9. Kapitel

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9. Kapitel

Die Tür schlug mit einem „Tock!" hinter mir zu und schien mir in den Kopf brennen zu wollen, dass ich nie mehr zurückkehren kann. Nicht ohne gefangen genommen zu werden, da dieses Dorf eine Menge Augen und Ohren hatte.

Ich ging nach links und schielte den Abhang hinab Richtung Marktplatz. Vier Wächter drückten sich dort zwischen den Menschen hindurch, obwohl diese vor Ehrfurcht von ihnen wichen. Die Männer gingen zielstrebig gen Westen, direkt auf den Weg zu, der zu den Häusern auf dem Hügel führten – und zu meinem Zuhause.

Du solltest jetzt wirklich schnell machen, ehe sie kommen!, drängte Aris, als er merkte, dass sich die Garde näherte.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen: Ich nahm meine Füße in die Hände und sprintete in den Wald, ohne die Richtung zu wechseln. Meine Tasche hüpfte dabei so sehr umher, dass sie jeden zweiten Schritt gegen meinen Rücken schlug. Zum Glück federte die Ersatzkleidung etwas ab.

Glücklicherweise folgten die Wächter mir nicht. Wahrscheinlich hielten sich zwei von ihnen weiterhin in meinem Zuhause auf, für den Fall, dass ich dorthin gehen würde, während die anderen beiden mich suchen würden. Hoffentlich wählten sie nicht die Möglichkeit, in der natürlichen Umgebung einer Jägerin zu suchen – den Wald. Wenn sie mich festnehmen würden, würde der Prozess gegen mich sehr schnell vom Tisch gehen und heute Abend oder mit etwas Glück morgen Mittag würde ich in der Arena verbrannt werden – wie eine Hexe.

Bei diesem Gedanken bekam ich eine Gänsehaut und rannte schneller durch das Unterholz. Nur zu oft schnitten sich dabei Brombeerranken oder andere Pflanzen mit Stacheln in meine Beine.

In der Ferne Richtung Westen hörte ich das Hacken einer Axt. Die Förster fällten Bäume - vielleicht sah mich jemand und berichtete den Wächtern, wohin ich gelaufen bin! Dann würde die heutige Nacht nicht lange werden. Also rannte ich etwas weiter nach Osten, obwohl meine Lunge bereits brannte und die Kraft nachließ.

Nach und nach wurde ich immer erschöpfter und stapfte schließlich zwischen dem hölzernen Gewächs und den Farnen umher, bis die Luft nach Abend roch und Stechmücken in der Luft umherschwirrten. An einem leise vor sich hin plätschernden Fluss machte ich halt und genoss das Licht, dass schräg durch die Baumkronen fiel.

In kurzer Zeit hatte ich ein Lager aufgebaut und entzündete mithilfe der Feuersteine einen kleinen, aufgeschichteten Holzhaufen. Dieser brannte zwar hell und warm, aber falls mich jemand hier so weit oben am Fluss, der in den Seelensee mündete, sah, konnte ich schnell mit den Händen das Feuer mithilfe des Wassers löschen.

Mit den letzten Sonnenstrahlen trank ich etwas von dem kühlen Nass aus dem Wasserschlauch, das wunderbar kühlte, und den Behälter füllte ich auch sogleich mit dem Wasser aus dem Fluss.

Als ich vor meiner improvisiert gebauten Schlafhütte aus Zweigen, Ästen und Blättern saß, kam das Unvermeidliche: Ich dachte über den Tag nach. Prompt schossen mir Tränen in die Augen, als Lina und mein Vater vor meinem inneren Auge auftauchten. Verdammt, was war bloß in den Minen passiert, dass ich mein Zuhause verlassen musste? Was war das überhaupt für ein Windstoß gewesen, der Yakar mit der Hilfe von Aris und mir gegen die Wand geschleudert hat? Die wichtigste Frage für mich im Moment war jedoch: Wie sollte es jetzt mit mir weitergehen?

Eine Stadt konnte ich schlecht aufsuchen. Wenn Aris nochmals so ausflippte oder mir sonst irgendwelche unerklärliche Fehler unterliefen, würde ich bestimmt als Hexe angeklagt und getötet werden. Oder wegen weniger.

Im Wald konnte ich auch nicht bleiben. Jeden Tag zu jagen würde zwar in Ordnung kommen, aber der Winter würde auch kommen und irgendwann auch die Wächter. Es gab kein zweites Dorf, in das ich fliehen konnte, jedenfalls kannte ich kein zweites wie das der Spiriten.

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