Kapitel 30: Eier quetschen

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Als sie aufwacht, steht die Sonne bereits hoch am Himmel. Sie fühlt sich richtig ausgeschlafen und erholt. Ein seltener Luxus. Das Bett neben ihr ist leer. Aus irgendeinem Grund ist sie deshalb ein wenig enttäuscht. Hat sie das alles nur geträumt? Oder hat sie gestern zu Negan gesagt, dass sie ihn liebt?
Sie beißt sich auf die Unterlippe. Dann schüttelt sie leicht den Kopf und schwingt sich aus dem Bett. Keine Spur von Negan. Sie zuckt die Schultern und geht ins Badezimmer.

In Negans Bad ist das Wasser immer lauwarm. Ein weiterer Luxus. Sie wäscht sich und betrachtet dann ihr Spiegelbild. Zum ersten Mal seit...keine Ahnung, wann.
Sie ist klapperdürr und noch ein wenig blass, ihre Haare sind matt. Ihre Wangenknochen und Rippen stehen hervor.
Sie war immer zufrieden mit ihrer Figur. Sie hat viel Sport gemacht, es aber auch geliebt, zu essen. Dadurch hatte sie stets einen fraulichen, aber trainierten Körper. Dünn war sie nie wirklich. Jetzt wirkt alles knochig und kantig. Außer ihr Bauch. Der ist mittlerweile eine auffällige, kleine Kugel. Da sie so dünn ist, sticht er noch mehr hervor. Sie streicht sanft darüber. Sie müsste jetzt mindestens im vierten Monat sein, wahrscheinlich sogar schon im fünften. Da ist immer noch nichts. Keine nennenswerte Gefühlsregung. Selbst die anfängliche Verzweiflung ist verschwunden. Irgendwie findet sie das schade. Man sollte doch etwas fühlen, wenn Leben in einem heranwächst, oder?

Auf ihrem ganzen Körper sind Blessuren, die langsam verblassen. Sie löst das Pflaster auf ihrer Stirn. Sie wird wohl eine Narbe behalten, die sich von ihrer Stirn, über ihre Nasenwurzel bis hin zu ihrer rechten Wange zieht. Nicht wirklich schön. Aber es ist im Vergleich zu den Narben, die sie im Inneren davon getragen hat, lächerlich.

Sie kämmt sich gerade die Haare, als sie hört, wie jemand ins Wohnzimmer kommt. Im nächsten Moment riecht sie Kaffee, Brot und Ei. Das Wasser läuft ihr im Mund zusammen. Sie stürmt regelrecht ins Wohnzimmer.
Und bleibt dann ruckartig stehen. Vor ihr steht eine Hausfrauen - Version von Negan. Er hat sich eine fleckige, geblümte Schürze umgebunden, hat sich Soße an die Stirn geschmiert und balanciert ein reichlich gefülltes Tablett auf den Händen. All das wirkt an ihm völlig deplatziert, aber auch irgendwie drollig. Er grinst schief, als sie ihn entgeistert anstarrt.
"Ich hab Frühstück gemacht.", sagt er fröhlich und hebt demonstrativ das Tablett ein wenig an, "Der Doc meinte, du solltest dir wieder ein bisschen Speck anfuttern."
Sein Blick fällt auf ihre Brüste, neben ihrem Bauch das einzige an ihrem Körper, was in den letzten Wochen ein wenig gewachsen zu sein scheint.
"Und ich hab auch nichts gegen ein bisschen...mehr...einzuwenden."
Sie ignoriert seine Bemerkung und blickt sehnsüchtig auf das Tablett. Dort stapeln sich frischgebackene, dampfende Brötchen, ein Teller mit Rührei, Schinken, Obstsalat und kleingeschnittenes Gemüse. Nichts ist aus der Dose, alles ist frisch. Für so ein Frühstück wäre sie bereit, zu töten.

Sie schaufelt sich das Essen gierig in den Mund und schmatzt wohl auch wie eine Horde Wildschweine.
"Also...", beginnt Negan und schaut ihr amüsiert zu, "Du liebst mich also?" Auf seinem Gesicht spiegelt sich Selbstgefälligkeit und Arroganz wieder, die in ihr immer das dringende Bedürfnis auslöst, ihm ins Gesicht zu schlagen.
"Tu ich das?", nuschelt sie mit vollem Mund.
"Jaha...oh ja. Du konntest es doch gar nicht erwarten, mir deine Gefühle zu gestehen."
"Pffff. Du hast doch Wahrnehmungsstörungen.", grunzt sie abschätzig.
"Regel Nummer 1: Du bestimmst, was die Realität ist.", entgegnet er besserwisserisch.
"Hast du das in Hitlers Diktatorenschule gelernt?", fragt sie und stopft sich ein Stück Apfel in den Mund.
Er verzieht den Mund. "Du solltest lieber bei deinem missmutigen Gezicke bleiben. Du bist nämlich überhaupt nicht witzig.", grummelt er. Eden kichert.
"Ja, weil du es nur lustig findest, wenn es auf Kosten anderer geht.", stellt sie fest. Er zuckt die Schultern, muss dann aber auch grinsen.
Eden lässt sich auf dem Stuhl zurückfallen und streicht sich über den Bauch. Sie ist pappensatt. Das liegt wohl daran, dass sie gerade mehr gegessen hat als in den letzten drei Wochen zusammen.
"Musst du heute niemanden terrorisieren?", fragt sie.
"Nein. Ich kann mich heute mal nur meinen Frauen widmen.", entgegnet er. Wieder dieses selbstgefällige Lächeln. Und seine Aussage erinnert sie daran, dass sie nicht Negans einzige Frau ist.

The Girl With The Bat (TWD/Negan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt