Epilog

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Epilog

Ich erhob meine Stimme und rief: „Aris?" Nur kurze Zeit später fühlte ich warmen Wind um mich. Mein bester Freund war hier. Auch meine Schüler bemerkten ihn – immerhin machte mein körperloser Freund und ich das bereits seit Jahren.

„Hört er das tatsächlich?", fragte ein junges Mädchen, das etwa 17 Jahre alt sein musste.

„Aber natürlich. Die Geisterwelt liegt wie eine zweite Schicht auf der unseren. Würde sie weit weg liegen, würden wir Spiriten nicht existieren. Nur mit ihm reden – das kann ich nicht mehr."

Betrübte Gesichter schauten zu Boden. Ich biss mir vorfreudig auf die Lippen. Der nächste Teil war mein liebster.

„Oh, ich habe euch etwas ganz wichtiges gar nicht erzählt", fing ich an und lächelte breit. „Es gibt eine Heilungsstrategie für die Psi-Krankheit."

Lautes Gejohle erschallte im Klassenraum. Ich konnte die Freude förmlich auf der Haut spüren, wie sie wie Wind darüber tanzte und ein Prickeln hinterließ.

„Wie? Was wird da gemacht?"

„Das ist eine längere Zeremonie, die sich über mehrere Stunden hin zieht. Was für euch im Moment wichtig ist: Ihr könnt weiterhin mit eurem Geist verbunden sein."

Erneut kamen Jubelrufe auf und ich wusste bereits, dass ich meinen Schützlingen wohl nichts mehr beibringen konnte – es war sowieso schon spät. Ich gab ihnen ein Handzeichen und sie stürmten alle aus dem Raum. Glücklich schaute ich ihnen hinterher, wie sich Luftsprünge vollführten und die Fäuste in den Himmel rammten. So glücklich war ich auch gewesen, als ich Aris wiedergesehen hatte. Aber das war nur ein einziges Mal passiert, vor etwa zwölf Jahren. Noch immer war ich betrübt darüber, nicht mehr mit meinem körperlosen Freund kommunizieren zu können, aber dafür konnte ich viele andere Leben mit ihren Geistern ermöglichen. Ich hatte einiges geschafft in den letzten Jahren.

Tatsächlich hatte ich damals die Spiriten davon überzeugen können, dass ich keinen Geist mehr trug. Von da an hatte ich sehr viele Stunden, gar Tage mit Samuel verbracht, um mit ihm eine Heilung zu entwickeln. Man konnte schlecht für einen einzigen Psi-Träger ein Tor in die Zwischenwelt errichten, um ihn von seinem Geist zu befreien. Nach einigen Jahren hatten wir dann auch endlich die Lösung. Das „Ritual", wie es von allen genannt wurde, denn niemand wusste genau, was dann vor sich ging, denn nur die neue Wesensleserin, Hanna, und ich führten es durch.

Außerdem habe ich mir Myron als Vorbild genommen. In dem Jahr nach der eigentlichen Schule hier im Dorf wurde nämlich ein spezielles Training für die Träger angeboten, zum steigern und besseren ausnutzen des Potenzials – von ihnen selbst wie auch ihren Geistern. Jetzt werden sie überwiegend in die hohe Garde eingewiesen, denn es wurde nicht mehr unterschieden zwischen den verschiedenen Geisterklassen. Jeder konnte den Beruf erlernen, den er wollte. Dieses Ziel hatte ich nur mit dem Volk geschafft und ich war extrem stolz darauf.

Ich packte meine Tasche zusammen und ging aus dem kleinen Häuschen, das extra für die Psi-Träger eingerichtet wurde – entschuldigt, für Träger mit äußerst risikofreudigen Geistern. Das riesige Areal, auf dem es stand, gehörte zur Geistergilde. Dort studierten die Kämpfer die Schwarzgilde, um sie besser aufzuspüren. Es war wie eine mächtige Anlage, in der man zusammen nach den Dunkelheitsmagiern suchte, aber auch wie ein großes Testgelände funktionierte. Hier wurden unter anderem neue, technische Geräte getestet, aber auch Waffen, die in allen Königreichen hohes Ansehen hatten.

Als ich in den Himmel hinauf sah, entdeckte ich die beiden Sterne, die erst seit zwölf oder dreizehn Jahren existierten. Ich glaube, damals hatte ich zu Ian gesagt, solange sie leuchtete im Himmel, passe sie auf auf ihn und seinen Bruder. Lina hatte mir zugeflüstert vor langer Zeit, dass sie auch gerne mal bei den Sternen sein wolle. Wie ihre Augen damals nur gefunkelt hatten...

Aus diesen Gründen nannte ich die beiden Sterne immer „Anne" und „Lina". Vielleicht, weil ich mich dann besser fühlte, weil ich wusste, die beiden waren immer noch bei mir, obwohl ich die Mutter der Zwillinge nicht persönlich gekannt hatte.

„Kayla!", rief eine weibliche Stimme vom Eingangstor her und ich schaute erstaunt die Ruferin an. Ich kannte sie doch, oder? Sie kam mir so verdammt vertraut vor! Diese Stimme...

Eine junge Frau stand zwischen den beiden Säulen, die den Eingang des Geländes markierten. Sie musste um die achtzehn Jahre alt sein, aber wegen ihren glänzenden, schwarzen Haaren und den leuchtenden, türkisfarbenen Augen wusste ich, dass sie nicht im Dorf der Spiriten wohnte. Solch ein Mädchen wäre mir schon längst aufgefallen. Als sie auf mich zu rannte musste ich unweigerlich an einen Vogel denken. Sie schien so...frei.

Als nun auch noch eine weitere Frau und zwei junge Männer hinter der Säule auftauchten, erkannte ich die Vier.

Der rechte Mann hatte schwarzes, kurzes Haar, braune Augen und war recht schmal gebaut. Er hieß Beris. Der andere neben ihm musste sein Bruder sein, denn sie besaßen das selbe, verschlagene Lächeln. Dieser hatte dunkle Haare, die ihm bis zu den Schultern reichten. Die stechend blauen Augen waren mir nie aus dem Gedächtnis gekommen, nur dass der damals so kleine Junge namens Thay zu einem stämmig gebauten Mann herangewachsen war.

Die Frau, sie war die Mutter der drei, hatte sich bei dem Ältesten eingehakt und lächelte mich gutmütig an. Weiße Strähnen zogen sich durch ihre schwarzen, langen Haare. Das Mädchen war definitiv ihr Ebenbild in jung, nur dass die ältere Frau braune Augen besaß.

„Selicia!", rief ich und fing das junge Mädchen auf, das ihre Arme um mich warf. Sie war so groß geworden, und doch hatte sie nichts von ihrem Vogel-Charakter eingebüßt.

„Wie schön, dich wiederzusehen", gluckste das Mädchen und sah mich voller Freude an. Solch ein Leuchten hatte ich schon lange nicht mehr in keinem Augenpaar gesehen.

Nun umarmte ich auf die ältere Frau, Teyra, die sich ebenfalls riesig freute.

„Ich musste ihr seit deinem Verschwinden versprechen, dass wir dich besuchen kommen, wenn sie alt genug ist", meinte sie und schaute mich stolz an. „Du bist ja richtig erwachsen geworden, Kay."

Ich lachte und legte einen Arm um die Schultern von Selicia, die breit grinste. „Deine Kleine ist aber auch ganz schön groß geworden, genauso wie die beiden Jungs."

Teyra grinste und schaute zu den Männern hoch, die beide so groß sein mussten wie ihr Vater, Miro. Er war bestimmt im Dorf geblieben, schließlich war er der Anführer der Feuerbändiger.

Warum waren die Vier überhaupt hier? Haben sie endlich aufgehört, sich in ihrem tal zu verschanzen?

Aus Gewohnheit griff ich mir an die Brust und fühlte dort die Kette, die ich Adin geliehen hatte. Die wirren Linien auf dem Amulett waren noch immer so wie damals, nur etwas Rost bedeckte die matte Oberfläche. Dann kam mir ein Geistesblitz.

Ich zog meine Freundin etwas weiter von ihrer Familie fort, um mit ihr unter vier Augen reden zu können.

„Du hast mir mal erzählt, dass deine Kette Glück bringt", fing ich an und zog Quie's Kette hervor. Die Linien leuchteten im letzten Licht der untergegangenen Sonne. Dann schaute ich Selicia an, die mich interessiert betrachtete. Sie wird sicherlich das ein oder andere Abenteuer erleben, und ganz ohne Schutz war das ziemlich gefährlich.

Ich zog mir das Amulett über den Kopf und hielt es ihr hin. „Tatsächlich hatte ich viel mehr Glück, nachdem du mir sie gegeben hattest. Jetzt bekommst du meine. Sie wird dich beschützen. Ich glaub', brauchst sie dringender als ich."

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