Kapitel 4: Der Schatten

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Sie hört immer noch die Schreie. Sie riecht verbranntes Fleisch. Sie sieht, wie die Haut am Eisen klebt, wenn sie die Augen schließt. Ihre Schuld. Dies ist alles ihre Schuld. Wäre sie nicht so ein Miststück gewesen, wäre all dies nicht passiert. Mein Gott, was hat der Typ ihnen getan? Er hatte Reena beleidigt, mehr nicht. Er war gemein gewesen, aber verdient er dafür entstellt zu werden? Wohl kaum. Die nächste Übelkeitswelle rollt auf sie zu und sie übergibt sich.

Sie weiß nicht, wie lange sie auf der Toilette hockt und sich die Seele aus dem Leib kotzt. Jetzt ist sie froh, dass sie in den letzten Tagen so wenig gegessen hat. Endlich lässt die Übelkeit nach. Sie wankt aus der Toilette und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Ihr ist immer noch ein wenig flau im Magen. Sie öffnet die Tür und davor steht...Negan. 

Jackpot. Er unterhält sich mit einem seiner Leute und lehnt lässig an der Wand, sodass ihr Weg versperrt ist. Er ist wohl nicht zufällig hier. "Nummer 58!", ruft er freudig, als sie aus der Toilette gestolpert kommt, "Hast du dich bei uns gut eingelebt?" Er gibt seinem Mann ein Zeichen, damit er ihn und Eden allein lässt. Tatsächlich sind sie nun die Einzigen im Gang. Auf diese Spielchen hat sie jetzt wirklich keine Lust. Sie zuckt mit den Schultern. "Du siehst ein wenig mitgenommen aus.", stellt er fest, "War dir das zu krass? Schade, dass du meine Schlussrede verpasst hast, die war wirklich gut." Was für ein Arschloch. Er grinst ihr hämisch ins Gesicht. Eden starrt ihn nur verächtlich an. "Schau nicht so. Ich dachte, das hätten wir schon geklärt.", seine Stimmung schlägt augenblicklich um, sein Blick bohrt sich in sie, seine Stimme wird noch tiefer, noch rauer, "Sag mir jetzt, was du mit der Sache zu tun hast." Er weiß es, geht es Eden schlagartig durch den Kopf. Er weiß, dass sie Ched verpfiffen hat. Dass sie in sein Zimmer eingebrochen ist. "Ich?",fragt sie und versucht dabei so ahnungslos wie möglich zu klingen, "Womit?" Er grinst raubtierhaft. "Ched. Das warst du, nicht wahr?"

"Ich habe Ched heute zum ersten Mal gesehen. Außerdem...da war doch dieser kleine Junge...", versucht sie sich rauszureden. 

"Bullshit. Der Kleine wollte nur die Punkte abgreifen. Der wusste nicht einmal, was er gemacht haben will."

Eden verschränkt die Arme vor der Brust und mustert Negan mit zusammengekniffenen Augen. Langsam hat sich ihr Magen beruhigt und sie kann wieder klar denken. Er weiß gar nichts. Er vermutet, dass sie dahintersteckt, aber beweisen kann er nichts. Keiner hat sie gesehen.
"Und was soll ich deiner Meinung nach gemacht haben?", fragt sie.
"Du hast dich an meinen Wachen vorbei geschlichen und bist bei mir eingebrochen. Und bei Ched.", entgegnet er. Er sieht jetzt wieder belustigt aus. Scheinbar macht ihm das Verhör Spaß. Wenigstens einem.
"Dann sind deine Wachen ziemlich scheiße.", schlussfolgert sie. Negan bricht in Gelächter aus. Dabei kommt er, wie durch Zufall, zwei Schritte auf sie zu. Er steht jetzt direkt vor ihr, wieder viel näher als angenehm wäre. Er riecht noch nach Rauch.
"Das sind sie wohl. Oder die Einbrecherin war besonders gut.", er sieht sie prüfend an. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das warst. Das heißt der Junge lügt. Was meinst du- wie sollte ich ihn bestrafen? Das Eisen?", fragt er beiläufig. Eden spürt, wie ihr das Blut aus dem Gesicht weicht. "Er ist doch noch ein Kind.", flüstert sie. Negan mustert sie eindringlich. "Ja.", sagt er leise, "Und ich würde das wirklich ungern tun. Aber ich muss die Wahrheit wissen. Und wer lügt, wird bestraft." 

Eden sieht diesen Mann an. Ein Mann, der dazu fähig wäre, einem Kind ein glühendes Eisen ins Gesicht zu drücken, nur weil es aus Hunger lügt. "Tu ihm nichts.", bittet sie. Er lächelt. Streicht ihr sanft über die Schläfe. Ihr läuft bei dieser Geste ein Schauer über den Rücken. "Dann. Sag. Die. Wahrheit." Er betont jedes Wort. Eden atmet tief durch. Wird er ihr jetzt das Eisen ins Gesicht drücken? Wenn ja...es gibt schlimmeres. Sie wird damit klarkommen..."Ich war's.", gibt sie zu. Er lächelt. Er hat mal wieder bekommen, was er will. Dieser elende Mistkerl. "Warum?", fragt er. Eden presst die Lippen zusammen. Langsam wird ihr das alles zu dumm. Sie spürt, wie Wut in ihr aufsteigt. "Weil er eine Freundin beleidigt hat." "Was hat er gesagt?", fragt Negan feixend. "Dass sie aussehe wie ein hässlicher Kerl mit Titten." "Und sieht sie so aus?" Negan sieht aus, als würde er jeden Moment einen Lachkrampf bekommen. Das macht Eden nur noch wütender. Sie starrt ihn hasserfüllt an. "Nein.", sagt sie kalt. "Hm...dann hat er das Eisen wohl verdient, nicht wahr? Dich hat er aber nicht beleidigt, oder?", fragt er. "Nein." "Gut. Sonst wäre das Eisen zu wenig gewesen." Er grinst blöd. Sie will jetzt nur noch weg hier. Wieder raus. Ein paar Beißern das Hirn wegpusten, das würde jetzt guttun.

The Girl With The Bat (TWD/Negan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt