Hättest du gedacht, dass....Geheimnisse intimer als Küsse sind?

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Als ich entlassen wurde, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Riddle konnte ich nicht mehr alleine über den Weg laufen. Das Risiko, dass er mir etwas antat, war zu groß. Deshalb hielt ich mich mit größeren Gruppen auf und mit meinen Mädchen. Mit den Jungen wie Daniel und Armin unterhielt ich mich im Unterricht und im Gemeinschaftsraum (wenn Riddle nicht dabei war) und wenn die Slytherins sich in ihre Schlafsäle begaben, war ich immer ein Teil der Mehrheit, die sofort verschwand.

Ich spürte Riddles Blicke auf mir. Wissende Blicke.

Das war das größte Problem. Ich wusste nicht, was er wusste. Doch mein Verhalten machte ihm sicher klar, dass es etwas gab, das er nicht wissen sollte, falls er es denn nicht bereits wusste.

Es war bereits Ende November als ich im Raum der Wünsche saß und las. Hier konnte eigentlich niemand herein, falls ich es nicht zuließ, doch ein Tom Riddle fand vermutlich immer einen Weg. So las ich gerade unbekümmert vor mich hin, ignorierte das Grauen und meinen eigentlichen Auftrag, als sich die Tür zum Raum öffnete und der Erbe Slytherins eintrat. 

Ich blieb versteinert sitzen, während er mir immer näher kam und sich schließlich mir gegenüber setzte. Ich reagierte nach dem Klischee, dass Panik einen paralisierte und bemühte mich dem zu widersprechen. Einen weiteren Moment lang sah ich ihn an, dann senkte ich meinen Blick wieder auf das Buch und bewegte meine Augen hin und her, um wenigstens vorzugeben, dass ich las... was ich natürlich nicht tat. Seine Anwesenheit füllte mich mit Angst, weil ich nicht wusste, was alles passieren konnte. Ich mochte es, alles unter Kontrolle zu haben. Bei ihm war das unmöglich. Es machte mich nervös.

,,Möchtest du etwas von mir?", fragte ich irgendwann, ohne den Blick zu heben. Meine Stimme klang erstaunlich fest und gelassen in Anbetracht meines geistigen Zustands. Doch ich denke er wusste, wie schnell mein Herz schlug.

Er antwortete nicht sofort, weshalb ich es wagte meinen Blick zu heben.

Ein Fehler, wie mir dann bewusst wurde. Er hatte nur darauf gewartet.

,,Elanya, hör mir zu.", verlangte er wie ein Großvater, der ein ernstes Thema ansprach. Wie untypisch. Ich ließ das Buch langsam zuschlagen, was er als Aufforderung zum Weiterreden sah. 

,,Ich habe vieles gesehen, als ich deine Erinnerungen durchsucht habe." Begann er langsam, abwägend, wie mir schien. "Bisher war es nur eine Vermutung gewesen, doch jetzt weiß ich, dass du aus der Zukunft kommst." Ich schluckte.
,,Mach dir keine Sorgen, dein Geheimnis ist bei mir sicher.", ergänzte er sanfter, als hätte er das alles schon tausenmal durchlebt. Jetzt war ich verwirrt. Das war doch sicher ein schlechter Scherz. 

,,Ich habe den Schmerz gesehen, die Freude und die Aufgabe, die dir gegeben wurde." Das Blut wich aus meinem Kopf. Merlin, ich konnte jetzt nicht ohnmächtig werden. Ein unangenehmer Kopfschmerz breitete sich unter meiner Stirn aus.

,,Aber die Leute, die dich auf diese Reise geschickt haben, hatten keine Ahnung! Wie konnten sie nur ein kleines Mädchen schicken, um einen der größten dunklen Zauberer der Geschichte zu töten?" Dass er mich kleines Mädchen nannte, ging im Angstchaos meiner Gefühle komplett unter.

Jetzt war es vorbei. Er hatte seine große Rede geschwungen und würde mich jetzt siegessicher ermorden. 

,,Lass mich dir helfen Gellert Grindelwald zu besiegen, Elanya. Du musst das nicht alleine tun.", seine Stimme war so unglaublich warm, so mitfühlend, so drängend... bittend. Das alles wollte einfach keinen Sinn ergeben. 

Doch nach und nach wurde mir bewusst, dass das nicht meine Todesrede war. Er hielt den dunklen Lord aus meinen Erinnerungen für... Gellert Grindelwald

,,Entschuldige, was?", fragte ich heiser, weil meine Stimme nach dem beinahen Zusammenbruch noch nicht wiederhergestellt war.

,,Ich verstehe natürlich, dass du das nicht als Entschuldigung annehmen kannst. Ich muss dir auch etwas geben, richtig?" War das tatsächlich Reue, die ich in seinen Augen sah? Er hielt meine Verwirrung für unterdrückte Wut.

Also nickte ich nur, was ihn dazu aufforderte sich neben mich zu setzten.

,,Niemand weiß alles über mich. Meine Vergangenheit und Gegenwart ist dunkel... niemand sollte darüber bescheid wissen, verstehst du?" Wieder nickte ich. 

Als er fortfuhr, sah er mir direkt in die Augen. ,,Ich werde dir meine Vergangenheit zeigen." Was Tom auf diesen Satz erwartete, wusste ich nicht. Was er bekam, war das Aussetzten eines Herzschlags. 

Er beugte sich vor und legte seine linke Hand zärtlich auf meine rechte Wange. ,,Meine Gedanken streuen bei mir nicht frei im Kopf herum, wie bei den meisten Menschen. Ich habe sie geordnet angelegt." Ich hörte den Stolz bei diesen Worten deutlich heraus. ,,Du wirst ein Haus vorfinden mit vielen Zimmern und Sälen."

,,Wie weiß ich, was mir erlaubt ist zu sehen?", wisperte ich. Er war so nah, so unglaublich nah. Eine Gänsehaut überzog mich.

,,Ich werde dich führen.", entgegnete er ebeno leise. Hauchend. Sanft. So nah. 

Mir fiel erst auf, dass ich meine Augen geschlossen hatte, als ich seine Lippen auf meinen spürte. Es war zu leicht, um es einen Kuss zu nennen, doch intensiv genug, um Hitze in mir aufsteigen zu lassen. Dann, mit einem Schlag, war alles vorbei.

Ich stand in einem Haus. 

In seinem Haus.

Seinen Gedanken.

Hättest du gedacht, dass... [Tom Riddle FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt