Prolog

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"Hey Lena." Kurz musterte mich die Brünette an der Haustür vor mir.
"Hi? Was tust du hier?"
"Ich wollte dich mitnehmen zum Skifahren. Hast du es etwa vergessen?"
"Aber natürlich nicht. Du bist nur früh dran." Demonstrativ blickte sie auf ihre Uhr, trat aber dennoch zur Seite.
"Danke Schwesterherz, unser Flug geht aber bald, das weißt du schon, ne?"
"Ja, tatsächlich weiss ich das sogar. Ich verabschiede mich noch eben von Tim."
"Mach das." Kopfschüttelnd lehnte ich mich an den Türrahmen und blickte meiner Schwester hinter her.

Wie unterschiedlich wir doch waren.
Kaum zu glauben, dass wir beide Schwestern sind. Jeder andere sagt, es ist quasi unmöglich, nicht nur unsere Charakterzüge sind grundlegend verschieden, unser Aussehen auch.

"Hast du jetzt alles?"
"Ich denke schon. Also zumindest alles für einen guten Urlaub."
"Hast du dich auch von deinem Schatz verabschiedet?"
"Jap, sogar das habe ich", und bekräftigte ihre Aussage mit einem strahlenden Lächeln. "Na dann lass uns los zum Flughafen."

Ganz der Gentleman trug ich ihren Koffer zu meinem Auto und wuchtete dieses wohl gemerkt tonnenschwere Etwas in den Kofferraum meines Audis. "Du nimmst auch von Jahr zu Jahr mehr mit, oder?"
Den Kopf in den Nacken werfend lachte sie herzhaft. "Könnte möglich sein. Aber da sind nur meine Skisachen und ein paar normale Klamotten drin, sonst wirklich nichts."
"Nichts außer Zement meinst du wohl."
Ich drehte den Schlüssel in der Zündung um, fuhr langsam aus der Parkbucht heraus und reihte mich in den nicht vorhandenen Landverkehr ein. "Ich verstehe nie, was du an diesem mickrigen Dorf gut findest. Du wohnst so weit ab vom Schuss, da können sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen."
"Das wirst du erst verstehen, wenn du einen Kerl hast und Familienplanung betreibst, wie Tim und ich es tun. Für Kinder braucht man Ruhe und Gemütlichkeit, ganz wie Timon und Pumba. Wie sieht's eigentlich in deinem Liebesleben aus?"

In diesem Punkt ähnelten wir uns sogar mal: Neugierde, und zwar die Deluxe Version, wenn man es Neudeutsch ausdrücken will. Unsere Mutter und unser Vater sind beide neugierig hoch tausend, deshalb haben wir es quasi von beiden Seiten bekommen.

"Ähm... wie soll ich es beschreiben?"
"Bist du im Moment eher 'Ich vögel mich durch die Weltgeschichte' oder 'Nein, ich bleibe lieber allein auf der Couch und versauere dort'. Option 1 oder 2?"

Muss ich noch extra erwähnen, dass wir beide direkt sind? Wer braucht schon dieses Wörter-durch-die-Blume-sagen-Ding, wenn man es direkt auch kann?

"Aktuell Option 1, aber das auch nur, weil keiner mir so richtig gefällt. Ich meine gut, als Bettgeschichten waren alle nett, ich hatte den besten Sex seit Jahren, aber als Kadidat für sich-ewig-binden haben die Kerle alle nicht so den Erwartungen entsprochen. Aber ich find schon noch den einen, bei dem es Klick macht.", meinte ich locker.
"Ganz sicher, du bist ja erst 25, noch knackig und jung... und halbwegs faltenfrei."
"Ein vernünftiges Kompliment bekommst du auch nicht hin, oder? Der arme Tim, er lebt mit einem gefühlskalten Etwas zusammen . Ausserdem habe ich gar keine Falten." Als Beweis zog ich meine Haut glatt und ließ sie dann wieder los. "Doch hast du, kleine Lachfältchen. Meine liebste wird alt."
"Sicher nicht. Ich will doch nicht schon in Rente, wenn ich gerade Arbeit gefunden habe, also bitte."

Ich bekam in etwa den merkwürdigsten Seitenblick meines Lebens, als müsse sie sich erst vergewissern, dass hier ihre Schwester sitzt und kein Alien.

"Hey, so utopisch ist das gar nicht, ich hab dir doch von der Kanzlei erzählt. Hörst du mir eigentlich zu?"
"Ich sag jetzt am besten gar nichts mehr.", hörte ich sie neben mir murmeln. "Ist auch besser so für dich."
"Leo, wie lange hattest du jetzt keinen Job und hast dich gehen lassen? Oder warte, hast die Welt bereist?" Damit wand sie ihren Kopf zu mir und guckte mich erwartungsvoll an.
"Ich bin erst 25, chill mal, Jura frisst halt Zeit, aber jetzt bin ich ja fertig."
"Wow." Sie klatschte in die Hände. "Nach zehn Semestern solltest du das auch mal endlich sein."
"Ja, ich hab halt keine Ausbildung so wie du gemacht und arbeite nicht als langweilige Bankkauffrau."
"Dafür verteidigst du bald schuldige Verbrecher."
"Ja, ist geil ne? Ich hab auch schon mega Lust darauf." Ich nahm meine Hände kurz vom Steuer und rieb sie aneinander.

Nach mehreren Stunden Fahrt kamen wir endlich am Hamburger Flughafen an. Ich parkte das Auto und lief dann mit unseren Koffern zum Check-In.
Immerhin ging diese gehasste Prozedur schnell vorbei, also konnte ich endlich mein eingetackertes Lächeln aus dem Gesicht wischen.
Ich meine, wer lächelt denn bitte aufrichtig am Flughafen?

Wir passierten schnell die Sicherheitskontrolle- es piepte bei mir einmal nicht, Applaus- und dann saßen wir auch schon am Gate.
"Wie kannst du eigentlich so eine grottenschlechte Musik hören?", beklagte sich Lena neben mir.
"Hast du gerade die beste Band auf der Welt beleidigt? Die sind super!"
"Wie heißen die noch gleich? Grey-? Gra-? Greeb-? Mir fehlt der Name"
"Green Day heißen die und sie machen geile Musik, nicht so einen Mist wie heute in den Charts und im Radio läuft.", murrte ich und drehte meine Musik nochmal ein paar Lautstärken höher.
Kunstbanausin!

Endlich wurde der Flug aufgerufen und wir reihten uns ein in die Schlagen aus Wartenden.
"Auf geht's zwölf Tage Skifahren, nur wir beide, Süße." Mein Arm schlängelte sich um ihren zierlichen Körper und drückte ihn eng an mich. Zusammen drückten wir unsere Boarding-Karten der Stewardess in die Hand, bekamen sie dann wieder und schritten dann zusammen den langen Gang zum Flugzeug entlang.
Unsere Plätze waren in der Mitte des Airbus' in einer Dreierreihe. Das Glück war auf meiner Seite, sehr zum Leidwesen meiner Schwester bekam ich den Fensterplatz zugewiesen.

Haha Opfer, sie durfte schon immer bei Gesellschaftsspielen anfangen, da darf ich jawohl am Fenster sitzen.

"Hoffentlich bleibt der Platz neben mir leer, ich hab keine Lust auf so einen schwitzenden, dicken Touristen, der zum ersten Mal fliegt."
"Nein, ich glaube, dieses Mal hast du Glück und niemand setzt sich neben dich." Denn genau in diesem Moment nahm die Stewardess das Mikro.

"Willkommen auf unserem Flug nach Innsbruck in Österreich. Genießen Sie ihren Aufenthalt an Bord. Es folgen die Sicherheitshinweise."
Danach schaltete ich, wie eigentlich immer, ab, diese Sicherheitshinweise hatte ich schon tausend Mal gehört.
Wer passt da überhaupt irgendwann mal auf?

"Ey, Lena? Hast du was zu essen dabei? Cookies oder so?"
Dafür erntete ich einen Blick, der ungefähr besagte: 'Du verfressenes Etwas, wie kannst du nur so dünn bleiben?'
Wortlos kramte sie dann aber doch in ihrer Handtasche.
"Yes, danke! Du rettest mein Leben!"
"Nur du freust dich so über eine Packung Butterkese mit Schokolade überzogen." Sie schüttelte den Kopf, grinste dann aber doch wie ein beklopptes Einhorn.

Austrian Kisses [ABGESCHLOSSEN✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt