37. Kapitel

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37. Kapitel

Als ich bei der Heilerstube angekommen war, wurde ich böse angesehen. Eine richtige Schlange aus Verwundeten hatte sich vor dem Eingang gebildet, erste Betten wurden unter freiem Himmel errichtet für die Verletzten. Jeder, der mich sah, funkelte mich so an, als wäre ich an all dem Schuld – aber niemand erhob die Stimme gegen mich. Wahrscheinlich waren sie zu müde, um eine Hetze auszurufen. Trotzdem stießen sie mich beiseite und nahmen keinerlei Rücksicht auf mich.

Jeder glaubte Yakars Geschichte, obwohl ich nun gar nicht mehr als Trägerin galt und somit den anderen nicht mehr schaden konnte. Das wusste aber keiner.

Die Heiler huschten von einem Spiriten zum anderen, heilten Knochenbrüche, Schnitte, innere Wunden und vieles mehr. Ich stellte mich hinten an, obwohl ich dem Tod sicherlich bereits ziemlich nah war, aber auf eine regelrechte Schlacht aus Hass gegen mich konnte ich gut verzichten. Vielleicht ging es sowieso schnell voran mit der Schlange. Kurze Zeit später sank ich auf dem Boden zusammen, weil ich erneut zu viel Blut verlor. Mein körperloser Freund konnte mir nicht mehr helfen, also saß ich mit schmerzverzerrten Gesicht auf dem Boden und betete, dass die Heiler sich beeilten.

„Kayla, Schätzchen!" Amely war gerade die Schlange abgegangen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Nun kam sie direkt auf mich zu, die Arme nach mir ausgestreckt.

„Warum bist du abgehauen? Das hätte dein Tod sein können!"

Ich nickte nur benommen und entspannte mich sofort, als sie meine Hände ergriff und der Schmerz nachließ. Ich merkte, dass Amely angeschlagen war, immerhin war sie nicht mehr die Jüngste und so viele Menschen zu heilen hatte es seit dem Krieg nicht mehr gegeben. Sie zitterte vor Erschöpfung und ich drückte aufmunternd ihre Finger. Das ließ sie lächeln.

„Komm mit", bat sie und wollte mich zum Heilerhaus ziehen, als ein junger Spirit die Heilerin zurückhielt. Er war kräftig gebaut und seine Hände und Handgelenke wiesen kleine Narben auf – wahrscheinlich arbeitete er auf den Feldern. Überall auf seinem Oberkörper waren lange Schnittwunden verteilt, als wäre er von den Dämonen ausgepeitscht worden.

„Was ist mit uns?", fragte er genervt und deutete auf die Schlange, von denen viele uns wütend anstarrten. Einige verschränkten die Arme vor der Brust, manche schüttelten angeekelt den Kopf.

„Jeder kommt dran, keine Sorge." Amely legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter, die dieser sogleich abschüttelte.

„Wir waren vorher da." Warum benahm er sich wie ein kleines Kind, dass nicht bekam, was es wollte? Er hatte recht, keine Frage, aber hatte ich Amely darum gebettelt, mich zuerst zu heilen? Absichtlich war ich nicht nach vorne gestürzt, sondern hatte mich im Hintergrund gehalten, damit sich niemand aufregte und Aufmerksamkeit erregte.

„Nun, sie wäre gestorben, ehe sie beim Heilerhaus angekommen wäre. Ich glaube, ihr haltet es noch etwas länger aus." Amely schenkte ihm ein gezwungenes Lächeln, bei dem ihre Augen den Mann nur mitleidig ansahen.

„Uns hätte es nichts ausgemacht, wäre sie da hinten verendet!", schrie nun jemand, der weiter vorne stand und unser Gespräch belauscht hatte. „Sie bringt nur Tod und Verderben!"

„Hat man auch gesehen", warf nun auch eine Frau ein, die einen blutgetränkten Lappen an ihren Arm hielt. „Ich sage nur: Yakar."

Damit war die Schlacht der Wörter eröffnet. Plötzlich wurde von überall her gerufen, ich solle verschwinden oder mich selbst umbringen. Auch Rufe wie „Wärst du doch nur in der Schlacht verreckt!" oder „Ich glaube, die Dämonen vorhin erachteten dich sogar als Freund, Monster!" gab es.

Amely schien beinahe zu platzen, so wütend war sie. Ich bewunderte sie immer wieder dafür, dass sie mir glaubte. So viele Leute waren gegen sie, sie könnten sie im Schlaf einfach so umbringen, aber sie blieb bei ihrer Meinung und ließ sich nicht einschüchtern.

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