24.

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"Was machst du hier?"
"Ich wollte mich entschuldigen. Für das gestern. Es war nicht so geil."
"Verziehen. Aber mir gleich deinen Kumpel auf den Hals hetzen brauchst du auch nicht", entgegnete ich kühl.
"Hab mich schon gefragt, wo er die ganze Zeit war. Naja egal." Er fuhr sich einmal durch die blonden Haare.

Verdammt, sah dieser Typ heiß aus.

"Ist sonst noch etwas? Ich würde gerne meine drei verbliebenen Tage nicht hier verschwenden."
Ok, das war jetzt nicht die feine, englische Art, aber irgendwie musste ich mich ja von ihm distanzieren.
Es darf nicht wehtun, wenn ich abreise, es darf einfach nicht sein. Hamburg ist meine Liebe, meine Heimat - oder nicht?

"Es gibt da tatsächlich etwas, dass ich dir noch sagen wollte." Er kam Schritt für Schritt auf mich zu und schloss die Lücke.
Scheiße, was wird das?

Dann, ganz plötzlich, schloss er die Lücke zwischen uns und drückte seine Lippen auf meine.
In meinem Körper explodierte ein Feuerwerk der Gefühle, es fühlte sich so richtig an, obwohl es so falsch war.
Ich durfte ihn nicht lieben, ich durfte mich nicht verlieben, das passt so gar nicht zu meiner Lebensplanung.

Von irgendwo ertönte ein Pfeifen und Applaus, doch das ignorierte ich. Stattdessen erwiderte ich den Kuss und schlang meine Hände um ihn.
Es war so falsch, und doch so richtig.
Ich fühlte mich fehl am Platz, aber doch endlich angekommen.
Frei.

Völlig atemlos lösten wir uns voneinander und blickten uns tief in die Augen. Seine blauen Augen strahlten so viel Wärme und Geborgenheit aus, mein Gesicht zierte wohl ein Lächeln.
Damn it, es gefiel mir auch noch.
"Können wir reden?"

Ja, konnten wir reden? Ich wollte ihm keine unnötigen Hoffnungen machen. Andererseits wollte ich klar die Fronten abstecken, mit ihm reden, nicht rum lecken. Eben keine unnötigen Hoffnungen machen.
"Jap, können wir. Hier?"
"Nein, die kleine Hütte an der Piste. Bis gleich." Er humpelte davon, was mich grinsen ließ. Die schwarze Joggunghose schlackerte um seine Beine, der dunkelgraue Kapuzenhoodie betonte sein breites Kreuz und seine Muskeln.

Heiß ist er schon.

"Erde an meine Schwester." Ein Tippen auf die Schulter ließ mich zusammenzucken. "Sag du nochnal, dass du nicht verliebt bist. Das sieht ein Blinder auf 50 Kilometer Entfernung. Deine Augen, das Grinsen, euer Kuss - du bist verschossen." Dagegen musste ich protestieren. "Nein, bin ich nicht!"
"Doch bist du. Du verliebtes, kleines Häufchen. Wann hat Armor denn deinen Arsch getroffen?"

Ok, nicht provozieren lassen.

"Armor hat meinen Arsch nie getroffen. Aber ich treff dich gleich - und zwar mit meiner Faust."
"Dann musst du mich erst fangen." Und schon war er weg. Toll, auf gehts, schwarze Piste runterheizen.

Völlig entnervt sah ich schon seine blaue Jacke, meine Ski liefen gut. Sein erschrockener Blick verriet mir, dass er das jedoch nicht gedacht hatte.
Tja, bitch, hätteste nicht gedacht.

Gleichauf mit ihm raste ich die Piste runter, überholte ihn sogar. Die Hütte kam in Sicht. Mit einem Regen aus Schnee bremste ich ab und schnallte grinsend meine Ski ab. "Na, das dicke Männchen mit Flügeln hat mich wohl nur beflügelt, Idiot." "Touché. Und jetzt lass dich von Armor treffen."
"Idiot." Ich boxte ihn gegen den Arm und steckte dann meine Sonnenbrille in die Haare.

"Hi. Lange nicht gesehen."
"Kann ich nur zurückgeben. Sensationell gut gefahren."
"Danke. Also, kommen wir zum Punkt: Du wolltest reden?"
"Jep." Er kratze sich nochmal am Hinterkopf und fuhr sich dann durch die Haare. Heiß.

"Am Anfang war es nicht geplant, wir trafen uns das erste Mal auf der Piste. Du hast mich irgendwie schon damals so fasziniert, den ersten Tag, andem ich dich hier auf der Piste gesehen habe. Wir fuhren zusammen Ski, chillten zusammen und genossen die Zeit. Dann kam die Lawine und du warst mein Engel, mein Retter in der Not, sonst wäre ich da wohl nicht nur mit einem gebrochenen Knöchel und ein paar blauen Flecken und Schrammen rausgekommen. Ich hab mich zwar wie eine kleine Drama-Queen benommen, aber das ist ja egal." Er machte eine abwinkende Handbewegung. "Dann kam Sylvester, du und Lennard standet vor meiner Haustür. Ihr saht so verdammt vertraut aus und ich war ein klitzekleines bisschen eifersüchtig, das hatte ich noch nie vorher. Als ich hörte, dass er dein Bruder ist, ich gebe es ja nicht gerne zu, aber da fiel mir schon so ein kleiner Stein vom Herzen." Jetzt grinste er wieder seelig vor sich hin. "Wir haben uns geküsst. Du und ich, wir sind verschmolzen miteinander - meiner Ansicht nach jedenfalls. Deine Lippen passten so perfekt auf meine, wie ein Puzzleteil, dass sein Gegenstück gefunden hat. Doch dann kam die Offenbarung von dir: Wir sind nur Freunde.
Klatsch, schön in die Schnauze, es fühlte sich jedenfalls genau so an."
Sein Grinsen verschwand und eine traurige Miene trat anstelle dessen in sein Gesicht. "Naja, ist jedenfalls auch egal. Was ich dir eigentlich sagen will:
Bitte stelle nicht die Distanz über deine Gefühle -wenn welche vorhanden."

Ich schenkte ihm dafür einen fassungslosen, minimal agressiven Blick. Trotzdem hatten mich seine Worte sehr gerührt, ich musste sogar ein paar Tränchen unterdrücken.
Trotzdem durfte er keine Gefühle für mich entwickeln, das geht einfach nicht. Wieso können wir nicht einfach wieder so tun, als kennen wir ubs nicht?
Mit Stichen im Herzen ließ ich dann meine Stimme kalt klingen: "Glaubst du echt, es ist die Entfernung? Ich habe keine Gefühle für dich, da ist nichts zwischen uns. Es kribbelt auch nicht oder so." Mit festem Blick schaute ich ihm in die mit Tränen gefüllten Augen.

Warte, mit Tränen gefüllt? Scheiße, ich hab ihm so weh getan!
Bei dem Gedanken zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen und ich musste heftig schlucken.
"Ok, dann kenne ich immerhin jetzt deine Meinung, vielen Dank für deine Ehrlichkeit." Eine kleine, glitzernde Träne rann seine Wange hinab.

Ein gestandener Mann weint wegen mir - oh bitte nicht, mein Herz!

"Vielleicht ähm-" Er nahm seine Krücken in die Hand und setzte ein falsches Lächeln auf. "Vielleicht sieht man sich ja nochmal im Leben. Viel...ähm...Spass noch...ähm...und viel...ähm...Glück für dein weiteres Leben." Damit machte er den ersten Schritt. "Warte!"

Abrupt drehte er sich um und blickte mich hoffnungsvoll an. "Pass auf dich auf. Man sieht sich immer zwei mal im Leben." Ich lächelte unsicher, doch er ließ nur die Schultern hängen und humpelte weg.

Verdammt, ich hatte ihm echt weh getan - und das tat mir im Herzen weh.

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Bin gerade in Schreiberlaune und beglücke euch - oder eher ziehe euren Hass auf mich - mit diesem Kapitel. Aber glaubt mir, ich wollte sowas auch nicht gerne schreiben.😭

Austrian Kisses [ABGESCHLOSSEN✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt