18. Kapitel

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18. Kapitel

„Bitte entschuldige, dass wir mit dir so rüde umgegangen sind", entschuldigte sich die Dame mittleren Alters zu gefühlt zehnten Mal und drehte sich erneut um, um mir in die Augen sehen zu können. „Wir hatten ja nicht ahnen können, dass du eine Bändigerin bist!"

„Jetzt ist es schon geschehen", meinte ich und lächelte der Frau zu, die schnellen Schrittes den mit Öllampen beleuchteten Flur entlang hetzte. „Bei Miro und Teyra wurde ich gut behandelt, also gibt es sowieso keinen Grund, um Verzeihung zu bitten."

„Trotzdem", erwiderte die Frau und schüttelte während dem Gehen den Kopf, so als könnte sie sich das ganze nicht verzeihen. Obwohl sie von mir bis heute Abend noch nichts gewusst hatte, tat sie, als ob sie selbst für das ganze Geschehen verantwortlich wäre. „Es war falsch und wir hätten es erkennen sollen, wer du bist."

Ich verdrehte nur die Augen. Sich selbst die Schuld zu geben an etwas, was längst vergangen ist, war wirklich dumm. Man sollte das Beste aus dem hier und jetzt machen und nicht der Vergangenheit nachtrauern. Dennoch ging ich nicht weiter darauf ein und folgte der Frau, die einige Tücher, eine Decke und frische Kleidung auf dem Arm hielt, mit flotten Schritten.

Ganz hinten angekommen im Flur, der auf dem Dachboden lag und durch Glasscheiben in den Ziegeln ausgeleuchtet wurde, hielt die Dame kurz inne, hantierte die Stoffe in ihren Händen und schloss dann mit ihrer Linken mithilfe eines Schlüssels die Holztür auf.

Als die Tür dann aufschwang, kam dahinter ein großer Raum zum Vorschein: Etwa acht Schritt in die Breite und zwölf in die Länge, so groß war das Gemach. Darin stand an der rechten Seite ein breiter Schreibtisch mit einem großen Stuhl, auf den ich sicherlich zweimal drauf gepasst hätte, zu meiner Linken erhoben sich große Bücherregale und bedeckten die komplette Wand bis an die obersten Dachbalken. Eine Leiter mit einem Holzklotz am unteren Ende lehnte an dem Holzgestell, dass über und über mit Büchern voll gestellt war. Im Vorbeigehen erhaschte ich Blicke auf die Einbände der Schmöker und las Titel wie „Die Elemente", „Alle Arten der Bändiger und ihr Können" oder „Die Welt". An der hintersten Ecke des Raumes stand ein gemütlich aussehendes Bett, über dem sich ein großes Fenster breit machte. Perfekt, um nachts die Sterne zu beobachten.

In dem Raum roch es frisch, als hätte man Blumen verteilt, und ich entdeckte auch einen riesigen Strauß davon auf dem Nachttisch neben dem Schlafplatz. So konnte man durchaus leben.

Die Dame legte den Stoffhaufen fein säuberlich auf das Bett und strich nochmals alles glatt, sodass es makellos aussah. Dann drehte sie sich zu mir um, faltete die Hände und lächelte mich an.

„Wenn du etwas brauchst, komm einfach runter und frage", sagte sie freundlich zu mir.

Ich bedankte mich bei der guten Frau und ließ sie lächelnd davonziehen. Als sie in der Tür stand, sagte sie noch: „Morgen wird dich einer der Bändigertrainer holen und dich prüfen", ehe die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Sobald die Frau weg war, entspannte ich mich um ein Vielfaches und ließ mich auf die Bettkante fallen. Aris zog seine Kreise im Zimmer und schien alles genauestens zu inspizieren.

Wir werden nicht ewig bleiben können, sagte er und wirbelte einzelne Haarsträhnen auf meinem Kopf umher. Das tat er immer, wenn er nachdachte.

„Ich weiß", entgegnete ich, „Und der Schwindel wird auch nicht ewig geglaubt werden."

Ich wusste doch nicht einmal, wie sich Geisterbändiger aufführten und wie sie die Wesen der dritten Sorte befehligten! Machten sie ebenfalls so komische Tänze wie die anderen und ließen etwas umherfliegen? Die Dunkelheit etwa? Oder wie sollte man sich das vorstellen?

Eigentlich müssten wir gleich die Zwillinge aufsuchen und mit ihnen Pläne schmieden.

In diesem Punkt hatte Aris recht. So würden wir jedenfalls schneller von hier wegkommen, obwohl ich sagen musste, es gefiel mir hier. Es schien die ganze Zeit Frühling zu sein, denn an allen Ecken sprossen bunte Wiesenblumen und auch die Wärme war frühlingshaft. In der restlichen Welt wäre es mittlerweile Spätsommer sein oder sogar schon Herbstanfang. Ich wusste es gar nicht so genau, denn je höher wir gen Norden gereist waren, desto kühler war es draußen geworden. Zwar waren es keine großen Unterschiede, aber immerhin konnte man sie bemerken.

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