3.

149 9 0
                                    

"Was willst du mir erzählen?", fragte sie misstrauisch.

"Willst du das wirklich wissen?"
"Ich weiss es nicht genau Schwesterchen. Was hast du verbrochen?"
Kurz überlegte ich, das gibt gleich Ärger. Von ihr.Oh oh.
"Ich war möglicher weise doch öfter als einmal im Jahr im Skiurlaub.", beichtete ich ihr.

"Du warst was? Du und deine Sucht." Sie schüttelte ihren Kopf. "Eiskalt ohne mich." Sie lachte.
"Das war mir irgendwie schon klar."
Jetzt war ich die, die fassungslos schaute. "Hä? Aber wie?"
"Es war mir klar, dass du nicht so lange ohne Skifahren kannst. Wo warst du denn überhaupt?"
"Schweiz. In Bern." Ich grinste bei dem Gedanken an die schönen Berge und die schönen Piste. Und die Snowboarder waren auch ganz niedlich.
"In der Schweiz? Ok, jetzt bin ich sauer, da wollte ich schon immer mal fahren. Oh man, das war nicht fair." Sie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Ein leises "Bitch" kam noch dem hinterher. Danke Schwesterchen.
"Das nächste mal nehme ich dich mit. Vorrausgesetzt du bekommst Urlaub."
"Vorrausgesetzt ich bekomme Urlaub.", schüttelte sie grinsend den Kopf. "Zum Glück ist mein Chef so locker wie ich."
"Und das in einer Bank. Los, du dieses mal die rote Piste?" Ich versuchte den Hundeblick - Betonung lag auf versuchte.
"Du kannst einfach keinen Hundeblick, gib's auf. Aber nee, ich bleib bei meiner blauen, muss mich erst mal wieder eingewöhnen, Bretter unter den Füßen zu haben." Sie grinste verlegen.
"Ist ok. Wir treffen uns dann wieder hier?" Sie nickte, also klatschte ich mit ihr nur kurz ab und machte mich auf zum Lift, natürlich mit Musik in den Ohren, denn ein Leben ohne Musik ist möglich, aber sinnlos.

Hach Loriot.

Immer wieder ließen die Bäume, neben denen ich hergezogen wurde, kleine Lücken, von denen man sehr gut Innsbruck beobachten konnte. Fasziniert davon blickte ich auf die vielen, in Watte gepackten, Häuser und Berge. Überall waren schon Lichter an, da es bereits anfing, dunkel zu werden. So spät ist es also schon, gut zu wissen.

Die Lücken zwischen den Bäumen verschwanden und so richtete ich meinen Blick seufzend wieder nach vorne. Ich träume zu viel - eindeutig.
Auf der Piste dann wieder angekommen sog ich gierig die klare Bergluft ein, dann schob ich meine Sonnenbrille wieder auf die Nase.

Irgendjemand war neben mich getreten, das spürte ich. Den Blick einmal nach rechts gerichtet sah man dann, mit wem ich es hier zu tun hatte: irgendeinem Snowborder, der sich gerade den Rucksack vom Rücken gezogen hatte und darin rum wühlte, um vermutlich seine graue Mütze gegen einen Helm zu tauschen.
Kurz blitzten blonde Haare und ein gebräunter Hals auf, waren dann aber schnell wieder versteckt.
Wieso beobachte ich eigentlich so einen Jungen genau?
Über meine eigene Verwirrtheit irritiert schüttelte ich den Kopf und machte mir die Handschlaufen meiner Stöcker um.
Wieso genau habe ich den Typ jetzt genau gemustert? Ich wusste es selber nicht. Aber die blonden Haare und die gebräunte Haut - ich könnte schwören, den habe ich schon mal gesehen. Aber ich war mir nicht sicher, es könnte auch sein, dass ich ihn mit irgendwem verwechsle.

Die Wälder, die die Piste säumten, zischten nur so an mir vorbei, das Blut rauschte in meinem Ohren und das Adrenalin rauschte nur so durch meine Adern. Damn, wie Arnie jetzt sagen würde: I'll be back!
Immer höher wurde meine Geschwindigkeit, zum Glück trug ich eine Sonnebrille, sodass immerhin meine Augen nicht tränten.
Rein theoretisch.
Denn irgendwie tränten meine Augen trotzdem leicht. Vielleicht waren es auch Freudentränen, weil Skifahren sich so verdammt gut anfühlte.
Nein, eher der Fahrtwind.

