Unbekannt und Unbewaffnet

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Unbekannt und Unbewaffnet

Richard schlug ein letztes Mal zu, bevor er sich leicht erschöpft neben seinen nun endlich toten Gegner setzte.
„Eins muss ich dir lassen...-", sagte er als er sich seine Brille wieder aufsetzte, die er während des Kampfes ausgezogen hatte, „...du warst nicht leicht zu besiegen. Die Schläge gegen deinen Kopf hast du gut eingesteckt, ich bin beeindruckt. Aber ich denke es war deine Kondition und deine mangelnde Deckung, die dich schließlich zu Boden gehen ließ." Er strich sich seine Haare aus dem Gesicht und atmete einmal tief durch.
Richie hatte sich den Kampf schlussendlich anders vorgestellt. Er hätte besser aufpassen sollen, als die Frau versucht hatte, ihn mit einer ausgesteckten Lampe zur Strecke zu bringen.
Nun lagen sie aber beide nebeneinander und bis ins Unkenntliche entstellt: aufgeplatzte, geschwollene Haut, aus deren Wunden noch immer in kleinen Fäden aus Blut quillt, leere Augenhöhlen und Augen, die nun in ihren eigenen Händen lagen.

„Ich möchte das noch einmal klar stellen, falls euch das noch nicht aufgefallen ist. Wir wollten euch gut bezahlen und euch sogar gehen lassen. Aber das mit dem Schmuck ... das ging natürlich zu weit. Ich bin eigentlich nicht so...-", Richard lachte leise auf, „ ...doch, tut mir Leid. Eigentlich bin ich das schon. Aber nur wenn man mich provoziert. Das kann ich nicht abhaben."

„Es ist nicht gut, wenn man Selbstgespräche führt, naja, das sagen zumindest die Experten. Ich musste es mir auch abgewöhnen ... macht  paranoid, wenn du verstehst, was ich meine."
Richard stand innerhalb von wenigen Sekunden auf den Füßen, um mit der Taschenlampe in die Richtung zu leuchten, aus der die männliche Stimme kam. Er war sich sicher, dass es nur sechs Arbeiter gewesen waren, er hatte schließlich nachgezählt. Wo kam also er her?
Richie ging in schnellen Schritten auf ihn zu und drückte ihn mit einem geschickten Griff an den Hals gegen die Wand. „Wer bist du? Wer hat dich geschickt? Für wen Arbeitest du?", zischte er ihm beinahe lautlos entgegen.
Mit seiner freien Hand hob er seine Taschenlampe, um seinen Gegenüber besser sehen zu können. Dessen kurzen, rot-orangene Haare standen ihm wild vom Kopf ab während er ihn mit seinen braunen Augen ansah und ihn mit seinen perfekten, weißen Zähnen angrinste.
Der Unbekannte versuchte zu lachen, doch es gelang ihm kaum, da Richard noch immer Druck auf seinen Hals ausübte.

„Ich könnte dir das alles besser erklären, wenn du nicht gerade dabei wärst, mich zu töten, versteht sich.", scherzte er krächzend und blickte ihm weiterhin lächelnd entgegen.
Richard lockerte seinen Griff. Er war neugierig geworden und wollte unbedingt wissen, weshalb sein Gegenüber überhaupt keine Anzeichen von Angst in seinen Augen hatte. Ihm schien egal zu sein, was mit ihm nun passieren würde.
„Zuerst einmal, ich arbeite für niemanden. Das habe ich schon lange Aufgegeben. Arbeitsunfall, dies das. Außerdem bin ich unbewaffnet, also keine Sorge.", er zwinkerte Richard zu, bevor er seine Hand auf Richard's Arm legte, um ihn dazu bewegen, ihn endlich frei zu geben, doch dieser ließ ihn noch immer nicht los. „Ich habe gesehen was du getan hast und ich muss sagen, ich bin beeindruckt. Ich habe noch nie gesehen, wie jemand zwei Menschen, die noch halb am Leben sind die Augen aus dem Kopf reißt. Respekt."

Richard konnte gerade kaum glauben, was er da hörte. Hatte dieser Fremde ihm da gerade ein Kompliment für seine Morde gemacht? Hatte er ihn beobachtet? Und wenn ja, warum hatte er ihm nicht geholfen? „Was und warum bist du hier?", fragte Richard und sah ihn wütend an und blieb angespannt, da er dem Unbekannten noch immer nicht traute.
„Nun, das sind beides gute Fragen, die ich dir leider nicht wirklich beantworten kann. Ich war nur auf der Durchreise, da ich nicht lange an Orten bleiben kann. Das wäre irgendwie zu auffällig geworden ... mit der Zeit."
„Durchreise? Bist du auf der Flucht? Sind die Bullen hinter dir her?!" Wieder verstärkte er seinen Griff und sah seinen Gegenüber scharf an.
„Nein! Die haben mich noch nie bekommen, werden sie auch nie. Ich bin zu gut dafür.", wehrte dieser ab und hob ergebend die Hände.
„Zu gut in was?" Richard runzelte die Stirn. Er konnte sich weder seine Situation, noch den Fakt erklären, dass dieser Typ in eine verriegelte Villa hineingekommen ist, ohne dass er oder Shiva etwas bemerkt hatten.
„Ich dachte das war schon offensichtlich. Ich bin so wie du, auch wenn ich nicht so hart ran gehe, ich meine das war schon ziemlich krass. Aber versteh' mich nicht falsch, das was du hier abgezogen hast war genial!" Der rot-orange Haarige lockerte Richard's Griff und dieses mal ließ er es zu.
„Was meinst du damit? Du musst schon genauer werden."
Während Richard's Blick immer skeptischer wurde, wurde das Lächeln des Unbekannten immer breiter.
„Ich bin auf der Flucht. Ich werde wegen mehrfachen Mordes gesucht, doch ich werde nie gefunden. Ich bleibe unter dem Radar. Ich bin unsichtbar, also mach dir mal keine Sogen, ihr seid nicht in Gefahr."

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