Austrian Kisses [ABGESCHLOSSEN✔]

22.

Irgendwas, was an meiner Nase kitzelte, ließ mich irgendwann aus meinem endlich gefundenen Schlaf aufschrecken.

Rosenkranzbeten hat also doch geholfen- hätte ich nicht gedacht.

Langsam, aber nur millimeterweise schlug ich dann die Augenlider auf und wurde prompt von eindringendem Sonnenlicht geweckt.
Verdammt, welcher Idiot hat die Jalousinen hochgezigen?

"Guten Morgen Schlafmütze. Naa, ausgeschlafen?", flötetete es plötzlich von irgendwo aus dem Zimmer.
Doch anstatt mich verwirrt umzublicken, zog ich mir nur die Decke über den Kopf und machte die Augen wieder zu.
So nicht, mein Bruder.

"Leo, bitte. Man ich hab Hunger! Los, steh auf!", bettelte er wehleidig. Dann ertönte ein Puff-Geräusch. Der Fettsack hat sich wohl in den Sessel fallen lassen - armer Sessel.
"Nein, ich will aber nicht."
"Und ich will dich nicht zwingen. Sisti, komm schon. Man Leo, wir haben nur noch vier Tage zusammen und die will ich nicht mit Rumliegen verplempern."
Wieso ist er denn so motiviert?

"Du hattest versprochen, dass wir heute auswärts frühstücken gehen."
Aha, daher wehte also der Wind, der Herr hat Hunger.

"Gib mir ne halbe Stunde.", knurrte ich in die Decke. "Nein, ich kenn dich, dann pennst du wieder ein."
"Wie bist du hier überhaupt rein gekommen?" Vermutlich zuckte er gerade mit den Schultern. "Hab der Tusse am Empfang den Ersatzschlüssel für dein Zimmer geklaut."

Entsetzt schlug ich die Decke zurück und setzte mich kerzengerade hin. "Du hast was? Sag, dass das nicht wahr ist." Er grinste schelmisch. "Doch, irgendwie sind wasserstoffblonde Tussis mit Tonnen von Make-Up in der Fresse nicht die hellsten. Ich hab mit ihr geflirtet, ich meine Ich, als ob Ich es nötig hätte, mit Der zu flirten." Dabei betonte er das Ich und das Der stärker, sodass es bei ihm auf- und bei ihr abwertend klang. "Ich frage mich die ganze Zeit, wie sone dumme Kuh in so einem noblen Hotel arbeiten kann."
"Wahrscheinlich die Tochter vom Geschäftsführer, ihr Sugar-Daddy."
Ich machte kotzende und würgende Geräusche. "Hast recht. Zumindest sind wir beide naturblond, und eine intelligente Lebensform, obwohl ich das bei dir manchmal bezweifle."

"Lennard!" Lachend schmiss ich ein Kissen nach meinem jüngeren Bruder, der es aber elegant auffang. "Los, jetzt steh auf du bist eh schon wach und ich fall' noch vom Fleisch, wie Oma sagen würde."
"In Ordnung." Also stand ich auf, tapste in meiner Boxershorts und dem Shirt ins Bad.

Schlappe 20 Minuten später stand ich schon fertig gemacht in der Lobby und wartete auf meinen Bruder, der in sein Zimmer verschwunden war.

Wer ist hier nicht pünktlich, obwohl man ihn nicht aus dem Bett geschmissen hat?

"Sorry, bin da." Na bitte, geht doch.
"Wohin gehen wir?" Er überlegte kurz. "Breakfast Club. Die Bewertungen waren da ganz gut."
"Aha." Den Rest des Weges gingen wir in angenehmen Schweigen nebeneinander her.

Mit einem charmanten Lächeln hielt er mir die Tür auf. "Nach Ihnen, schöne Frau." "Brüderchen, was ist denn los mit dir? So charmant bist du doch sonst nicht."
"Ich hab auch meine guten Seiten. Frag Mama und Papa."

Memo an mich selbst: Mama und Papa nach Lennard fragen.

"Guten Morgen die Dame, der Herr. Ein Tisch für zwei?", begrüßte uns ein lächelnder Kellner. "Sie haben es erfasst", lächelte Lennard freundlich zurück. Daraufhin führte uns der Kellner in eine Nische an einen kleinen Tisch.
"Weißt du schon, was nimmst du?", fragte ich beim Durchstöbern der Karte, woraufhin er nickte. "Das normale Bauernfrühstück. Aber mit Rührei und Speck."
"Hört sich gut an. Ich denke, das nehme ich auch", entschied ich mich und ging zur Theke, um zu bestellen.
"Das Essen kommt gleich." Mit diesen Worten ließ ich mich wieder auf den Platz fallen. "Bei Gott, hoffentlich kommt das schnell, ich hab Hunger."
"Ich auch. Wenn man scheiße schläft, hat man wohl Hunger."
"Zweimal Bauernfrühstück mit Rührei und Speck",  sagte der Kellner und stellte vor uns zwei Teller ab.
"Danke. Guten Appetit.", sagten wir beide gleuchzeitig und fingen an zu lachen.
"Wäre dieses Zwillingsding nicht eigentlich für dich und Lena?"
"Ne irgendwie nicht, das können wir beide eigentlich besser als Lena und ich." Nickend schnitt ich ein Brötchen auf und beschmierte es mit Butter.

"Wie war eigentlich dein Date mit Caro?" Er erstarrte mitten in der Bewegung und blickte mich an.
"Schade, dachte, du hättest es vergessen", murmelte er. "War ganz gut. Wir sind auf der selben Wellenlänge."
Jetzt war ich es, die in meiner Bewegung inne hielt. "Der Womanizer, mein Bruder, mein Brüderchen, verliebt sich gerade wohlmöglich? In einer Österreicherin?" Unwillkürlich musste ich lächeln, wie niedlich! Mein Bruder und seine erste, richtige Freundin!

Beschämt senkte er den Blick und widmete sich seinen Rührei. "Ich weiß nicht, ob ich mich verliebt habe. War ich ja noch nie so richtig."
"Du bist so süß, wenn du verlegen bist", quietschte ich und tätschelte seine Wange. "Bin ich nicht. Ich weiß nur nicht, was ich machen soll. Die Beziehung hätte keine Zukunft."
"Doch die Beziehubg hätte eine Zukunft. Was hält dich denn in Hamburg? Du hast einen standortunabhängigen Job, arbeitest und liebst jetzt. Du hast jetzt schon mehr als ich." Ich lachte bitter auf.

Jap, ich bin diese eine Freundin, die immer Beziehungstipps gibt, aber selbst immer single ist. Bitter truth.

"Ja, irgendwie hast du recht. Mag sein, dass das jetzt Hals über Kopf ist, aber vielleicht wohne ich ja bald in Inmsbruck." "Oder sie in Hamburg."
"Wenn sie will." Er fuhr sich gestresst durch die Haare. "Und du? Wie läuft es mit deinem Schatzi?"
Ich winkte ab. "Nur Freunde. Liebe ist doof." Er guckte mich mit einem Blick an, der wohl ein Dein-Ernst ersetzen sollte. "Du klingst wie ein Kindergartenkind, dass Küssen und Jungs ekelhaft findet."
"Bin ich gar nicht. Ich genieße nur meine Freiheiten in vollen Zügen."
"Ja genau." Er zeigte mir den Vogel. "Du bist ihm schon längst verfallen, ob du es wahr haben willst oder nicht." Er blickte mich schelmisch aus seinen blauen Augen an.

"Ach quatsch, laber keinen Mist. Selbst wenn, es würd nicht klappen."
"Naja, wenn ich es hinbekomme, dann bekommst dus auch hin."
"Aber ich will es nicht!" Langsam stieg die Wut in mir auf. Wieso will das keiner verstehen. Man ist doch nicht nur glücklich, wenn man in einer Beziehung ist, also bitte!

"Ist ja gut, chill mal deine Base." Er hob beschwichtigend die Hände. "Raste mal nicht so aus  Schwesterchen. Alles gut."
"Nichts ist gut. Es läuft gerade richtig scheiße." Gestresst fuhr meine Hand durch meine Haare.
"Was läuft denn scheisse? Ich merke doch, das was nicht stimmt. Du brauchst gar nicht erst lügen."
"Es ist kompmiziert. Absolut mega kompliziert. Meine Hormone rasten aus und mein Körper spielt gegen mich.", erklärte ich.
"Aber wieso? Läuft dein Blog nicht mehr, oder was ist los?"
"Doch, der läuft blendend, kommt gutes Geld rein. Aber es ist alles so verwirrend im Moment. Mein Herz sagt etwas anderes als mein Kopf, aber ich bin ein Kopfmensch und Kopfmenschen überlegen alles sorgfältig."
"Und wo ist jetzt genau das Problem? Also wenn ich das richtig verstanden habe sagt dein Herz seinen Namen, aber dein Kopf sagt dir Hamburg, right?", fragte er sicherheitshalber nochmal nach, ich nickte nur.

Damit hatte ich ihm also schon mal zugegeben, dass Moritz einen Platz in meinem Herzen hat - aber nur als Kumpel. Nur. Als. Kumpel.

Er nahm meine linke Hand in seine. Erst jetzt merkte ich, dass ich die Gabel mit Rührei fest umkrampft hielt, sodass meine Fingerknöchel schon weiß hervor stachen.
"Leo, mal ganz ehrlich. Du magst Moritz, oder?" Ich nickte nur und betrschtete unsere ineinander verschlungenen Hände.
Mein Brüderchen.
"Und du magst ihn auch wohl doller als Freundschaft." Ich schüttelte heftig den Kopf. "Kribbelt es, wenn ich sage, dass Moritz gerade zur Tür rein kommt?"
"Wo denn?" Ich drehte mich suchend um und scannte praktisch einmal den ganzen Raum nach ihm ab.
"Ok, hab dich verarscht. Aber mal ganz ehrlich, als ich das gesagt hab, haben deine Augen krass gefunkelt und du hast dich so dringend umgedreht, das überschreitet Freundschaft definitiv."

Kann das möglich sein? Ich, Leo Franke, habe mich mal wieder verliebt? VERLIEBT? Mit Beziehung und son Zeug? Und dazu noch einen Österreicher?

Ich schätze schon.