15. Kapitel

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15. Kapitel

„Das, was du da im Wasser gemacht hast, um dem Lokur zu entkommen", sagte Myron und ging langsam auf und ab, „war wirklich beeindruckend."

Erfreut über dieses Kompliment lächelte ich etwas und auch Aris freute sich, indem er wie der Wind durch die Baumkronen flog und sie wackeln ließ. „Aber es war noch nicht perfekt."

Das Hochgefühl erstarb. Myron wollte immer, dass seine Schützlinge alles, was er ihnen beibrachte, fehlerfrei konnten. Langsam wurde das ganze aber etwas nervig.

Der rothaarige Mann schloss kurz die Augen und deutete mir dann, mich umzudrehen. Als ich das dann tat, staunte ich nicht schlecht: Die Bäume hinter mir waren verschwunden, an ihrer Stelle lag ein bildschöner Strand und dahinter ein riesiges, dunkelblaues Meer. Ich konnte kleine Fische darin erkennen und im Sand krochen einige Krebse dahin. Mit einem wunderschönen Rauschen brachen die Wellen an der Küste und schickten mich in meine Erinnerungen zurück, wie ich am Seelensee stand. Die äußerst warme Luft wurde von einem etwas kälterem Seewind gekühlt und zauberte mir eine Gänsehaut auf die Arme.

Myron konnte mich immer wieder aufs Neue verblüffen, das musste man ihm lassen.

„Heute üben wir nämlich genau das." Er zog seine Schuhe aus, krempelte die Hose hoch und stelzte in das Meer.

„Hätte dich der Lokur nämlich nicht abgefangen, wärst du zwar im Wasser an der Küste gelandet, aber durch den niedrigen Wasserstand in Ohnmacht gefallen."

Das ließ mich erschrocken die Augen aufreißen. Wenn ich mit dem Kopf nach unten auf dem Wasser getrieben wäre, dann wäre ich sicherlich ertrunken.

„Der Trick ist, die Kraft deines Geistes zu steuern", sagte Myron und watete tiefer ins Wasser.

Vollkommen übermüdet blinzelte ich der aufgehenden Sonne entgegen. Eine Hand hatte mich geweckt, die auf meiner Schulter lag. Gerade war ich dabei gewesen, zum gefühlt hundertsten Mal von Aris durch die Luft geschleudert zu werden, als Myron mich in die echte Welt zurückgelassen hatte.

„Kay", hörte ich, „warum hast du nasse Haare?"

Schlaftrunken schaute ich umher und entdeckte Ethans Gesicht über mir. Seine Haare waren verstrubbelt und seine Augenbrauen fragend zusammengezogen. Er sah aus, als hätte er noch vor Kurzem ebenfalls geschlafen.

„Nich' so wichtig", murmelte ich, rieb mir die Augen und setzte mich auf. Die Wagenleute waren bereits alle auf den Beinen und sammelten Töpfe und unbenutztes Brennholz zusammen, während die Kinder mit kleinen, schläfrig aussehenden Augen umherstolperten und wohl noch halb schliefen.

„Trotzdem sollten wir los", sagte der Kämpfer, lächelte mich an und fing dann ebenfalls an, seine Sachen zu packen. Zuhause hätte ich noch eine Weile schlafen können, und jetzt reiste ich von Sonnenauf- bis untergang durch die Königreiche, um jemanden am anderen Ende der Welt zu heilen. Myron hatte mir zwar in meinen Träumen immer wieder gezeigt, wie man ein Lebewesen heilen konnte, aber trotzdem war ich mir dabei noch nicht ganz sicher.

Ich schüttelte den Kopf und rollte die Decke auf, um sie in die Tasche zu stopfen. Heute würde wieder einmal einer dieser Tage kommen, in denen man von früh bis spät durch die Landen zog und sich dabei Blasen zuzog vom vielen Gehen. Ich hatte bereits eine an meiner Ferse, die, als ich aufstand und den Rucksack schulterte, anfing höllisch zu schmerzen.

Gelangweilt und müde trottete ich den Zwillingen hinterher, die in das Lager der Karavane schlenderten und auf die Weiterreise warteten.

„Ich danke ihnen vielmals für die Mitreise", sprach Ian und nickte abermals dem Karavanenführer dankbar zu. Dieser lächelte nur, schlug dem Feigling kräftig und freundschaftlich auf die Schulter und verabschiedete sich dann von uns.

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