In den nächsten Tagen verlässt Eden ihr Zimmer nur, um ins Badezimmer zu gehen. Sie hockt den ganzen Tag auf ihrem Bett, blättert lustlos in den wenigen Büchern die sie hat, herum. Manchmal sieht sie stundenlang aus dem Fenster. Kein Mensch scheint sich dafür zu interessieren. Reena und Dylan nicht. Sherry und Tina nicht. Nancy, Carla und Tyra nicht. Dr. Carson nicht. Und Negan auch nicht. Nur Amber bringt ihr drei Mal täglich ihr Essen.
Seit Tagen regnet es, es ist deutlich wärmer geworden. Frühling. Es wirkt aber nicht so, als würde das Leben neu erwachen. Es wirkt, als würde alles ein wenig mehr sterben. Wenn Eden aus dem staubigen Fenster sieht, sieht sie nur Grau. Die grauen Wände der Fabrik, der dunkelgraue Himmel, der gräuliche Regen. Alles grau. Alles tot.Plötzlich klopft es. Amber schon wieder? Das Abendbrot ist doch schon vorbei. "Ja?", sagt Eden. Ihre Stimme krächzt. Negan. Ist ihm eingefallen, dass er noch eine Frau hat?
"Man, du schaust ja noch mürrischer als sonst. Ich dachte, das geht gar nicht.", stellt er fest. Er sieht besorgt aus.
"Was willst du?", fährt Eden ihn an, "Ficken?"
Er spreizt abwehrend die Hände. "Nein. Hab ich sch...", er mustert sie, "Der Doc war bei mir. Er meinte, ich sollte mal mit dir reden."
Carson, dieser blöde Sack. Gibt's nicht sowas wie ne Schweigepflicht?!
"Hat er dir gesagt, warum?", fragt Eden gereizt.
"Ney. Eden, was ist verdammt noch mal los mit dir? Bist du krank?" Er klingt anders als sonst. Wirklich besorgt. Eden macht das nur noch wütender.
"Nein.", sagt sie nur, "Mir geht's prima."
Negan seufzt. "Das sieht mir aber nicht so aus. Du hast seit Tagen dein Zimmer nicht verlassen..."
"Was soll ich denn machen?! Ich darf ja nicht raus. Carson will mich auch nicht mehr! Und du...", Eden bricht mitten im Satz ab. Hast mich geschwängert und dann komplett vergessen, fügt sie in Gedanken hinzu.
"Und ich?", fragt Negan provokant, "Ist es das? Bist du eifersüchtig?" Der Gedanke scheint ihm zu gefallen, denn er grinst. Er kommt auf sie zu.
"Bestimmt nicht!", faucht Eden und geht einen Schritt zurück. Die Sorge in Negans Augen wird zu Wut.
"Jetzt reicht's aber!", blafft er, "Hör sofort auf, hier rumzuzicken! Wie alt bist du? 12?", er packt ihre Ellenbogen und zieht sie zu sich. "Du sagst mir jetzt sofort, was los ist!", fügt er leise hinzu. Eden sieht ihn trotzig an. Was solls? Wenn sie es ihm nicht sagt, wird es Carson tun.
"Ich bin schwanger.", sagt sie. Ihre Stimme zittert. Negans Augenbrauen schnellen in die Höhe. Damit hat er nicht gerechnet.
"Von mir? Wir haben doch immer...", stammelt er verwirrt.
"In der Abstellkammer nicht. Ja, es ist von dir.", sagt Eden nur.
Er sieht wirklich erschüttert aus. Sein Mund formt ein 'Oh'. Na, dass ich das mal erleben darf, denkt sie, der große Negan ist sprachlos.
"Und wie...äh...findest du das?", fragt er nach einer Weile.
"Wie soll ich das finden? Scheiße, finde ich das. Ich will's nicht. Aber Carson will mich nicht abtreiben lassen, ohne deine Zustimmung."
Negan lässt sie los, seine Arme baumeln an ihm herab. Er beginnt auf und ab zu laufen. Man hört förmlich sein Gehirn rattern.
"Stimmst du zu?", fragt Eden leise und lässt sich auf das Bett sinken. Sie fühlt sich schon wieder komplett ausgelaugt. Negan sagt nichts. Er geht auf und ab, wie ein Tiger in seinem Käfig. "Negan?", fragt sie nach einer Weile, "Es wäre falsch. Schau dich doch mal um. Was wir sind, was wir tun, wie wir leben. Die Grausamkeit, der Tod, die Hoffnungslosigkeit. Dies ist keine Welt für ein Baby. Das wäre... pervers. Und du...", sie bricht erneut mitten im Satz ab. Bist ein Monster, der dieses Kind auch zum Monster machen würde, fügt sie in Gedanken hinzu.
Er sieht auf. "Und ich...?", fragt er erneut.
"Was willst du mit einem Kind? Das würde dich doch nur schwach und angreifbar machen.", sagt sie nach einer Weile. Er scheint darüber nachzudenken. Dann lässt er sich neben sie auf das Bett sinken.
"Ich will nicht, dass du's abtreibst.", sagt er und sieht sie entschlossen an.
"Wie bitte?", stößt Eden empört hervor, "Das kannst du nicht..." Negan unterbricht sie mit einer wegwerfenden Handbewegung.
"Ich denke, das wäre falsch.", sagt er, "Du hast recht. Diese Welt ist am Arsch. Alles was wir uns über Jahrtausende aufgebaut haben, ist weg. Aber es ist auch eine Chance. Eine Chance, neu zu beginnen. Etwas neues, besseres aufzubauen. Und mir gefällt der Gedanke, dass ich meinen Beitrag dazu leiste.", in seine Augen blitzt Begeisterung auf, "Im Moment geht's ums Überleben. Aber was kommt danach? Was kommt nachdem die Beißer endgültig verrottet sind? Dann müssen wir von Vorne anfangen. Die Zivilisation wieder aufbauen. Und das können und sollten wir nach unseren Vorstellungen tun. Und wenn ich das nicht mehr erlebe, möchte ich, dass es mein Sohn oder meine Tochter tut."
"Du bist größenwahnsinnig.", schlussfolgert Eden fassungslos.
"Das nennt man Optimismus. In schlechten Dingen, das Gute sehen. Solltest du auch mal versuchen.", belehrt er sie und wirkt dabei plötzlich ziemlich fröhlich.
"Ich kann deinen Optimismus aber leider nicht teilen.", sagt Eden langsam. "Aber was ich will, spielt mal wieder keine Rolle, nicht wahr?", stellt sie dann resigniert fest. Negan mustert sie kurz.
"Du würdest einen Fehler machen...", beginnt er.
"Einen Fehler? Dass ich schwanger bin, ist ein Fehler. Dass ich mit dir verheiratet bin, ist ein Fehler. Dass ich überhaupt hier bin, ist ein riesiger, verschissener Fehler! Negan, ich bitte dich, ich flehe dich, wenn du willst, auf Knien an...lass mich ein Mal, nur dieses eine Mal, allein über mich entscheiden." Sie spürt die Tränen in ihren Augen brennen. Heul jetzt bloß nicht, denkt sie, er hasst Schwäche!
"Nein.", sagt er und sein Blick wird hart. Eden spürt, wie alle Luft aus ihr weicht wie aus einem Luftballon. Sie fällt in sich zusammen. Sie sieht aus dem Fenster. Dicke Tropfen laufen an der Scheibe herab. Wie, als würde da jemand um sie weinen.
"Eden, versteh doch...", hört sie Negan sagen.
"Ich verstehe.", unterbricht sie ihn, "Ich gehöre dir. Ich tue, was du sagst. Mein Körper gehört dir. Du gewinnst, du bekommst, was du willst." Sie steht auf und verlässt das Zimmer. Negan schaut ihr wortlos hinterher.
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The Girl With The Bat (TWD/Negan FF)
Fanfiction"Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Bertolt Brecht, Die Dreigroschenoper Ihre sind grün und seine sind dunkelbraun, fast schwarz. Sie ist eine Einzelgängerin, eine Diebin. Er ist ein Anführer, ein Diktator. Sie beide sind Überlebende. Ü...