Kapitel 37: Zombie

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Es dauert eine ganze Weile, bis sie Liam findet.
Carson braucht sie und lässt sie nicht einfach so verschwinden. Mehr als dreißig Saviors haben sie zur Oceanside geschickt, knapp zwei Drittel haben schwere bis tödliche Verletzungen davon getragen. Sie weiß nicht, wie lange sie jetzt schon amputieren und flicken, aber es kommt ihr wie einige Ewigkeit vor.
"Das war's.", spricht Carson endlich die erlösenden Worte, als die letzte große Brandwunde verarztet und bandagiert ist.
Eden springt sofort auf und macht sich auf die Suche nach Liam. Der Platz um den Truck leert sich langsam, alle Verletzten werden nach und nach ins Gebäude geschleppt.
Als sie Liam findet, der neben zwei anderen hinter dem Truck liegt, wird ihr klar, warum sie ihn bisher nicht gefunden hat: Carson hat ihn in die Kategorie "Hoffnungslos" eingeordnet.

Ein Großteil seines ehemals schönen Gesichts ist verbrannt, man sieht verkohltes Fleisch, Knochen. Verdammt, man sieht teilweise seinen Schädel! Sein ganzer Körper sieht aus, als hätte er eine zeitlang lichterloh gebrannt. In seiner rechten Seite klafft ein Loch, welches durch das Feuer notdürftig verschlossen wurde.
Sein Anblick lässt sie erstarren, sie schlägt die Hände vor den Mund. Oh nein. Bitte, lass das alles ein Albtraum sein.
Sie sinkt neben ihm auf den Boden, sein Atem geht rasselnd und flach. Sie greift nach seiner linken Hand, obwohl auch sie mit Brandblasen überzogen ist.
"Liam!", ruft sie ihn und drückt leicht seine Hand, "Ich bin hier. Ich werde dir helfen. Du wirst nicht..."
Sie verschluckt das letzte Wort. Es wäre eine Lüge. Dass er überhaupt noch lebt, ist angesichts seiner Verletzungen kaum zu glauben. Sie kann nichts für ihn tun. Selbst ein Toparzt in einem Topkrankenhaus könnte jetzt nichts mehr tun. Sie kann ihm jetzt nur noch beim Sterben zusehen. Sie hat dies schon sooft gesehen, sooft haben Menschen vor ihren Augen den letzten Atemzug getan. Sie hat sich mittlerweile damit abgefunden, dass früher oder später jeden dieses Schicksal ereilt.
Aber dies ist etwas anderes. Es ist so sinnlos, so ungerecht. Wieso er? Wieso musste es ihn treffen? Wieso hat sie ihn mit dort hingeschickt...? Tränen steigen in ihre Augen, verschleiern ihre Sicht. Sie fällt neben ihm zusammen.
"Es tut mir so leid.", flüstert sie. Er versucht zu antworten, aber es ist nur ein Krächzen. Vielleicht ist es auch ein Schmerzensschrei, er muss unerträgliche Schmerzen haben. Oh, fuck. Liam. Hätte sie ihn nur früher kennengelernt. Hätten sie nur mehr Zeit miteinander verbringen können. Hätte sie nur wenigstens noch ein einziges Mal gemeinsam Musik machen können.

Sie streicht über seine Hand, murmelt beruhigend vor sich hin. Wohl eher, um sich selbst zu beruhigen, als ihn.
"Meine erste Gitarre hab ich mit vier Jahren bekommen.", hört sie sich sagen, "Sie war ganz klein, damit ich meine Arme drumherum bekommen habe. Sie war hellbraun und mein Grandpa hatte einen Pferdekopf in den Korpus eingraviert. Sie war wunderschön... und es war wie Magie als ich mein erstes Lied darauf spielen konnte."
Liam gibt ein Seufzen von sich.
"Ich weiß gar nicht mehr, was mein erster Song war.", fährt sie fort, "Vielleicht war es 'You are my sunshine'.

You are my sunshine, my only sunshine.
You make me happy, when skies are grey.
You'll never know dear, how much I love you.
Please don't take my sunshine away..."

Scheiße, ja, Liam war wie Sonnenschein. Eine gute Seele, die Licht in das dunkle, trostlose Sanctuary gebracht hat.
Sie schluckt den Kloß in ihrem Hals heunter. Scheiße. Sie schluckt erneut. Es ist nur ein verdammtes Kinderlied. Und vor ihr stirbt gerade einer, den sie, um ehrlich zu sein, kaum kennt. Er stirbt, wie all die anderen zuvor auch. Also reiß dich zusammen, Eden!
"Ich war ganz besessen von Musik, mein Leben lang.", erzählt sie leise weiter, "Meine Mom hat immer gesagt, dass mich schon immer, von Geburt an, eine Melodie umgeben hat. Weiß auch nicht genau, was sie damit meinte... Sie hat einen Menge seltsamer Dinge gesagt, war ein bisschen schrullig, meine Mom. Aber es gab nichts Schöneres, als wenn sie auf ihrer Harfe gespielt hat. Ja, wir hatten ein Klavier und eine Harfe im Wohnzimmer! Mein Dad ist deswegen regelmäßig ausgerastet, er war eher der Typ für's Grobe, konnte mit Musik nicht viel anfangen... Aber wenn sie Harfe gespielt hat...es war, als würde der Himmel aufreißen. Als wäre ein Engel in unserem Wohnzimmer gelandet. So hat es meine Grandma jedenfalls immer beschrieben..."

The Girl With The Bat (TWD/Negan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt