30. Kapitel

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30. Kapitel

So schnell es uns möglich war rannten wir durch den Schnee, der uns teilweise bis zu den Knien reichte. Das Lastentier von Adin hüpfte uns fröhlich hinterher, obwohl seine Ohren sich anlegten und es nicht besonders begeistert aussah von unserem Plan, Ian zu suchen. Die Landschaft war in ein helles Grün getaucht, das von den Lichtern kam, und trotzdem schauderte ich. Der Schrei – was war passiert? Rächten sich die Existenzen, dafür, dass wir (oder eher Aris) sie gereizt hatten? Noch hielten die Todestage an, und das würden sie auch noch für eine weitere Woche. Mussten wir tatsächlich zittern um unsere Leben in diese Tagen?

„Ian? Wo bist du?", schrie ich, aber der Schnee schluckte meine Stimme fast gänzlich. Wir folgten den Fußspuren des blonden Jungen, die deutlich im Schnee zu sehen waren, aber sie schienen in keine besondere Richtung zu laufen.

„Kennst du dich hier aus in der Gegend?", erkundigte sich Ethan bei dem Nordjäger, der einen steinharten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Seine Augen waren vollständig auf die Berge fixiert und schienen etwas zu suchen.

„Leider nein. Ich bin nur selten hier draußen, um auf Hinweise von Lotos zu warten."

Bieg ab, dann geht es schneller!

Aris wartete gar nicht auf eine Reaktion meinerseits und schubste mich nach links. Stolpernd torkelte ich und fiel schließlich in den kalten Schnee. Schnell sprang ich auf und rieb mir das Gesicht, ehe ich weiterging. Aris könnte auch etwas sanfter mit mir umgehen!

„Was machst du denn?" Adin hob die Arme und sah mich fragend an. Als ich nicht antwortete, tat Ethan es. „Anscheinend flüstert ihr Geist ihr wieder Dinge ins Ohr."

„Ihr Geist? Ist sie etwa auch eine Trägerin?"

Ethan ließ sich nicht von seinen Fragen beirren, folgte mir seufzend und ließ den verdutzten Adin stehen.

„Hier!", rief erneut Ians Stimme und klang dieses Mal näher.

Immer geradeaus. Da ist eine Höhle.

Schnellstmöglich stelzte ich durch die weiße Kälte und entdeckte den Feigling tatsächlich vor einem steinigen Hügel. Er war vollkommen vom Schnee befreit, als hätte Hitze ihn geschmolzen.

„Geht da ja nicht rein!" Ian schien ganz außer sich zu sein. „Kommt, wir sollten weg von hier!"

Seine Augen waren so angsterfüllt, dass ich mich fragte, was er meinte. Erst dann fiel mir das Loch auf, das wie ein zahnloses Maul zwischen den Steinen gähnte. Einladend, aber auch gefährlich sah es aus, und ich wollte wissen, was Ian so dermaßen erschreckt hatte. Etwa eine tiefe Schlucht? Ian besaß eine extreme Höhenangst, aber deshalb war er doch nicht so geschockt, oder?

„Denk nicht einmal daran, Kayla!" Der Feigling packte mich am Arm und zerrte mich von dem Loch, das mich geradezu herausfordernd angrinste. Als nun auch Adin neugierig wurde, widersprach Ian: „Glaubt mir, da wollt ihr nicht rein."

„Was ist da drinnen, Ian?" Ich riss mich los und sah ihm tief in die Augen.

„Es...war laut. Entsetzlich unheimlich. Und fürchterlich!" Er musste wohl das Gebrüll meinen. Hatte es ihn etwa an die Existenzen erinnert? Meinte er, in der Dunkelheit wären sie gewesen?

„Du Angsthase", sagte Ethan emotionslos und deutete auf das Loch. „Ich habe das Gebrüll auch gehört. Es könnte von einem ganz normalen Tier stammen und nicht von einer Horde Carl's oder irgendeinem anderen Monster. Hier werfen die Berge jedes Geräusch zurück und so könnte es gespenstischer gewirkt haben."

Aus einem unbestimmten Grund glaubte ich ihm nicht. Was es auch war, es musste riesig sein. Das Schreien des Etwas hatte sich nicht besonders nach den Existenzen angehört, sondern seltsam tierisch geklungen.

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