Die kleine Hütte nahe der blauen Piste näherte sich meinem Blickfeld wieder, man sah schon die kleinen Bänke draußen und die vielen Menschen, die dort saßen und quatschten. Und auch die knallpinke Skijacke meiner Schwester leichtete mir schon entgegen.
Mit einer schneeaufwirbelnden Bremsung, bei der ich ruckartig so viel Tempo rausnahm, dass ich mich drehte, ließ ich den Schnee über meine Schwester regnen, die nur ein "Danke" knurrte. "Bitte Schatzi. Ich dich auch." Ich grinste süffisant und verbeugte mich.
Eine Show abliefern konnte ich jedenfalls.

"Los, lass uns zurück zum Hotel. Es wird langsam dunkel."
"Stimmt." Jetzt erst fiel mir die fortgeschrittenen Dunkelheit auf. Upps, das tut mir jetzt leid - nicht.
"Nehmen wir die Abfahrt runter zum Hotel?" Bitte bitte, lass sie Ja sagen.
"Ich weiß nicht." Ok, Augen aufreißen.
"Meinetwegen. Aber du wartest gefälligst." Nein, tu ich eh nicht.
"Natürlich liebste, kleine Schwester."
Lügen kann ich also auch.

Zuerst langsam, dann aber mit immer mehr Tempo sausten wir den ersten Teil der blauen Piste herunter, nahmen dann aber nicht die Kurve, sondern die Ausfahrt, wenn man es so nennen will. "Kannst du noch?"
"Naja.", kam es leicht aus der Puste.
"Ok, also weiter." Ich rammte meine Stöcker in den Schnee und fuhr mit einer schnellen Geschwindigkeit auf der zum Glück noch nicht geräumten Straße - hoffentlich bleibt das so.
Immer wieder drehte ich meinen Kopf, nur um festzustellen, dass sie fast hinter mir war.
Na, bei dem Tempo kein Wunder.

Endlich konnten wir die Straße hinter uns lassen und nahmen eine freie Abfahrt runter ins Taal, vorbei an einer Jugendherberge, die gerade ihre ersten Skistunden hatte - süß.
Ich bremste ab und hob die Hand, damit auch meine Schwester stoppte.
"Sind die nicht süß?", flüsterte ich ihr zu. "Ja, und so unerfahren. Guck mal, die sind alle noch nie skigefahren." Passend zu meinen Worten knallte gerade ein Junge bäuchlings auf die Schnauze, die Ski dabei irgendwie komisch miteinander verknotet.
Da musste man sich echt das Lachen verkneifen. "Komm, lass uns weiter, ich hab Hunger." Ich stellte meine Ski wieder parallel zum Hang und hockte mich hin.

Man sah schon das Hoteldach von oben, aber trotzdem verrigerte ich mein Tempo kein Stück. Erst im letzten Moment, bevor ich fast in die Hotelwand schlidderte, stellte ich explosionsartig die Ski quer und bremste bis auf 0 ab.
Sorry Hauswand, heute habe ich leider keinen Kuss für dich.

"Du... bist... verdammt.... viel... zu... schnell gefahren. Alter." Meine Schwester kam schwer atmend neben mir zum Stehen und stützte sich sogleich auf ihre Stöcker. Ihr Atem ging unregelmäßig, viel zu schnell, geradezu stoßweise.
"Alles ok?" Langsam fing ich an, mir Sorgen zu machen.
"Klar. Alles chillig." Sie atmete einmal tief ein und aus. "Hab nur viel zu lange kein Sport mehr gemacht. Puh."
"Na dann ist ja gut. Bist auch ganz schön fett geworden."
"Ey, du Arsch. Bin ich nicht." Sie richtete sich wieder zu ihrer vollen Größe - stolze 1,70 Meter, man bemerke die Ironie - auf und blickte mich böse an.
"Jetzt hab ich aber Angst, deshalb geh ich jetzt auch duschen, weil ich vor meiner kleinen Schwester Angst habe.", sagte ich lachend und nahm die Ski in beide Hände. "Wir sehen uns heute Abend um sieben beim Abendessen, ne?"
"Ist gebongt. Punkt 7."

Wieso hatte ich nur das Gefühl, dass ich da minimal zu spät kommen werde?

Austrian Kisses [ABGESCHLOSSEN✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt