Was? Jonas hat sich von dir getrennt? Und wir erfahren das erst jetzt?", Emilia die beste Freundin von meiner Schwester sah mich mit vorwurfsvollen Augen an. Da ich mich vor den Kopf gestossen fühlte, brachte ich kein Wort heraus, zum Glück war Nikolina bei mir.

"Mädels, lasst sie doch zuerst mal zu sich kommen. Sie sind nicht lange getrennt, Tea hat erst seit einem Monat einen neuen Job und will einfach ihr Leben regeln ohne ständig an diesen Idioten erinnert zu werden", stumm sah ich meine Schwester an und formte ein "Dankeschön " mit den Lippen. Sie zwinkerte mir zu und wechselte das Thema in Lichtgeschwindigkeit. Meine Gedanken schweiften wieder zurück zu Jonas und unserer vergangenen Zeit. Ich war es Leid an ihn zu denken und mir auszumalen es würde sich noch etwas zwischen uns verändern. Seit Wochen hatte ich nichts mehr von ihm gehört und in Zukunft würde sich dies wahrscheinlich auch nicht ändern. Die ersten Wochen waren ziemlich hart gewesen, wenn man bedenkt dass ich mit ihm vier Jahre meines Lebens verbracht habe, schien mir der Schmerz unvergänglich. Wir waren ein Herz und eine Seele doch mit der Zeit hatte er sich verändert und mich weiter aus seinem Leben gedrückt, bis nichts mehr von mir bei ihm Platz hatte.

"Erde an Tea?", eine weitere Kollegin von Nikolina stupste mich an und grinste.

"Ich glaube Tea checkt schon den Nächsten ab", bei diesem Satz wurde ich rot und begriff, dass ich eine Gruppe Männer angeglotzt hatte. Völlig beschämend drehte ich meinen Kopf weg nur um in grüne Augen gegenüber zu blicken. Wie von einer überirdischen Kraft angezogen konnte ich meinen Blick nicht von den Augen abwenden, welches Gesicht diese Augen trugen erkannte ich nicht, da der Moment viel zu schnell vorbei war und ich von der Seite mit gezerrt wurde.

"Was ist denn heute Abend bloss los mit dir?", meine Schwester nahm mich grinsend in den Arm.

"Es war einfach nur eine harte Woche, lass uns endlich mal Spass haben", Nikolina und Emilia verkniffen sich ein Lachen und die Nacht bekam Flügel.











Das Wochenende war schneller vorüber als ich mir gewünscht hätte. Ich las gerade in meinem Buch als meine älteste Schwester Diana ins Zimmer auf mich stürzte.

"Nervensäge, habe ich dich vermisst!", sie schmatze mich ab von oben bis unten und liess mich kaum zu Luft kommen.

"Okay, okay. Womit habe ich das verdient, wir haben uns doch schon gestern gesehen", ich drückte sie von mir herunter und sie sah mich an.

"Ich habe gerade mit Nikolina und Mama gesprochen, zum Glück ist es aus mit diesem Joram", Diana fuchtelte mit den Händen vor meinem Gesicht herum.

"Du meinst wohl Jonas?", ich lachte lauthals vor mich hin und starrte in das gelangweilte Gesicht meiner Schwester.

"Von mir aus kann er auch Brad Pitt heissen, so langweilig wie der war findet er nie wieder eine. Vor allem keine wie dich. Dich gibt es nur einmal", sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und sah mich ernst an.

"Was soll die Gefühlsduselei am frühen Morgen Diana? Du benimmst dich als ob du wieder sch..", kaum habe ich das Wort ausgesprochen umarmte sie mich und fing an zu weinen.

"Nein?", sagte ich verblüfft. "Ich werde zum zweiten Mal Tante?", ich stand auf und lief in das Esszimmer wo Nikolina und meine Mutter ihren morgendlichen schwarzen Kaffee tranken.

"Ja, sie ist wieder schwanger und bei Gott ich bete, dass es dieses Mal ohne Komplikationen verläuft", meine Mama bekreuzigte sich und gab mir einen Kuss auf die Backe als ich ins Zimmer trat. Diana folgte mir und umarmte mich von Hinten.

"Ihr werdet tolle Tanten, das weiss ich schon jetzt", Niki sah uns an und hätte fast geweint vor Freude.

"Apropos Tante, wo ist Tina überhaupt?", Tina war die dreijährige Tochter meiner Schwester Diana und das süsseste Geschöpf das diese Erde je hervorgebracht hatte, aber sagten das nicht alle Tanten?

"Sie ist mit Marko im Hallenbad, ich durfte mir einen freien Morgen mit meinen Frauen wünschen", Diana setzte sich an den Tisch und las Zeitung an ihrem iPad. Ich stand noch etwas unbeholfen im Raum, bis mich meine Mutter ansah.

"Willst du hier Wurzeln schlagen?", sie lachte und deutet auf mich.

"Ich mach mir Kaffee, will noch jemand was?"





Stunden und zahlreiche Gespräche später lag ich frisch geduscht in meinem frisch bezogenen Bett, ich genoss ein gutes Buch und hörte Musik als mir die grünen Augen von gestern Abend in den Sinn kamen, ich konnte mich nicht an das Gesicht dahinter erinnern.. kaum schweiften meine Gedanken ab bekam ich eine Nachricht von meiner Chefin. Sie würde mich morgen zum Mittagessen in ein neues Local gegenüber vom Krankenhaus einladen, ich antwortete ihr schnell zurück und fand mich schon im Ordner mit den Fotos von mir und Jonas. Ich fand das Foto vor einem Jahr wo wir zusammen im Urlaub waren. Wir badeten im Meer und sonnten uns bis er so starken Sonnenbrand bekommen hatte, dass er sich zwei Tage nicht aus dem Hotelzimmer getraut hatte. Ich sah mir den Mann, mit dem ich vier Jahre verbracht hatte genauer an. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr schmerzte es mich. Am meisten vermisste ich die täglichen Rituale nach der Arbeit, das zusammen einschlafen und die späten Gespräche, natürlich auch die körperlichen Vorteile einer Beziehung. Doch ich hatte das Gefühl, dass ich diesem Teil unserer Beziehung schon länger nachtrauern würde, er war nicht mehr der Mann in den ich mich verliebt hatte. Wer weiss, vielleicht hat er mir auch einen Gefallen getan.

Wie ein Regentropfen auf der HautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt