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Wie schwer es doch ist, sich zwischen den Skioutfits zu entscheiden.
Schlussendlich entschied ich mich dann doch für die grüne Hose und die blaue Jacke. Dadrunter trug ich meine schöne Spooks Fleecejacke und Thermoleggins - sehr sexy ich weiss.
Aber ich will hier auch keinen Kerl aufreißen, ich will hier Spass haben und ausspannen.

Pünktlich stand ich unten in der Lobby und wartete auf meine Schwester, mittlerweile schon 15 Minuten.
Mit einem gehetzten "Sorry Süße" kam sie bei mir an und entschuldigte sich mit einem Grinsen. Also, da sag nochmal einer, ich wäre immer zu spät.
"Na dann Rowdy, mal los."

Der Weg zum Lift dauerte nur wenige Minuten und doch war er jedes Mal eine kleine Qual mit der ganzen Ausrüstung und den dicken Schuhen.
"Grüßts euch.", begrüßte uns ein niedlicher Opa am Lift. "Na dann rauf auf den Berg mit euch beiden hübschen." Er zwinkerte uns freundlich zu und hielt noch den Sessel für uns zurück, sodass wir bequem einsteigen konnten.
"Danke.", riefen wir ihm noch zu, bis er außer Hörweite war.

"Diese Österreicher haben so einen niedlichen Akzent, da könne man sich glatt drin verlieben.", schwärmte Lena neben mir.
"Irgendwie schon ne? Aber die Ösis sind halt so... knuddelig." Ich lachte, dachte aber gleichzeitig an den Mann von gestern.
War er wohl auch Österreicher? Er hatte ja auch Equipment dabei, so sah es zumindest aus. Und wenn die Stimme plus Dialekt zum Körper passt- ich glaube, dann fährt der Tiger seine Krallen aus.

"Hast du deine GoPro?", fragte Lena mich nach einiger Zeit.
"Jap, ich hoffe, dass ich sie im Rucksack habe. Wenn wir gleich oben sind, dann muss ich mich erst mal einkleiden."
"Du meinst, du musst dich praktisch verkabeln mit Kopfhörern, deiner GoPro und dem Funkauslöser, all right?"
"All right." Ich nickte ihr zu. "Hast du deine gar nicht mit?" Kurz überlegte sie, denn ihr Finger wanderte konzentriert an ihr Kinn und strich darüber.
Ein Tick von ihr, wenn sie nervös war oder über etwas fieberhaft und angestrengt nachdachte.

"Ich glaube, entweder habe ich sie im Rucksack oder sie liegt noch im Hotelzimmer. Upps, aber ich brauche sie auch nicht so dringend wie du, ich blogge ja auch nicht darüber."
"Stimmt, ich blogge darüber, aber niemand weiß, dass der berühmte GhostJumper ein Mädel ist. Und es soll auch so bleiben, immerhin habe ich einen seriösen Ruf ."
"Jaja ist gut Schwesterchen, total seriöser Ruf, den du da hast."
Die Ironie war deutlich aus ihrer Stimme rauszuhören, doch ich ignorierte sie eiskalt.
"Jap, Schwesterherz, Juristen haben nun mal einen seriösen Ruf. Wenn sie den nicht haben, dann nehmen einen die Verbrecher nicht mal mehr ernst. Und dann haben wir ein Problem, meine liebe Lena. Und zwar ein ganz ganz großes."
"Oh ja, da hast du wohl recht.", hörte ich sie neben mir murmeln.
Warscheinlich laufen in ihrem Kopf gerade sämtliche Horror-Szenarien ab, von einer Invasion bis zu einer Apokalypse.

Eben typisch Lena, diesen Hang zum Dramatischen hatte sie schon immer und das konnte manchmal echt anstrengend werden.

"Lena, wir sollten aussteigen." Also klappten wir zusammen den Bügel hoch und sammelten unsere Rucksäcke und Stöcker ein.
Die Ski setzten auf dem magischen Schnee auf und ließen uns vom Sessellift gleiten runter zu der kleinen Berghütte.
"Willst du deine Kamera an den Helm haben?", fragte sie mich, während sie Pudelmütze gegen Helm tauschte.
"Nein, denke eher nicht. An den Ski macht es sich beim reinen heizen besser als auf dem Kopf, auf dem Kopf macht die sich in den nächsten Tagen im Stuntpark gut." Sie nickte verstehend, obwohl ich wenig überzeugt war.

"Gott, ich sehe mit Helm so scheiße aus.", murrte Lena neben mir, während ich mich bückte um eben die Kamera anzuschalten.
"Trag ihn lieber, ich hab kein Bock, dich tot von nem Felsen zu kratzen. Also zier dich nicht so Modepüppchen." Und das war sie wirklich, ein kleines Modepüppchen, wohingegen ich eher die Sportlichkeit in unserer Familie verkörperte.
"Du trägst ja eh jeden Tag einen Helm, also brauchst du hier gar nicht so zu tun.", knurrte sie jetzt schon.
"Kleine Diva.", flötete ich und zog meinen letzten Handschuh wieder zu.
"Fang mich, wenn du kannst!"

Schnell stemmte ich meine Stöcker in den Schnee und fuhr los. Lena stand vermutlich völlig verdattert immernoch an Ort und Stelle.
Die Ärmste - nicht.
Mein Tempo steigerte sich immer weiter, was auf ner blauen Piste nicht gerade schnell ist, aber trotzdem. Ich kannte Lena, sie würde nie nach einem Jahr ohne Bretter unter den Füßen die schwarze Piste gleich sofort zu Anfang fahren, was schade war, aber sie war nun mal ein kleiner Angsthase.

Immer schneller flogen die Bäume an mir vorbei, der Schnee war gut, wenig Eis und Kunstschnee. Perfekt also für kleine Rennen, sogar die rockige Musik in meinem Ohr brachten mich zu blauen Pistenhöchstleistungen.
Langsam nahm ich das Tempo raus, die schmale Kurve sah man schon von weitem. Also bremste ich ab, strauchelte aber kurz.
Blödes Eis!

Grinsend wartete ich unten auf meine Schwester, die schwer atmend unten bei mir ankam.
"Das...war...anstrengend...Leo. Pause bitte.", stöhnte sie schwer atmend.
"Nope vergiss es, ich will heute noch die Rote fahren."
"Kannst du gerne machen, ich bleib bei meinen Blauen erst mal."
"Angsthase. Schisser. Baby", lachte ich sie aus, woraufhin ich ein empörtes Schnauben zu hören bekam.

Immer noch glucksend stellte ich mich dann in Warteposition für den Ankerlift. Hoffentlich fliege ich heute mal nicht auf die Fresse, das nötige Talent besitze ich ja - leider.
Das schwarz-orrange Plastikding kam und ich setzte mich entspannt drauf, als es loszog.
Ein Hoch auf den Erfinder des Lifts. Ich bemitleidete ja immer schon die Leute, die freiwillig die Piste wieder hoch laufen.

Oben angekommen holte ich erst mal die Kamera aus meinem Rucksack und klinkte sie in die Helmhalterung meines schwarzen Helms.

Es sah immer mega affig aus, wie ich mit meiner Kamera da rumhampelte, aber das war mir so egal, als wenn in China ein Sack Reis umfällt.

Dann fuhr ich zum nächsten Lift hoch zum Anfang der höher gelegenen, schier endlosen Piste.
Baby, endlich habe ich euch wieder.
Mein Herz klopfte schon laut gegen meine Brust, das Adrenalin rauschte in Litern durch meine Adern, mein ganzer Körper spannte sich an. Eine feine Gänsehaut überzog meine komplette Haut.
Alles in mir brannte gerade zu, sich die steile Piste runter zu stürzen.

Noch kurz atmete ich die schwere Note von Tannen in der Luft ein, bis ich dann meinen Blick vom Horizont wegbewegte. Einmal schloss ich noch die Augen, bis ich sie wieder öffnete und meine Stöcker tief in den Schnee rammte, mich wegstämmte. Mein Blick hing fokussiert auf dem weißen Schnee vor mir, der schon kurze Zeit später unter meinen Brettern knirschte.

Während ich die Skier über den Hang gleiten ließ nahm ich nochmal einen tiefen Atemzug und bremste dann einmal kurz. Bereit für Runde zwei?
Aber sowas von!
Also stieß ich mich wieder ab und raste in Höllentempo die Piste hinab. In mein Blickfeld kam ein kleiner Hügel.
Sollte ich es schon probieren?

Mein Körper entschied aber kurzer Hand über meinen Geist, denn ich steuerte genau auf den Hügel zu, drückte mich ab und hockte mich in die Luft hin. Für größere Tricks war leider der Hügel zu niedrig.

Mit leicht federnden Knien landete ich wieder im Schnee. In mein Blickfeld trat wieder die kleine Hütte, die pinke Skijacke meiner Schwester leuchtete mir schon von weitem entgegen.
"Du und deine Piste. Wie kannst du nur ein Jahr lang ohne Schnee?"
"Ähm... eigentlich gar nicht."

Austrian Kisses [ABGESCHLOSSEN✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt